21.11.2024
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Dokument-Nr. 12363

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Urteil04.10.2011Gerichtshof der Europäischen UnionC-403/08 und C-429/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2012, 213Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 213
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil04.10.2011

EuGH kippt exklusive TV-Rechte für Fußball: Lizenzsystem für die Weiter­ver­breitung von Fußballspielen darf Mitglieds­s­taaten nicht die Verwendung ausländischer Dekoderkarten untersagenFußballspiele an sich genießen keinen urheber­recht­lichen Schutz

Ein Lizenzsystem für die Weiter­ver­breitung von Fußballspielen, das Rundfunk­an­stalten eine gebiets­ab­hängige Exklusivität für einzelne Mitgliedstaaten einräumt und den Fernseh­zu­schauern untersagt, diese Sendungen in den anderen Mitgliedstaaten mittels einer Decoderkarte anzusehen, verstößt gegen das Unionsrecht. Das Zeigen von Fußba­l­l­über­tra­gungen, die geschützte Werke enthalten, in einer Gastwirtschaft erfordert jedoch die Zustimmung des Urhebers dieser Werke. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die Football Association Premier League (FAPL) betreibt die Premier League, die führende Profifußball-Liga in England, und vermarktet die Rechte zur Fernse­hausstrahlung der Spiele dieser Liga. Sie räumt den Rundfunk­an­stalten mittels eines offenen Ausschrei­bungs­ver­fahrens ein ausschließ­liches Recht für die Live-Ausstrahlung der Spiele der Premier League nach Gebieten ein. Da ein Gebiet gewöhnlich einem Mitgliedstaat entspricht, können die Fernseh­zu­schauer nur die Spiele sehen, die von den Rundfunk­an­stalten mit Sitz in dem Mitgliedstaat ausgestrahlt werden, in dem sie wohnen.

Sachverhalt

Um eine solche gebiets­ab­hängige Exklusivität zu schützen und die Öffentlichkeit davon abzuhalten, Übertragungen außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats zu empfangen, verpflichtet sich jede Rundfunkanstalt in ihrem Lizenzvertrag mit der FAPL, ihr Satel­li­ten­signal zu verschlüsseln und es im verschlüsselten Zustand über Satellit nur den Abonnenten des ihm zugewiesenen Gebiets zu übermitteln. Daher untersagt der Lizenzvertrag den Rundfunk­an­stalten, die Decoderkarten Personen zur Verfügung zu stellen, die ihre Sendungen außerhalb des Mitgliedstaats sehen wollen, für den die Lizenz erteilt wurde.

Gastwirt­s­chaften versuchen Exklusivität durch Verwendung ausländischer Decoderkarten zu umgehen

Die den vorliegenden Rechtssachen zugrunde liegenden Streitigkeiten betreffen Versuche, diese Exklusivität zu umgehen. Im Vereinigten Königreich sind nämlich einige Gastwirt­s­chaften dazu übergegangen, für den Zugang zu den Spielen der Premier League ausländische Decoderkarten zu verwenden, die eine griechische Rundfunkanstalt in Griechenland ansässigen Abonnenten zur Verfügung stellt. Sie kaufen die Karten und eine Decoderbox bei einem Händler zu Preisen, die günstiger sind als die von Sky, dem Inhaber der Rechte zur Weiter­ver­breitung im Vereinigten Königreich.

Nationales Gericht erbitte Vorab­ent­scheidung des EuGH zu Fragen hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts

Da die FAPL der Auffassung ist, dass ein solches Vorgehen die Exklusivität und damit den Wert der Fernse­hausstrah­lungs­rechte untergrabe, versucht sie dem auf gerichtlichem Weg ein Ende zu setzen. Die erste Rechtssache (C-403/08) betrifft eine zivilrechtliche Klage der FAPL gegen die Gastwirt­s­chaften, die unter Verwendung griechischer Decoderkarten Spiele der Premier League gezeigt haben, und gegen die Händler, die diesen Gastwirt­s­chaften solche Decoderkarten geliefert haben. Die zweite Rechtssache (C-429/08) geht auf ein Strafverfahren gegen Frau Karen Murphy zurück, die Inhaberin eines Pubs, in dem Spiele der Premier League unter Verwendung einer griechischen Decoderkarte gezeigt wurden. In diesen beiden Rechtssachen hat der High Court (Vereinigtes Königreich) dem Gerichtshof mehrere Fragen über die Auslegung des Unionsrechts zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt.

Nationale Rechts­vor­schriften, die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, verstößt gegen freien Dienst­leis­tungs­verkehr

Mit seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass nationale Rechts­vor­schriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen den freien Dienst­leis­tungs­verkehr verstoßen und weder im Hinblick auf das Ziel, die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, noch durch das Ziel, die Anwesenheit der Öffentlichkeit in den Fußballstadien zu fördern, gerechtfertigt werden können.

