In dem zugrunde liegenden Fall ließ die Doumer SNC ließ an einem in Courbevoie (Frankreich) belegenen Immobilienkomplex Renovierungsarbeiten durchführen; sie ist bei Axa Corporate versichert, die ihren Sitz in Frankreich hat. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden Kühlaggregate eingebaut. Diese waren mit Kompressoren bestückt, die von der italienischen Gesellschaft Refcomp hergestellt, seitens Climaveneta, die ihren Sitz ebenfalls in Italien hat, von Refcomp erworben und zusammengesetzt und schließlich von der Gesellschaft Liebert, deren Rechtsnachfolgerin Emerson ist, an Doumer verkauft wurden. Emerson ist bei Axa France versichert; diese beiden Gesellschaften haben ihren Sitz in Frankreich. Als an den Klimaanlagen Störungen auftraten, wurde anhand eines Sachverständigengutachtens festgestellt, dass die Störungen auf einen Fabrikationsfehler der Kompressoren zurückzuführen waren.
Axa Corporate, auf die die Rechte von Doumer, der sie den entstandenen Schaden ersetzt hat, übergegangen sind, nahm den italienischen Hersteller Refcomp, den Monteur Climaveneta und den Verkäufer Emerson vor dem Tribunal de grande instance de Paris gesamtschuldnerisch auf Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch. Refcomp bestritt die Zuständigkeit des französischen Gerichts und berief sich auf eine in ihrem Vertrag mit Climaveneta enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der italienischen Gerichte. Refcomp legte gegen die Zurückweisung ihrer Einrede der Unzulässigkeit durch das Tribunal de grande instance Berufung und danach Revision ein.
Infolgedessen fragt die Cour de cassation (Frankreich) den Gerichtshof, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung, die in einem zwischen dem Hersteller und dem ursprünglichen Erwerber eines Gegenstands geschlossenen Vertrag enthalten ist, der Teil einer Kette von Verträgen ist, die von in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien geschlossen wurden, ihre Wirkungen gegenüber dem späteren Erwerber entfaltet, so dass er gegen den Hersteller eine Haftungsklage erheben kann.
In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die genannte Verordnung nichts darüber besagt, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung über die Parteien des ursprünglichen Vertrags hinaus auf einen Dritten übertragen werden kann, der Partei eines späteren Vertrags und in die Rechte und Pflichten einer der Parteien des ursprünglichen Vertrags eingetreten ist.
Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Prüfung, ob sich die Parteien tatsächlich über die Gerichtsstandsvereinbarung geeinigt haben, Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, weil eines der Ziele der Verordnung gerade darin besteht, die tatsächliche Willenseinigung der Beteiligten zu überprüfen. Der Gerichtshof schließt daraus, dass die in einen Vertrag aufgenommene Gerichtsstandsvereinbarung ihre Wirkungen grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen den Parteien entfalten kann, die dem Abschluss dieses Vertrags zugestimmt haben. Sie kann daher einem Dritten nur dann entgegengehalten werden, wenn dieser tatsächlich seine Zustimmung erteilt hat.
Da der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Verordnung bereits entschieden hat, dass der spätere Erwerber und der Hersteller nicht durch eine vertragliche Beziehung verbunden sind, kann nicht angenommen werden, sie hätten im Sinne der Verordnung „vereinbart“, dass das im ursprünglichen Vertrag vom Hersteller und vom ersten Erwerber bezeichnete Gericht zuständig sein solle.
Mit dieser Auslegung der Verordnung, die nicht auf die nationalen Rechtsordnungen verweist, wird vermieden, dass sich in den verschiedenen Mitgliedstaaten voneinander abweichende Lösungen ergeben, durch die das mit der Verordnung verfolgte Ziel einer Vereinheitlichung der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit beeinträchtigt würde. Außerdem würde eine solche Verweisung auf das nationale Recht zu Unsicherheiten führen, was unvereinbar wäre mit dem Bestreben, die Vorhersehbarkeit auf dem Gebiet der gerichtlichen Zuständigkeit sicherzustellen, bei der es sich um eines der Ziele der Verordnung handelt.
Folglich antwortet der Gerichtshof, dass die Verordnung dahin auszulegen ist, dass eine in dem Vertrag zwischen dem Hersteller eines Gegenstands und dem ursprünglichen Erwerber enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung dem späteren Erwerber, der diesen Gegenstand am Ende einer Kette von das Eigentum übertragenden Verträgen, die zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien geschlossen wurden, erworben hat und eine Haftungsklage gegen den Hersteller erheben möchte, nicht entgegengehalten werden kann, es sei denn, es steht fest, dass dieser Dritte der Klausel tatsächlich zugestimmt hat.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.02.2013
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online