21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil23.04.2009

Marken­her­steller können sich gegen Weiterverkauf bei Discounter wehrenVerkauf von Markenprodukten bei Discountern kann zur Schädigung des Rufes der Marke führen

Der Inhaber einer Marke kann sich dem Weiterverkauf seiner Prestigewaren durch Discounter widersetzen. Dies gilt insbesondre, wenn der Discounter von einem Lizenznehmer unter Verstoß gegen den Lizenzvertrag beliefert wurde und dieser Verstoß den Presti­ge­cha­rakter schädigt, der diesen Waren eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Im Jahr 2000 schloss Dior mit der Société industrielle lingerie (SIL) einen Marken­li­zenz­vertrag für die Herstellung und den Vertrieb von Miederwaren unter der Marke Christian Dior. Dieser Vertrag sieht vor, dass sich SIL zum Zweck der Erhaltung des Bekannt­heitsgrads und des Ansehens der Marke verpflichtet, diese Waren u. a. nicht ohne schriftliche Genehmigung von Dior an Discounter zu verkaufen, die nicht dem selektiven Vertriebsnetz angehören, und dass sie alle Vorkehrungen zu treffen hat, um die Einhaltung dieser Bestimmung bei ihren Auslieferern und Einzelhändlern durchzusetzen.

Ware wurde aufgrund wirtschaft­licher Schwierigkeiten des Lizenznehmers innerhalb des Europäischen Wirtschafts­raumes in den Verkehr gebracht

Aufgrund wirtschaft­licher Schwierigkeiten verkaufte SIL mit der Marke Dior versehene Waren an die Gesellschaft Copad, die als Discounter tätig ist. Da Dior der Ansicht war, dieser Weiterverkauf sei nach dem Vertrag verboten, erhob sie gegen SIL und Copad Klage wegen Marken­rechts­ver­letzung. Die Weiterverkäufer beriefen sich dagegen auf die Erschöpfung des Rechts von Dior an ihrer Marke, da die Waren mit der Zustimmung von Dior innerhalb des EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) in den Verkehr gebracht worden seien.

Die französische Cour de cassation, die letzt­in­sta­nzlich mit dem Rechtsstreit befasst ist, fragt den Gerichtshof, wie die Richtlinie 89/104 über die Marken (siehe unten) insbesondere dann auszulegen ist, wenn der Lizenznehmer eine Bestimmung des Lizenzvertrags missachtet hat, nach der der Verkauf an Discounter außerhalb des selektiven Vertriebsnetzes aus Gründen des Ansehens der Marke untersagt ist.

Markeninhaber darf Rechte geltend machen, wenn Verkauf von Waren an Discounter Presti­ge­cha­rakter verletzt

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass der Markeninhaber die Rechte aus der Marke gegen einen Lizenznehmer geltend machen kann, der gegen eine Bestimmung des 1 Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989 L 40, S. 1) in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994 L 1, S. 3) geänderten Fassungdes Lizenzvertrags verstößt, nach der aus Gründen des Ansehens der Marke der Verkauf von Waren an Discounter untersagt ist, sofern nachgewiesen ist, dass dieser Verstoß aufgrund der besonderen Umstände im Fall des Ausgangs­ver­fahrens den Presti­ge­cha­rakter schädigt, der diesen Waren eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht

Qualität von Markenwaren beruht nicht nur auf materiellen Eigenschaften sondern auch auf Presti­ge­cha­rakter

Die Richtlinie erlaubt es dem Inhaber einer Marke nämlich, die Rechte aus der Marke gegen den Lizenznehmer geltend zu machen, wenn dieser gegen bestimmte Klauseln des Lizenzvertrags verstößt, die in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie genannt sind, darunter insbesondere solche, die die Qualität der Waren betreffen. Die Qualität von Prestigewaren beruht nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Presti­ge­cha­rakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht. In dieser Hinsicht ist ein selektives Vertriebssystem wie das hier in Rede stehende, das insbesondere hinsichtlich der Bestimmung des Kundenkreises, der Werbung, der Darstellung der Waren und der Geschäfts­politik sicherstellen soll, dass die Waren in den Verkaufsstellen in einer ihren Wert angemessen zur Geltung bringenden Weise dargeboten werden, geeignet, zum Ansehen der fraglichen Waren und somit zur Wahrung ihrer luxuriösen Ausstrahlung beizutragen.

Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verkauf von Prestigewaren durch den Lizenznehmer an Dritte, die nicht dem selektiven Vertriebsnetz angehören, die Qualität dieser Waren selbst beeinträchtigt, so dass in diesem Fall eine Vertragsklausel, die diesen Verkauf untersagt, als in den Anwen­dungs­bereich der Richtlinie fallend angesehen werden muss. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der Verstoß des Lizenznehmers gegen eine Bestimmung wie diejenige, um die es im vorliegenden Fall geht, unter Berück­sich­tigung der Umstände des von ihm zu entscheidenden Rechtsstreits die luxuriöse Ausstrahlung von Prestigewaren schädigt und damit ihre Qualität beeinträchtigt.

Weiter führt der Gerichtshof aus, dass der Verkauf, der unter Missachtung einer Bestimmung erfolgt ist, nach der der Weiterverkauf an Discounter außerhalb des selektiven Vertriebsnetzes untersagt ist, im Sinne der Richtlinie als ohne die Zustimmung des Markeninhabers erfolgt angesehen werden kann, wenn nachgewiesen ist, dass eine solche Zuwiderhandlung gegen eine der Bestimmungen verstößt, die in der Richtlinie genannt sind. Zwar muss das Inver­kehr­bringen von mit der Marke versehenen Waren durch einen Lizenznehmer grundsätzlich als mit der Zustimmung des Markeninhabers erfolgt angesehen werden, der Lizenzvertrag kommt jedoch keiner absoluten und unbedingten Zustimmung des Markeninhabers zum Inver­kehr­bringen von mit dieser Marke versehenen Waren durch den Lizenznehmer gleich.

Die Richtlinie räumt dem Markeninhaber nämlich ausdrücklich die Möglichkeit ein, seine Rechte aus der Marke gegen einen Lizenznehmer geltend zu machen, wenn dieser gegen bestimmte Klauseln des Lizenzvertrags verstößt.

Somit ist die Richtlinie dahin auszulegen, dass das unter Missachtung einer Bestimmung des Lizenzvertrags erfolgte Inver­kehr­bringen von mit der Marke versehenen Waren durch den Lizenznehmer der Erschöpfung des Rechts, das die Marke ihrem Inhaber verleiht, im Sinne des der Richtlinie entgegensteht, wenn nachgewiesen ist, dass diese Bestimmung einer der in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie genannten Bestimmungen entspricht.

Schließlich ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Schädigung des Rufes der Marke für einen Markeninhaber grundsätzlich ein berechtigter Grund im Sinne der Richtlinie sein kann, sich dem Wiederverkauf der Prestigewaren zu widersetzen, die von ihm oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht wurden.

Richtlinie

Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989 L 40, S. 1) in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994 L 1, S. 3) geänderten Fassung.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 35/09 des EuGH vom 23.04.2009

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7774

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI