21.11.2024
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Dokument-Nr. 17012

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Urteil10.10.2013Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte64569/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MMR 2014, 35Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2014, Seite: 35
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ergänzende Informationen

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Urteil10.10.2013

EGMR: Internet-Nachrich­ten­portal haftet für beleidigende Äußerungen durch LeserkommentareKein rechtwidriger Eingriff in Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung (Art. 10 EMRK)

Haftet ein Internet-Nachrich­ten­portal für beleidigende Äußerungen seiner Leser in der Kommen­ta­r­funktion eines Artikels und muss Schadenersatz leisten, so liegt darin nicht zwangsläufig ein rechtswidriger Eingriff in das Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung im Sinne des Art. 10 der Europäischen Menschen­rechts­konvention (EMRK). Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein estnisches Online-Nachrich­ten­protal veröffentlichte im Januar 2006 einen Artikel über ein Fährunternehmen. Der Artikel beschäftigte sich damit, dass das Unternehmen plante einige Fährrouten zu einigen Inseln zu ändern. Demgegenüber habe jedoch die kosten­güns­tigere Variante von sogenannten Eisstraßen gestanden. Der Artikel wurde in der Kommen­ta­r­funktion der Internetseite kontrovers diskutiert. Unter den Kommentaren befanden sich auch beleidigende und drohende Äußerungen gegenüber dem Fährunternehmen und dessen Eigentümer. Der Firmeninhaber erhob daraufhin Klage gegen das Nachrich­ten­portal.

Estnische Gerichte sprachen Schadenersatz zu

Die estnischen Gerichte hielten die Äußerungen für verleumderisch und machten zudem das Nachrich­ten­portal für die Kommentare verantwortlich. Sie sprachen dem Firmeninhaber daher ein Schadenersatz in Höhe von 5.000 estnischen Kronen (etwa 320 €) zu. Das Nachrich­ten­portal war damit hingegen nicht einverstanden. Es hielt sich für einen passiven und neutralen Bereitsteller von Dienst­leis­tungen und könne daher nicht für Äußerungen anderer haftbar gemacht werden. Es sah außerdem eine Verletzung des nach Art. 10 EMRK bestehenden Rechts der freien Meinung­s­äu­ßerung und klagte vor dem EGMR.

Keine Verletzung der Meinung­s­äu­ße­rungs­freiheit

Der EGMR sah in den Entscheidungen der estnischen Gerichte keine Verletzung des Rechts auf freie Meinung­s­äu­ßerung. Denn ein Eingriff in dieses Recht sei gerechtfertigt, wenn er nach den Umständen des Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dies sei hier der Fall gewesen.

Eingriff war verhältnismäßig

Unter Zugrundelegung folgender Punkte habe der EGMR den Eingriff als verhältnismäßig angesehen. Zum einen sei zu Lasten des Nachrich­ten­portals zu berücksichtigen gewesen, dass die Kommentare beleidigend, drohend und verleumderisch waren. Zum anderen habe das Portal nichts unternommen, um die Veröf­fent­lichung der Kommentare zu verhindern. Des Weiteren sei der von den estnischen Gerichten zugesprochene Schadenersatz nicht sehr hoch gewesen.

Keine Klage gegen Kommentatoren notwendig gewesen

Der EGMR verkannte zwar nicht, dass der Fährbetreiber zunächst die Kommentatoren habe zu Rechenschaft ziehen müssen. Die Feststellung deren Identität sei jedoch angesichts der anonymen Äußerungen so gut wie unmöglich gewesen. Darüber hinaus sei zu beachten gewesen, dass das Nachrich­ten­portal durch die Kommentierung Werbeeinnahmen erhält und daher von den Äußerungen profitierte.

Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, ra-online (pm/rb)

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