18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil07.02.2013

Gerichts­s­tands­ver­ein­barung nur mit Zustimmung auf Dritte übertragbarIn Vertrag enthaltene Gerichts­s­tands­ver­ein­barung zwischen Hersteller und ursprünglichem Erwerber kann späterem Erwerber nicht entge­gen­ge­halten werden

Im Rahmen einer Kette von Verträgen, die zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien geschlossenen wurden, kann eine Gerichts­s­tands­ver­ein­barung, die in dem zwischen dem Hersteller und dem Erwerber eines Gegenstands geschlossenen Vertrag enthalten ist, dem späteren Erwerber nicht entge­gen­ge­halten werden, es sei denn, dieser hat der Klausel zugestimmt. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor. Die Verordnung Nr. 44/2001 regelt die Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Handelssachen, wobei danach grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in welchem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. In bestimmten Fällen kann der Beklagte jedoch auch vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats verklagt werden. Dies gilt u. a. dann, wenn die Parteien – von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in der Europäischen Union haben muss – im Vertrag eine Gerichts­s­tands­klausel vereinbart haben, mit der sie das zuständige Gericht bestimmen.

In dem zugrunde liegenden Fall ließ die Doumer SNC ließ an einem in Courbevoie (Frankreich) belegenen Immobi­li­en­komplex Renovie­rungs­a­r­beiten durchführen; sie ist bei Axa Corporate versichert, die ihren Sitz in Frankreich hat. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden Kühlaggregate eingebaut. Diese waren mit Kompressoren bestückt, die von der italienischen Gesellschaft Refcomp hergestellt, seitens Climaveneta, die ihren Sitz ebenfalls in Italien hat, von Refcomp erworben und zusammengesetzt und schließlich von der Gesellschaft Liebert, deren Rechts­nach­folgerin Emerson ist, an Doumer verkauft wurden. Emerson ist bei Axa France versichert; diese beiden Gesellschaften haben ihren Sitz in Frankreich. Als an den Klimaanlagen Störungen auftraten, wurde anhand eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens festgestellt, dass die Störungen auf einen Fabri­ka­ti­o­ns­fehler der Kompressoren zurückzuführen waren.

Uneinigkeit über Gerichts­zu­stän­digkeit

Axa Corporate, auf die die Rechte von Doumer, der sie den entstandenen Schaden ersetzt hat, übergegangen sind, nahm den italienischen Hersteller Refcomp, den Monteur Climaveneta und den Verkäufer Emerson vor dem Tribunal de grande instance de Paris gesamt­s­chuld­nerisch auf Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch. Refcomp bestritt die Zuständigkeit des französischen Gerichts und berief sich auf eine in ihrem Vertrag mit Climaveneta enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der italienischen Gerichte. Refcomp legte gegen die Zurückweisung ihrer Einrede der Unzulässigkeit durch das Tribunal de grande instance Berufung und danach Revision ein.

Gerichtshof soll über Umfang der Wirksamkeit der Gerichts­s­tands­ver­ein­barung entscheiden

Infolgedessen fragt die Cour de cassation (Frankreich) den Gerichtshof, ob eine Gerichts­s­tands­ver­ein­barung, die in einem zwischen dem Hersteller und dem ursprünglichen Erwerber eines Gegenstands geschlossenen Vertrag enthalten ist, der Teil einer Kette von Verträgen ist, die von in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien geschlossen wurden, ihre Wirkungen gegenüber dem späteren Erwerber entfaltet, so dass er gegen den Hersteller eine Haftungsklage erheben kann.

Verordnung besagt nichts über Übertragbarkeit einer Gerichts­s­tands­ver­ein­barung auf einen Dritten

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die genannte Verordnung nichts darüber besagt, ob eine Gerichts­s­tands­ver­ein­barung über die Parteien des ursprünglichen Vertrags hinaus auf einen Dritten übertragen werden kann, der Partei eines späteren Vertrags und in die Rechte und Pflichten einer der Parteien des ursprünglichen Vertrags eingetreten ist.

Verordnung soll der Überprüfung der Willenseinigung der Beteiligten dienen

Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Prüfung, ob sich die Parteien tatsächlich über die Gerichts­s­tands­ver­ein­barung geeinigt haben, Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, weil eines der Ziele der Verordnung gerade darin besteht, die tatsächliche Willenseinigung der Beteiligten zu überprüfen. Der Gerichtshof schließt daraus, dass die in einen Vertrag aufgenommene Gerichts­s­tands­ver­ein­barung ihre Wirkungen grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen den Parteien entfalten kann, die dem Abschluss dieses Vertrags zugestimmt haben. Sie kann daher einem Dritten nur dann entge­gen­ge­halten werden, wenn dieser tatsächlich seine Zustimmung erteilt hat.

Späterer Erwerber und Hersteller nicht durch vertragliche Beziehung verbunden

Da der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Verordnung bereits entschieden hat, dass der spätere Erwerber und der Hersteller nicht durch eine vertragliche Beziehung verbunden sind, kann nicht angenommen werden, sie hätten im Sinne der Verordnung „vereinbart“, dass das im ursprünglichen Vertrag vom Hersteller und vom ersten Erwerber bezeichnete Gericht zuständig sein solle.

Abweichende Lösungs­er­genisse sollen vermieden werden

Mit dieser Auslegung der Verordnung, die nicht auf die nationalen Rechtsordnungen verweist, wird vermieden, dass sich in den verschiedenen Mitgliedstaaten voneinander abweichende Lösungen ergeben, durch die das mit der Verordnung verfolgte Ziel einer Verein­heit­lichung der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit beeinträchtigt würde. Außerdem würde eine solche Verweisung auf das nationale Recht zu Unsicherheiten führen, was unvereinbar wäre mit dem Bestreben, die Vorher­seh­barkeit auf dem Gebiet der gerichtlichen Zuständigkeit sicherzustellen, bei der es sich um eines der Ziele der Verordnung handelt.

Dritter muss zunächst Vertragsklausel zustimmen

Folglich antwortet der Gerichtshof, dass die Verordnung dahin auszulegen ist, dass eine in dem Vertrag zwischen dem Hersteller eines Gegenstands und dem ursprünglichen Erwerber enthaltene Gerichts­s­tands­ver­ein­barung dem späteren Erwerber, der diesen Gegenstand am Ende einer Kette von das Eigentum übertragenden Verträgen, die zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien geschlossen wurden, erworben hat und eine Haftungsklage gegen den Hersteller erheben möchte, nicht entge­gen­ge­halten werden kann, es sei denn, es steht fest, dass dieser Dritte der Klausel tatsächlich zugestimmt hat.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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