23.11.2024
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Dokument-Nr. 10689

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Urteil07.12.2010Gerichtshof der Europäischen UnionC-585/08 und C-144/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MMR 2011, 132Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2011, Seite: 132
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil07.12.2010

EuGH präzisiert EU-Regelungen für gerichtliche Zuständigkeit beim Angebot von Dienst­leis­tungen über das InternetBloße Benutzung einer Website durch Gewer­be­trei­benden führt nicht zwangsläufig zur Geltung der Zuständigkeits­regeln

Die bloße Benutzung einer Website durch den Gewer­be­trei­benden führt als solche nicht zur Geltung der gerichtlichen Zuständigkeits­regeln, die dem Schutz der Verbraucher anderer Mitgliedstaaten dienen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union und präzisiert die unions­recht­lichen Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit für Verbrau­cher­verträge in Fällen, in denen Dienst­leis­tungen im Internet angeboten werden.

Nach der Verordnung der Europäischen Union über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen sind Klagen gegen Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, in der Regel vor den Gerichten dieses Staates zu erheben. Des Weiteren kann nach dieser Verordnung in Streitigkeiten, die einen Vertrag betreffen, die Klage beim Gericht des Ortes erhoben werden, an dem die Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Liegt hingegen ein Verbrau­cher­vertrag vor, gelten besondere Regeln, die den Verbraucher schützen sollen: Hat der dem Verbraucher gegen­über­stehende Gewer­be­treibende seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat „ausgerichtet“, in dem der Verbraucher wohnt, kann der Verbraucher eine etwaige Klage beim Gericht des Mitgliedstaats erheben, in dem er selbst wohnt, und umgekehrt auch nur in diesem Staat verklagt werden. In den beiden Rechtss­trei­tig­keiten, die hier zugrunde liegen, geht es um die Frage, ob ein Gewer­be­trei­bender seine Tätigkeit im Sinne der Verordnung auf den Wohnsitz­mit­gliedstaat des Verbrauchers „ausrichtet“, wenn er zur Kommunikation mit den Verbrauchern eine Website nutzt.

Sachverhalt in der Rechtssache C-585/08

Herr Pammer, der in Österreich wohnt, wollte eine Fracht­schiffsreise von Triest (Italien) nach Fernost unternehmen. Er buchte eine solche Reise bei der in Deutschland nieder­ge­lassenen Reederei Karl Schlüter unter Vermittlung durch eine deutsche Reiseagentur, die auf den Verkauf von Fracht­schiffs­reisen im Internet spezialisiert ist. Herr Pammer lehnte es jedoch ab, die Reise anzutreten, da seiner Ansicht nach die Bedingungen an Bord nicht der Beschreibung entsprachen, die die Reiseagentur von der Reise gegeben hatte. Er verlangte daher die Rückerstattung des von ihm bereits entrichteten Reisepreises. Da ihm die Reederei Karl Schlüter nur einen Teil dieses Preises erstattete, erhob Herr Pammer Klage bei einem öster­rei­chischen Gericht. Die Reederei Karl Schlüter erhob dagegen die Einrede der Unzuständigkeit der öster­rei­chischen Gerichte. Sie begründete dies damit, dass sie in Österreich keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübe.

Sachverhalt in der Rechtssache C-144/09

Herr Heller, der in Deutschland wohnt, buchte bei einem in Österreich gelegenen Hotel, dem Hotel Alpenhof, mehrere Zimmer für einen einwöchigen Aufenthalt. Er nahm diese Buchung per E-Mail unter Verwendung einer E-Mail-Adresse vor, die auf der von ihm besuchten Website des Hotels angegeben war. Herr Heller bemängelte die Leistungen des Hotels und verließ es ohne Begleichung der Hotelrechnung. Das Hotel verklagte ihn daraufhin bei einem öster­rei­chischen Gericht auf Zahlung des Rechnungs­preises. Hiergegen erhob Herr Heller eine Unzustän­dig­keitseinrede mit der Begründung, als in Deutschland wohnhafter Verbraucher könne er nur vor den deutschen Gerichten verklagt werden.

