21.11.2024
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Dokument-Nr. 25613

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil28.02.2018

Weiter­be­schäf­tigung über die Regel­al­ters­grenze hinaus darf befristet werdenEuGH verneint Missbrauch befristeter Arbeitsverträge

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Befristung der Verlängerung eines Arbeits­verhältnisses über die Regel­al­ters­grenze hinaus zulässig ist. Der Arbeitnehmer kann nicht geltend machen, dass es sich dabei um einen Missbrauch befristeter Arbeitsverträge handelt.

Im zugrunde liegenden Fall wurde Herr Hubertus John wurde von der Stadt Bremen als Lehrer angestellt. Kurz vor Erreichen der Regel­al­ters­grenze beantragte er, über diesen Zeitpunkt hinaus weiter­be­schäftigt zu werden. Die Stadt Bremen erklärte sich damit einverstanden, das Arbeits­ver­hältnis bis zum Ende des Schuljahres 2014/2015 zu verlängern. Den von Herrn John in der Folge gestellten Antrag, das Arbeits­ver­hältnis bis zum Ende des ersten Schulhalbjahres 2015/2016 zu verlängern, lehnte sie jedoch ab. Herr John erhob daraufhin Klage gegen die Stadt Bremen. Er macht geltend, dass die Befristung der gewährten Verlängerung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen Unionsrecht verstoße.

LAG Bremen erbittet Vorab­ent­scheidung über mögliche Alters­dis­kri­mi­nierung

Das Landes­a­r­beits­gericht Bremen, bei dem die Rechtssache anhängig ist, wies darauf hin, dass es die geltende nationale Regelung* den Arbeits­ver­trags­parteien unter bestimmte Voraussetzungen ermöglicht, den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses hinaus­zu­schieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regel­al­ters­grenze einen Anspruch auf Altersrente hat. Das Landes­a­r­beits­gericht möchte wissen, ob eine solche Regelung mit dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters** und der Rahmen­ver­ein­barung über befristete Arbeits­ver­träge*** (zur Verhinderung von Missbrauch durch aufein­an­der­folgende befristete Arbeitsverträge) vereinbar ist.

Verbot der Alters­di­kri­mi­nierung steht nationaler Regelung nicht entgegen

Mit seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters einer nationalen Bestimmung wie der in Rede stehenden nicht entgegensteht, die bei Arbeitnehmern, die die Regel­al­ters­grenze erreicht haben, das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses von einer befristet erteilten Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht.

Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses über Regel­al­ters­grenze hinaus setzt Zustimmung beider Vertrags­parteien voraus

Nach Auffassung des Gerichtshofs werden Personen, die das Rentenalter erreicht haben, durch eine solche Regelung nicht gegenüber Personen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, benachteiligt. Die Regelung, nach der das Ende des Arbeits­ver­hält­nisses mehrfach hinausgeschoben werden kann, und zwar ohne weitere Voraussetzungen und zeitlich unbegrenzt, stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der automatischen Beendigung des Arbeitsvertrags bei Erreichen der Regel­al­ters­grenze dar. Die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses setzt in jedem Fall die Zustimmung beider Vertrags­parteien voraus.

Verlängerung des Arbeits­ver­hält­nisses nicht zwingend als Rückgriff auf aufein­an­der­folgende befristete Arbeitsverträge anzusehen

Was die Rahmen­ver­ein­barung über befristete Arbeitsverträge angeht, hat der Gerichtshof Zweifel, ob die Verlängerung des Arbeits­ver­hält­nisses, um die es hier geht, als Rückgriff auf aufein­an­der­folgende befristete Arbeitsverträge angesehen werden kann. Es erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, sie als bloße vertragliche Verschiebung des ursprünglich vereinbarten Rentenalters aufzufassen. Der Gerichtshof führt hierzu aus, dass aus den Akten nicht ersichtlich ist, dass die streitige Regelung geeignet ist, den Abschluss aufein­an­der­fol­gender Arbeitsverträge zu fördern, oder eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer darstellt. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Regel­al­ters­grenzen systematisch zu einer Prekarisierung der Lage der betreffenden Arbeitnehmer im Sinne der Rahmen­ver­ein­barung führen, sofern die Arbeitnehmer in den Genuss einer abschlagsfreien Rente kommen und insbesondere wenn eine Verlängerung des fraglichen Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber zulässig ist.

Rahmen­ver­ein­barung über befristete Arbeitsverträge steht nationaler Regelung nicht entgegen

Für den Fall, dass das Landes­a­r­beits­gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die Herrn John zugestandene Verlängerung des Arbeits­ver­hält­nisses einen Rückgriff auf aufein­an­der­folgende befristete Arbeitsverträge darstellt, entschied der Gerichtshof, dass die Rahmen­ver­ein­barung über befristete Arbeitsverträge einer nationalen Regelung wie der in Rede stehenden nicht entgegensteht, die es den Arbeits­ver­trags­parteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses durch Vereinbarung während des Arbeits­ver­hält­nisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinaus­zu­schieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regel­al­ters­grenze einen Anspruch auf Altersrente hat. Der Gerichtshof verweist insoweit auf die Ausführungen des Landes­a­r­beits­ge­richts, wonach sich ein Arbeitnehmer, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht, von anderen Arbeitnehmern nicht nur hinsichtlich seiner sozialen Absicherung unterscheidet, sondern auch dadurch, dass er sich regelmäßig am Ende seines Berufslebens befindet und damit im Hinblick auf die Befristung seines Vertrags nicht vor der Alternative steht, in den Genuss eines unbefristeten Vertrags zu kommen. Außerdem ist bei der Verlängerung des Arbeits­ver­hält­nisses, um die es hier geht, gewährleistet, dass der betreffende Arbeitnehmer zu den ursprünglichen Bedingungen weiter­be­schäftigt wird und gleichzeitig seinen Anspruch auf eine Altersrente behält.

Erläuterungen

§ 41("Altersrente und Kündi­gungs­schutz") Satz 3 des Sechsten Buchs des Sozial­ge­setzbuchs in der seit dem 23. Juni 2014 geltenden Fassung.

** Gemäß der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleich­be­handlung in Beschäftigung und Beruf ABl. 2000, L 303, S. 16).

*** Am 18. März 1999 geschlossene Rahmen­ver­ein­barung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmen­ver­ein­barung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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