Dokument-Nr. 18780
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- NJW 2015, 221Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 221
- RRa 2014, 291Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2014, Seite: 291
- Flugverspätungen ohne außergewöhnliche Umstände: Passagiere haben Anspruch auf AusgleichszahlungenAmtsgericht Hannover, Urteil01.07.2014, 538 C 11519/13 und 565 C 850/14
- Abflugverspätung aufgrund Erkrankung des Piloten begründet Ausgleichsansprüche der FlugpassagiereLandgericht Darmstadt, Urteil23.05.2012, 7 S 250/11
Gerichtshof der Europäischen Union Urteil04.09.2014
Zeitpunkt des Öffnens der Flugzeugtüren für möglichen Anspruch auf Entschädigungen wegen Flugverspätungen ausschlaggebendEntscheidend für Ankunftszeit des Flugzeugs ist nicht der Zeitpunkt der Landung sondern das Öffnen mindestens einer Flugzeugtür
Die tatsächliche Ankunftszeit eines Fluges ist der Zeitpunkt, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird. Erst zu diesem Zeitpunkt kann nämlich das Ausmaß der Verspätung im Hinblick auf eine etwaige Entschädigung bestimmt werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Die Verspätung eines Fluges der Fluggesellschaft Germanwings von Salzburg (Österreich) nach Köln/Bonn (Deutschland) hat dem Gerichtshof Gelegenheit gegeben, zu präzisieren, für welchen Zeitpunkt die tatsächliche Ankunftszeit eines Flugzeugs steht. Das fragliche Flugzeug war mit einer Verspätung von 3:10 Stunden gestartet und setzte mit einer Verspätung von 2:58 Stunden auf der Landebahn des Flughafens Köln/Bonn auf. Als es seine Parkposition erreicht hatte, betrug die Verspätung 3:03 Stunden. Die Flugzeugtüren wurden kurz darauf geöffnet.
Passagier verlangt Entschädigung aufgrund einer über dreistündigen Reiseverspätung
Einer der Passagiere machte geltend, das Endziel sei mit einer Verspätung von über drei Stunden gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreicht worden und ihm stehe daher gemäß des Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. November 2009 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro zu. Germanwings vertritt die Auffassung, dass die tatsächliche Ankunftszeit der Zeitpunkt sei, zu dem die Räder des Flugzeugs die Landebahn des Flughafens Köln/Bonn berührt hätten, so dass die Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit nur 2:58 Stunden betrage und somit kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bestehe.
Nationales Gericht erbittet Definition des EuGH für Zeitpunkt der tatsächlichen Ankunftszeit eines Flugzeugs
Das mit dem Rechtsstreit zwischen dem Passagier und Germanwings befasste österreichische Gericht hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, für welchen Zeitpunkt die tatsächliche Ankunftszeit des Flugzeugs steht.
"Tatsächliche Ankunftszeit" ist der Moment, in dem eingeschränkte Möglichkeit zur Kommunikation mit der Außenwelt endet
In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass der Begriff "tatsächliche Ankunftszeit" nicht vertraglich definiert werden kann, sondern autonom und einheitlich auszulegen ist. Insoweit führt der Gerichtshof aus, dass sich die Fluggäste während des Fluges nach Weisungen und unter der Kontrolle des Luftfahrtunternehmens in einem geschlossenen Raum aufzuhalten haben, in dem ihre Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren, aus technischen und aus Sicherheitsgründen erheblich beschränkt sind. Unter solchen Umständen können sich die Fluggäste nicht weiter um ihre persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Angelegenheiten kümmern. Solange der Flug die planmäßige Dauer nicht überschreitet, sind solche Unannehmlichkeiten zwar als unumgänglich anzusehen. Dies gilt jedoch u. a. deshalb nicht für eine Verspätung, weil die Passagiere die "verlorene Zeit" nicht für die Ziele verwenden können, die sie dazu veranlasst haben, genau diesen Flug zu nehmen. Der Begriff "tatsächliche Ankunftszeit" ist somit dahin zu verstehen, dass er für den Zeitpunkt steht, zu dem eine solche einschränkende Situation endet.
Einschränkungen für Fluggäste enden erst mit Öffnen der Flugzeugtüren
Die Situation der Fluggäste ändert sich aber grundsätzlich nicht wesentlich, wenn die Räder des Flugzeugs die Landebahn berühren oder das Flugzeug seine Parkposition erreicht, da die Fluggäste weiterhin in dem geschlossenen Raum, in dem sie sich befinden, verschiedenen Einschränkungen unterliegen. Erst wenn den Fluggästen das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist und dafür das Öffnen der Flugzeugtüren angeordnet wird, sind sie diesen Einschränkungen nicht mehr ausgesetzt und können sich grundsätzlich wieder in gewohnter Weise betätigen.
Für das Festlegen der "Ankunftszeit" muss mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet sein
Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass der Begriff "Ankunftszeit", der verwendet wird, um das Ausmaß der Fluggästen entstandenen Verspätung zu bestimmen, für den Zeitpunkt steht, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird, sofern den Fluggästen in diesem Moment das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.09.2014
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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