21.11.2024
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Dokument-Nr. 25443

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Urteil25.01.2018Gerichtshof der Europäischen UnionC-498/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 1003Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 1003
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil25.01.2018

EuGH: Keine Sammelklage gegen FacebookMaximilian Schrems kann nur wegen eigener Ansprüche Klage gegen Facebook Ireland erheben

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass der Österreicher Maximilian Schrems wegen eigener Ansprüche in Österreich Klage gegen Facebook Ireland erheben kann. Hingegen kann er nicht als Zessionar von Ansprüchen anderer Verbraucher den Verbraucher­gerichts­stand in Anspruch nehmen, um die abgetretenen Ansprüche geltend zu machen.

Herr Maximilian Schrems, der in Österreich wohnt, hat vor den öster­rei­chischen Gerichten Klage gegen Facebook Ireland (im Folgenden: Facebook) erhoben. Er wirft Facebook zahlreiche Verstöße gegen daten­schutz­rechtliche Regelungen im Zusammenhang mit seinem privaten Facebook-Konto* und den Konten von sieben weiteren Nutzern vor, die ihm ihre Ansprüche zwecks Klageerhebung abgetreten haben (Darüber hinaus hat sich Herr Schrems die Ansprüche von über 25.000 Personen aus der ganzen Welt abtreten lassen, um sie gerichtlich geltend zu machen). Bei den anderen sieben Nutzern soll es sich ebenfalls um Verbraucher handeln, die in Österreich, Deutschland und Indien wohnen. Herr Schrems begehrt von den öster­rei­chischen Gerichten insbesondere die Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Vertrags­klauseln sowie die Verurteilung von Facebook zur Unterlassung der Verwendung der streit­ge­gen­ständ­lichen Daten zu eigenen Zwecken bzw. zu Zwecken Dritter sowie zur Leistung von Schadenersatz.

Facebook äußert Zweifel an internationaler Zuständigkeit öster­rei­chischer Gerichte

Facebook bestreitet die internationale Zuständigkeit der öster­rei­chischen Gerichte. Ihrer Ansicht nach kann Herr Schrems nicht die unions­rechtliche Regel** in Anspruch nehmen, die es Verbrauchern erlaubt, einen ausländischen Vertragspartner vor den Gerichten ihres Wohnsitzes zu verklagen (im Folgenden: Verbrau­cher­ge­richtsstand). Da Herr Schrems nämlich Facebook auch beruflich nutze (insbesondere mittels einer der Information über sein Vorgehen gegen Facebook gewidmeten Facebook-Seite), könne er nicht als Verbraucher angesehen werden. Auf die abgetretenen Ansprüche sei der Verbrau­cher­ge­richtsstand nicht anwendbar, da er nicht übertragbar sei.

Vor diesem Hintergrund ersucht der Oberste Gerichtshof (Österreich) den Gerichtshof um Klarstellung der Voraussetzungen für die Geltendmachung des Verbrau­cher­ge­richts­stands.

Verbrau­cher­ge­richtsstand kann nicht für Klagen anderer Verbraucher in Anspruch genommen werden

Mit seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass der Nutzer eines privaten Facebook-Kontos die Verbrau­che­rei­gen­schaft nicht verliert, wenn er Bücher publiziert, Vorträge hält, Websites betreibt, Spenden sammelt und sich die Ansprüche zahlreicher Verbraucher abtreten lässt, um sie gerichtlich geltend zu machen. Dagegen kann der Verbrau­cher­ge­richtsstand nicht für die Klage eines Verbrauchers in Anspruch genommen werden, mit der er am Kläger­ge­richtsstand nicht nur seine eigenen Ansprüche geltend macht, sondern auch Ansprüche, die von anderen Verbrauchern mit Wohnsitz im gleichen Mitgliedstaat, in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten abgetreten wurden.

Berufen auf Verbrau­che­rei­gen­schaft nur bei nicht-beruflicher Nutzung der Dienste möglich

Zur Einstufung als Verbraucher führt der Gerichtshof aus, dass der Verbrau­cher­ge­richtsstand grundsätzlich nur dann Anwendung findet, wenn der Zweck des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags nicht in der beruflichen oder gewerblichen Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung besteht, auf die sich der Vertrag bezieht. Bei Diensten eines sozialen Online-Netzwerks, die auf eine langfristige Nutzung ausgelegt sind, ist die weitere Entwicklung der Nutzung der betreffenden Dienste zu berücksichtigen. Somit könnte sich ein Kläger, der solche Dienste nutzt, nur dann auf die Verbrau­che­rei­gen­schaft berufen, wenn die im Wesentlichen nicht berufliche Nutzung dieser Dienste, für die er ursprünglich einen Vertrag abgeschlossen hat, später keinen im Wesentlichen beruflichen Charakter erlangt hat.

Engagement bei Vertretung von Rechten und Interessen der Nutzer nimmt nicht Verbrau­che­rei­gen­schaft

Da der Verbrau­cher­begriff aber in Abgrenzung zum Unter­neh­mer­begriff definiert wird und von den Kenntnissen und Informationen, über die die betreffende Person tatsächlich verfügt, unabhängig ist, nehmen ihr weder die Expertise, die diese Person im Bereich der betreffenden Dienste erwerben kann, noch ihr Engagement bei der Vertretung der Rechte und Interessen der Nutzer solcher Dienste die Verbrau­che­rei­gen­schaft. Eine Auslegung des Verbrau­cher­be­griffs, die solche Tätigkeiten ausschließt, würde nämlich darauf hinauslaufen, eine effektive Verteidigung der Rechte, die den Verbrauchern gegenüber ihren gewerblichen Vertrags­partnern zustehen, einschließlich der Rechte auf Schutz ihrer perso­nen­be­zogenen Daten zu verhindern.

Verbrau­cher­ge­richtsstand gilt nicht für abgetretene Ansprüche anderer Verbraucher

Hinsichtlich der abgetretenen Ansprüche weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Verbrau­cher­ge­richtsstand zum Schutz des Verbrauchers als Partei des betreffenden Vertrags geschaffen wurde. Daher ist der Verbraucher nur geschützt, soweit er persönlich Kläger oder Beklagter in einem Verfahren ist. Folglich kann der Verbrau­cher­ge­richtsstand einem Kläger, der selbst nicht an dem betreffenden Verbrau­cher­vertrag beteiligt ist, nicht zugutekommen. Dies gilt auch für einen Verbraucher, dem Ansprüche anderer Verbraucher abgetreten wurden.

Erläuterungen

* Seit 2010 widmet Herr Schrems ein Facebook-Konto nur seinen privaten Aktivitäten. Darüber hinaus hat er 2011 eine Facebook-Seite eröffnet, um i) die Internetnutzer über sein Vorgehen gegen Facebook, seine Vorträge, seine Teilnahmen an Podiums­dis­kus­sionen und seine Medienauftritte zu informieren, ii) zu Spenden aufzurufen und iii) für seine Bücher zu werben.

** Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1). Nach dieser Verordnung ist ein Beklagter grundsätzlich vor den Gerichten des Mitgliedstaats zu verklagen, in dem er seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Nur in abschließend aufgezählten Ausnahmefällen kann oder muss er vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats verklagt werden.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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