18.10.2024
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Dokument-Nr. 18857

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Urteil18.09.2014Gerichtshof der Europäischen UnionC-487/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • RRa 2014, 285Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2014, Seite: 285
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil18.09.2014

Luft­fahrt­unter­nehmen darf Zusatzkosten für Gepäck­be­för­derung verlangenPreis des Flugscheins muss nicht Gepäckförderung beinhalten

Die spanische Regelung, die Luft­fahrt­unter­nehmen verpflichtet, das aufgegebene Gepäck eines Fluggastes ohne Zusatzkosten mitzubefördern, ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Der für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck zu zahlende Preis ist kein unvermeidbarer und vorhersehbarer Bestandteil des Flugpreises, kann aber fakultative Zusatzkosten darstellen.

Die spanischen Rechts­vor­schriften untersagen es den Luftfahrt­un­ter­nehmen, fakultative Zusatzkosten für die Aufgabe des Gepäcks der Fluggäste zu erheben.

Sachverhalt

Im August 2010 erhöhte die Flugge­sell­schaft Vueling Airlines den Grundpreis (241,48 Euro) der von Frau Arias Villegas online gekauften vier Flugscheine für den Hin- und Rückflug zwischen La Coruña (Spanien) und Amsterdam (Niederlande) wegen der Aufgabe von zwei Gepäckstücken um 40 Euro. Frau Villegas reichte eine Beschwerde gegen Vueling Airlines ein, da der mit dieser Gesellschaft geschlossene Luftbe­för­de­rungs­vertrag ihres Erachtens eine missbräuchliche Klausel enthielt. Daraufhin verhängte das Instituto Galego de Consumo de la Xunta de Galicia (Verbrau­cher­in­stitut der Autonomen Gemeinschaft Galizien, Spanien) gegen Vueling Airlines eine verwal­tungs­rechtliche Sanktion in Höhe von 3.000 Euro.

Unionsrecht könnte Geschäftsmodell der "Low cost"-Flugge­sell­schaften in Frage stellen

Der mit der Rechtssache befasste Juzgado de lo Contencioso-Administrativo n° 1 de Ourense (Verwal­tungs­gericht Nr. 1 von Ourense, Spanien) fragt den Gerichtshof, ob die spanischen Rechts­vor­schriften mit dem im Unionsrecht verankerten Grundsatz der Preisfreiheit vereinbar sind*. Letztlich geht es um die Frage, ob das Unionsrecht das von einigen Luftfahrt­un­ter­nehmen wie insbesondere den "Low cost"-Flugge­sell­schaften seit der Liberalisierung des Sektors angewandte Geschäftsmodell in Frage stellen kann.

Nationale Rechts­vor­schriften stehen Unionsrecht entgegen

In seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht den spanischen Rechts­vor­schriften entgegensteht, nach denen Luftfahrt­un­ter­nehmen verpflichtet sind, in jedem Fall für den Preis des Flugscheins ohne Zusatzkosten nicht nur den Fluggast zu befördern, sondern auch das von ihm aufgegebene Gepäck.

Preis für Gepäck­be­för­derung ist kein unvermeidbarer und vorhersehbarer Bestandteil des Flugpreise

Der Gerichtshof stellt fest, dass der für die Beförderung des aufgegebenen Gepäcks von Fluggästen zu zahlende Preis kein unvermeidbarer und vorhersehbarer Bestandteil des Preises für den Luftbe­för­de­rungs­dienst ist. Es kann sich dabei aber im Sinne des Unionsrechts um fakultative Zusatzkosten für einen Dienst handeln, der den Luftbe­för­de­rungs­dienst ergänzt.