Spielen der Premier League haben kein Urheberrecht an Spielen

Zur Möglichkeit der Rechtfertigung dieser Beschränkung im Hinblick auf das Ziel, die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, führt der Gerichtshof aus, dass die FAPL an den Spielen der Premier League kein Urheberrecht geltend machen kann, da diese Sportereignisse nicht als eigene geistige Schöpfungen eines Urhebers und damit nicht als „Werk“ im Sinne des Urheberrechts der Union anzusehen sind.

Doch selbst wenn das nationale Recht Sporte­r­eig­nissen einen vergleichbaren Schutz gewähren würde – was grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar wäre – ginge ein Verbot der Verwendung der ausländischen Decoderkarten über das hinaus, was erforderlich ist, um eine angemessene Vergütung der betreffenden Rechtsinhaber zu gewährleisten.

Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs innerhalb der Union nicht notwendig

Der Gerichtshof führt insoweit zum einen aus, dass für die Berechnung einer solchen angemessenen Vergütung die tatsächliche und potenzielle Einschaltquote sowohl im Sende­mit­gliedstaat als auch in jedem anderen Mitgliedstaat, in dem die Sendungen empfangen werden, berücksichtigt werden kann, und daher eine Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs innerhalb der Union nicht notwendig ist. Dass die Fernsehsender einen Aufschlag zahlen, um sich eine absolute gebiets­ab­hängige Exklusivität zu sichern, geht zum anderen über das hinaus, was erforderlich ist, um den Rechtsinhabern eine angemessene Vergütung zu sichern, denn eine solche Praxis kann zu künstlichen Preis­un­ter­schieden zwischen den abgeschotteten nationalen Märkten führen. Eine derartige Markt­ab­schottung und ein solcher künstlicher Preis­un­ter­schied sind aber mit dem grundlegenden Ziel des Vertrags – der Verwirklichung des Binnenmarkts – nicht vereinbar.

System exklusiver Lizenzen verstößt gegen Wettbe­wer­bsrecht der Union

Aus analogen Gründen verstößt ein System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbe­wer­bsrecht der Union, wenn die Lizenzverträge es untersagen, ausländische Decoderkarten Fernseh­zu­schauern zur Verfügung zu stellen, die die Sendungen außerhalb des Mitgliedstaats sehen wollen, für den die Lizenz erteilt wurde.

Lizenzverträge dürfen Rundfunk­an­stalten nicht jede grenz­über­schreitende Erbringung von Diensten untersagen

Zwar schließt es das Wettbe­wer­bsrecht der Union grundsätzlich nicht aus, dass ein Rechtsinhaber einem einzigen Lizenznehmer das ausschließliche Recht überträgt, einen Schutz­ge­genstand in einem bestimmten Zeitraum von einem einzigen Sende­mit­gliedstaat oder von mehreren Sende­mit­glied­s­taaten aus über Satellit auszustrahlen. Doch dürfen die Lizenzverträge den Rundfunk­an­stalten nicht jede grenz­über­schreitende Erbringung von Diensten im Zusammenhang mit den betreffenden Sporte­r­eig­nissen untersagen, weil ein solcher Vertrag es erlauben würde, jeder Rundfunkanstalt eine absolute gebiets­ab­hängige Exklusivität einzuräumen, er damit jeglichen Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunk­an­stalten im Bereich dieser Dienste ausschalten und so die nationalen Märkte nach den nationalen Grenzen abschotten würde.

Hymne der Premier League, Filme über Höhepunkte aktueller Begegnungen und einige Grafiken können als geschützte „Werke“ angesehen werden

Schließlich stellt der Gerichtshof im Zusammenhang mit den Vorlagefragen zur Auslegung der Urheber­rechts­richt­linie* vorab fest, dass nur die Auftakt­vi­de­o­sequenz, die Hymne der Premier League, die zuvor aufgezeichneten Filme über die Höhepunkte aktueller Begegnungen der Premier League und einige Grafiken als „Werke“ angesehen werden können und damit urheber­rechtlich geschützt sind. Die Fußballspiele selbst sind hingegen keine Werke, die einen solchen Schutz genießen würden.

In Gaststätten im Rahmen der Fußba­l­l­über­tragung gezeigte geschützte Werke bedürfen der Zustimmung des Urhebers

Aufgrund dessen hat der Gerichtshof entschieden, dass die in einer Gastwirtschaft stattfindende Übertragung von Sendungen, die diese geschützten Werke – wie die Auftakt­vi­de­o­sequenz oder die Hymne der Premier League – enthalten, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Urheber­rechts­richtlinie darstellt, für die die Zustimmung des Urhebers der Werke erforderlich ist. Wenn nämlich eine Gastwirtschaft diese Werke an die anwesenden Gäste verbreitet, werden die Werke an ein zusätzliches Publikum übertragen, das von den Urhebern nicht berücksichtigt worden ist, als sie der Sendung ihrer Werke durch den Rundfunk zugestimmt haben.

Erläuterungen

*Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft (ABl. L 167, S. 10).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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