Oberstes öster­rei­chisches Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung seitens des EuGH

Der mit diesen beiden Rechtss­trei­tig­keiten befasste österreichische Oberste Gerichtshof hat den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorab­ent­scheidung über die Frage ersucht, ob darin, dass ein in einem Mitgliedstaat nieder­ge­lassenes Unternehmen seine Dienst­leis­tungen über das Internet anbietet, eine „Ausrichtung“ seiner Tätigkeit auch auf andere Mitgliedstaaten liegt. Bei Bejahung dieser Frage kämen den in diesen Staaten wohnhaften Verbrauchern, die die Leistungen des Unternehmens in Anspruch nehmen, im Fall eines Rechtsstreits mit diesem die günstigeren Zustän­dig­keits­regeln der Verordnung zugute.

Bloße Nutzung einer Website bedeutet nicht die Ausrichtung eines der Gewer­be­treibende seiner Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die bloße Nutzung einer Website durch einen Gewer­be­trei­benden zum Zweck der Tätigung von Geschäften als solche noch nicht bedeutet, dass der Gewer­be­treibende seine Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten „ausrichtet“, was zur Anwendung der verbrau­cher­schüt­zenden Zustän­dig­keits­regeln der Verordnung führen würde. Vielmehr setzt die Anwendung dieser Regeln im Verhältnis zu Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten voraus, dass der Gewer­be­treibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäfts­be­zie­hungen zu Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten herzustellen.

Anhaltspunkte für Interessen eines Gewer­be­trei­benden mit in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern Geschäfte zu tätigen

In diesem Zusammenhang nennt der Gerichtshof verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass der Gewer­be­treibende Geschäfte mit in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern tätigen wollte. Als solche Anhaltspunkte sind alle offenkundigen Ausdrucksformen des Willens des Gewer­be­trei­benden anzusehen, Verbraucher anderer Mitgliedstaaten als Kunden zu gewinnen, beispielsweise das Anbieten seiner Dienst­leis­tungen oder Güter in mehreren namentlich benannten Mitgliedstaaten oder Ausgaben des Gewer­be­trei­benden für Inter­ne­tre­fe­ren­zie­rungs­dienste von Suchma­schi­nen­be­treibern, um in anderen Mitgliedstaaten wohnenden Verbrauchern den Zugang zu seiner Website zu erleichtern.

Jedoch können auch Anhaltspunkte, die nicht derart auf der Hand liegen – gegebenenfalls miteinander kombiniert –, das Vorliegen einer Tätigkeit belegen, die auf den Wohnsitz­mit­gliedstaat des Verbrauchers „ausgerichtet“ ist. Zu solchen Anhaltspunkten gehören etwa der internationale Charakter der fraglichen Tätigkeit, wie bestimmter touristischer Tätigkeiten, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als dem des Mitgliedstaats, in dem der Gewer­be­treibende niedergelassen ist, z. B. „.de“, oder die Verwendung neutraler Domänennamen oberster Stufe wie „.com“ oder „.eu“, die Wiedergabe von Anfahrts­be­schrei­bungen von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung oder die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt, insbesondere durch die Wiedergabe von Kunden­be­wer­tungen. Auch wenn die fragliche Website den Verbrauchern die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der im Mitgliedstaat des Gewer­be­trei­benden üblicherweise verwendeten ermöglicht, kann dies ein Anhaltspunkt für eine grenz­über­schreitende Tätigkeit des Gewer­be­trei­benden sein. Hingegen gehören zu solchen Anhaltspunkten nicht bereits die Angabe der elektronischen oder geografischen Adresse des Gewer­be­trei­benden auf der Website oder die seiner Telefonnummer ohne internationale Vorwahl, denn solche Angaben lassen nicht erkennen, ob der Gewer­be­treibende seine Tätigkeit auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten orientiert.

Öster­rei­chisches Gericht muss Entscheidung treffen, ob Gewer­be­treibende Tätigkeiten auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet hatten

Der Gerichtshof gelangt somit zu dem Ergebnis, dass von dem öster­rei­chischen Gericht festzustellen sein wird, ob der Website und der gesamten Tätigkeit der betreffenden Gewer­be­trei­benden entnommen werden kann, dass diese (im Fall der Rechtssache C-585/08) mit öster­rei­chischen Verbrauchern oder (im Fall der Rechtssache C-144/09) mit deutschen Verbrauchern in dem Sinne Geschäfte tätigen wollten, dass sie zu einem Vertragschluss mit diesen Verbrauchern bereit waren.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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