Beförderung von aufgegebenem Gepäck ist nicht obligatorisch oder unerlässlich für Beförderung von Fluggästen

Mit der zunehmenden Verbreitung der Luftver­kehr­s­nutzung haben sich die Geschäfts­modelle der Luftfahrt­un­ter­nehmen erheblich verändert. So verfolgen heute mehrere Unternehmen ein Geschäftsmodell, das darin besteht, Flugdienste zum günstigsten Preis anzubieten. Im Rahmen dieses Modells sind die Kosten der Gepäck­be­för­derung als Bestandteil des Preises solcher Flugdienste ein bedeutendes Element. Daher können die betreffenden Luftfahrt­un­ter­nehmen bestrebt sein, dafür einen Zuschlag zu verlangen. Zudem ist nicht auszuschließen, dass einige Fluggäste es vorziehen, ohne aufgegebenes Gepäck zu reisen, wenn dies den Preis ihres Flugtickets verringert. Die Beförderung von aufgegebenem Gepäck kann demnach nicht als obligatorisch oder unerlässlich für die Beförderung von Fluggästen angesehen werden.

Zuschlag für Beförderung von Handgepäck unzulässig

Nicht aufgegebenes Gepäck, d. h. Handgepäck, ist nach Ansicht des Gerichtshofs dagegen grundsätzlich als unverzichtbarer Bestandteil der Beförderung von Fluggästen anzusehen. Für die Beförderung von Handgepäck darf daher kein Zuschlag verlangt werden, sofern sein Gewicht und seine Abmessungen vernünftigen Anforderungen entsprechen und die geltenden Sicher­heits­be­stim­mungen erfüllen. Zwischen der Beförderung von aufgegebenem Gepäck und der Beförderung von Handgepäck bestehen nämlich Unterschiede. Durch die Handhabung und Überwachung des aufgegebenen Gepäcks können für das Luftfahrt­un­ter­nehmen Zusatzkosten entstehen, was bei der Beförderung von Handgepäck nicht der Fall ist. Zudem haftet das Luftfahrt­un­ter­nehmen für Schäden an Gepäck strenger, wenn es aufgegeben worden ist.

Nationale Regelung verhindert freie Preis­fest­setzung für Beförderung von Fluggästen

Der Gerichtshof stellt fest, dass die spanische Regelung den Luftfahrt­un­ter­nehmen offensichtlich nicht gestattet, für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck einen Zuschlag zu verlangen, und damit die freie Preis­fest­setzung für die Beförderung von Fluggästen verhindert. Zwar verwehrt es das Unionsrecht den Mitgliedstaaten nicht, einige Aspekte des Luftbe­för­de­rungs­vertrags insbesondere zum Schutz der Verbraucher vor missbräuch­lichen Geschäft­s­praktiken zu reglementieren. Doch darf eine solche nationale Regelung nicht die auf Unionsebene ergangenen Entgelt­re­ge­lungen in Frage stellen.

Nationale Regelung ist geeignet, Ziel eines effektiven Preisvergleichs in Frage zu stellen

Die spanische Regelung verbietet die Festlegung unter­schied­licher Preise in Abhängigkeit davon, ob ein Flugschein die Möglichkeit der Aufgabe von Gepäck umfasst oder nicht. Damit verstößt sie zum einen gegen das Recht der Luftfahrt­un­ter­nehmen, den für die Beförderung von Fluggästen zu zahlenden Preis und die Bedingungen, unter denen dieser Preis gilt, frei festzulegen. Zum anderen ist sie geeignet, das im Unionsrecht verankerte Ziel eines effektiven Preisvergleichs in Frage zu stellen, weil die von dieser Regelung betroffenen Luftfahrt­un­ter­nehmen keinen gesonderten Tarif für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck ausweisen dürfen, wohl aber Luftfahrt­un­ter­nehmen, die der Regelung eines anderen Mitgliedstaats unterliegen.

Überprüfung von Informations- und Trans­pa­renz­pflichten der Luftfahrt­un­ter­nehmen ist Aufgabe nationaler Behörden

Im Übrigen ist es Sache der nationalen Behörden, gegebenenfalls zu prüfen, ob Vueling Airlines den Informations- und Trans­pa­renz­pflichten nachkommt, die ihr hinsichtlich der Zusatzkosten obliegen (nämlich dass diese auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungs­vorgangs mitgeteilt werden müssen, wobei die Annahme durch den Kunden auf "Opt-in"-Basis erfolgt)**.

Erläuterungen
* Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftver­kehrs­diensten in der Gemeinschaft (ABl. L 293, S. 3).

** Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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