15.11.2024
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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil09.11.2016

Leistungen nach dem Contergan­stiftungs­gesetz schließen Kinder­geldan­spruch für behindertes Kind nicht ausConterganrenten sind kinder­geld­rechtlich nicht als Einkünfte und Bezüge zu berücksichtigen

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein Sozia­l­hil­fe­träger für die stationäre Unterbringung und Betreuung eines contergan­geschädigten Kindes Anspruch auf die Abzweigung von Kindergeld hat, auch wenn das Kind eine Rente nach dem Contergan­stiftungs­gesetz erhält.

Das betroffene Kind des zugrunde liegenden Verfahrens ist aufgrund einer Conter­gan­schä­digung seit seiner Geburt schwerbehindert. Die Mutter ist verstorben. Der Vater leistet einen Unter­halts­beitrag von 54,96 Euro im Monat und erhielt das Kindergeld bis 2005 ausgezahlt. Weil das Kind ab Januar 2013 in einem Wohnheim stationär untergebracht und betreut wird, beantragte der für die monatlichen Kosten von ca. 5.000 Euro aufkommende Sozia­l­hil­fe­träger ihm das Kindergeld abzuzweigen. Die beklagte Familienkasse lehnte es ab, Kindergeld festzusetzen und an den Sozia­l­hil­fe­träger abzuzweigen, weil das Kind aufgrund seiner ab Januar 2013 auf monatlich 6.812 Euro erhöhten Conterganrente in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.

Sozia­l­leis­tungen würden ohne Conterganrente nicht zur Deckung des Grundbedarfs und behin­de­rungs­be­dingten Mehrbedarfs ausreichen

Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der Klage des Sozia­l­hil­fe­trägers statt und gewährte Kindergeld in Höhe von 129,04 Euro (184 Euro abzüglich des Unter­halts­beitrag des Vaters von 54,96 Euro). Nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes (alte Fassung) ist für ein Kind über sein 27. Lebensjahr hinaus Kindergeld zu gewähren, wenn es wie im vorliegenden Fall wegen einer vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Existenz­mi­nimums eines Erwachsenen und dem individuellen behin­de­rungs­be­dingten Mehrbedarf. Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behin­de­rungs­be­dingtem Mehrbedarf nicht, kann sich das Kind nicht selbst unterhalten. Im Streitfall reichten die dem Kind gezahlten Sozialleistungen - ohne Berück­sich­tigung der Conterganrente - nicht aus, seinen Grundbedarf und behin­de­rungs­be­dingten Mehrbedarf zu decken.

Zum Ausgleich des immateriellen Schadens gezahlte Conterganrente ist vorrangig zur Bestreitung des Lebens­un­terhalts des Kindes bestimmt

Das Finanzgericht folgte damit nicht der Auffassung der Familienkasse, dass die Leistungen der Conter­gan­stiftung kinder­geld­rechtlich als Einkünfte und Bezüge des Kindes zu berücksichtigen seien. Das ergebe sich aus § 18 des Conter­gan­stif­tungs­ge­setzes und dem Charakter der Conterganrente als Schmerzensgeld. Schmerzensgeld nehme innerhalb der Einkommens- und Vermögensarten eine Sonderstellung ein, weil es nicht für den Lebensunterhalt eingesetzt werden soll. Schmerzensgeld habe eine Entschädigungs- und Ausgleichs­funktion über den erlittenen Vermö­gens­schaden hinaus. Auch die Conterganrente diene vorrangig dem Ausgleich des immateriellen Schadens und sei keine Leistung, die zur Bestreitung des Lebens­un­terhalts des Kindes bestimmt oder geeignet sei.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg/ra-online

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