21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil27.06.2017

Spanien: Befreiung von der Kirchensteuer bei wirtschaft­licher Tätigkeit von Kirchen stellt unzulässige Beihilfe darBaumaßnahmen der katholischen Kirche an Schulgebäude verfolgen keinen strikt religiösen Zweck

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Steuer­be­freiungen, in deren Genuss die katholische Kirche in Spanien kommt, verbotene staatliche Beihilfen darstellen können, wenn und soweit sie für wirtschaftliche Tätigkeiten gewährt werden.

Ein vor dem Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften geschlossenes Abkommen zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhl sieht verschiedene Steuer­be­freiungen zugunsten der katholischen Kirche vor. In der vorliegenden Rechtssache beruft sich eine religiöse Kongregation der katholischen Kirche in ihrer Eigenschaft als Trägerin einer kirchlichen Schule in der Nähe von Madrid auf dieses Abkommen, um die Erstattung einer Gemeindesteuer auf Bauwerke, Einrichtungen und Baumaßnahmen in Höhe von knapp 24.000 Euro zu erwirken, die sie auf Baumaßnahmen an einem Schulgebäude, in dem die Aula der Schule untergebracht ist, entrichtet hat. Die fraglichen Räumlichkeiten werden für staatlich reglementierten Primar- und Sekun­dar­un­terricht genutzt, der dem Unterricht an öffentlichen Schulen gleichsteht und vollständig aus dem öffentlichen Haushalt finanziert wird. Sie werden auch für freien Vorschul­un­terricht, außer­schu­lischen Unterricht und Unterricht im Anschluss an die Schulpflicht genutzt, der nicht aus dem öffentlichen Haushalt subventioniert wird und für den Einschrei­be­ge­bühren erhoben werden.

Stellt Steuerbefreiung unionsrechtlich verbotene Beihilfe dar?

Der Erstat­tungs­antrag wurde von der Steuerbehörde abgelehnt. Die Steuerbefreiung finde keine Anwendung, da sie für eine Tätigkeit der katholischen Kirche begehrt werde, mit der kein strikt religiöser Zweck verfolgt werde. Der mit der Klage der religiösen Kongregation befasste Juzgado de lo Contencioso-Administrativo nº4 de Madrid (Verwal­tungs­gericht Nr. 4 von Madrid) fragt den Gerichtshof der Europäischen Union, ob die streitige Steuerbefreiung, hier angewandt auf ein Schulgebäude, als eine durch das Unionsrecht verbotene staatliche Beihilfe zu betrachten sei. In der Rechtssache wird damit zu gleich die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob eine verbotene staatliche Beihilfe vorliegen kann, wenn ein Mitgliedstaat eine Religi­o­ns­ge­mein­schaft von bestimmten Steuern befreit, und zwar auch für Tätigkeiten, die keinen strikt religiösen Zweck haben.

EuGH bejaht verbotene Beihilfe bei wirtschaft­licher Tätigkeit

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass eine Steuerbefreiung eine verbotene staatliche Beihilfe darstellen kann, wenn und soweit die in den fraglichen Räumlichkeiten ausgeübten Tätigkeiten wirtschaft­licher Art sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

Voraussetzungen für Einstufung als verbotene staatliche Beihilfe voraussichtlich zumindest in zwei Punkten erfüllt

Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass nur die nicht vom spanischen Staat subven­ti­o­nierten Unter­richt­s­tä­tig­keiten wirtschaft­lichen Charakter haben dürften, da sie im Wesentlichen mittels privater finanzieller Beteiligungen an den Schulgebühren finanziert werden. Das nationale Gericht wird ferner zu klären haben, ob und in welchem Umfang die fraglichen Räumlichkeiten, zumindest teilweise, für solche wirtschaft­lichen Tätigkeiten genutzt werden. Der Gerichtshof fügt hinzu, dass die Befreiung von der fraglichen Gemeindesteuer zumindest zwei der vier Voraussetzungen für die Einstufung als verbotene staatliche Beihilfe zu erfüllen scheint, da sie 1. der die Schule betreibenden Kongregation einen selektiven wirtschaft­lichen Vorteil verschaffen würde und 2. zu einer Verringerung der Einnahmen der Gemeinde und damit zum Einsatz staatlicher Mittel führt.

Zu den beiden anderen Voraussetzungen (Auswirkungen des wirtschaft­lichen Vorteils auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und Vorliegen einer Wettbe­wer­bs­ver­zerrung) stellt der Gerichtshof fest, dass die streitige Befreiung möglicherweise dazu führt, die Erbringung der Unter­richts­leis­tungen der religiösen Kongregation im Vergleich zu Einrichtungen, die auf dem gleichen Markt tätig sind, attraktiver zu gestalten. Das Unionsrecht* bestimmt allerdings, dass Beihilfen, die einen Gesamtbetrag von 200.000 Euro innerhalb von drei Jahren nicht übersteigen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen und den Wettbewerb nicht verfälschen oder zu verfälschen drohen, so dass solche Maßnahmen vom Begriff der staatlichen Beihilfen ausgenommen sind. Das nationale Gericht wird daher prüfen müssen, ob dieser Schwellenwert im vorliegenden Fall erreicht wird, wobei nur die Vorteile zu berücksichtigen sind, die die religiöse Kongregation aus ihren etwaigen wirtschaft­lichen Tätigkeiten zieht.

Nationales Gericht muss Vorliegen einer staatlichen der Kommission mitteilen

Schließlich führt der Gerichtshof aus, dass die streitige Steuerbefreiung, auch wenn das Abkommen zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhl vor dem Beitritt Spaniens zur Union abgeschlossen wurde, gegebenenfalls nicht als bestehende staatliche Beihil­fe**an­zusehen ist, sondern als neue Beihilfe. Die spanische Steuer auf Bauwerke, Einrichtungen und Baumaßnahmen wurde nämlich erst nach diesem Beitritt eingeführt. Sollte das nationale Gericht feststellen, dass eine staatliche Beihilfe vorliegt, müsste diese also der Kommission mitgeteilt werden und dürfte nicht ohne ihre Zustimmung durchgeführt werden.

Erläuterungen

* Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel [107 AEUV] und [108 AEUV] auf "De-minimis" - Beihilfen (ABl. 2006, L 379, S. 5).

** Bestehende Beihil­fe­re­ge­lungen unterliegen nur einer regelmäßigen Kontrolle der Kommission und können ordnungsgemäß umgesetzt werden, solange sie von der Kommission nicht für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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