21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil17.02.2011

EuGH: EU-Mitgliedsstaat darf Exklu­si­v­über­tragung von WM-Fußballspielen verbietenBevölkerung soll Möglichkeit haben, Ereignisse auf einem frei zugänglichen Fernsehsender zu verfolgen

Ein Mitgliedstaat kann unter bestimmten Bedingungen die Exklu­si­v­über­tragung aller Spiele der Fußba­ll­welt­meis­ter­schaft und der Fußba­ll­eu­r­o­pa­meis­ter­schaft auf einem Bezahl­fern­seh­sender verbieten, um für seine Bevölkerung die Möglichkeit sicherzustellen, diese Ereignisse auf einem frei zugänglichen Fernsehsender zu verfolgen. Dies hat das Gericht der Europäischen Union entschieden.

Sind Wettbewerbe in ihrer Gesamtheit von erheblicher gesell­schaft­licher Bedeutung, ist die Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs und der Nieder­las­sungs­freiheit durch das Recht auf Informationen und durch die Notwendigkeit, der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernseh­be­rich­t­er­stattung über diese Ereignisse zu gewährleisten, gerechtfertigt.

Verkauf von Fernseh­über­tra­gungs­rechten wichtige Einnahmequelle

Die Endrunden der Fußballweltmeisterschaft ("Weltmeis­ter­schaft") und der Fußballeuropameisterschaft ("EURO") werden von der Féderation internationale de football association (FIFA) bzw. der Union des associations européennes de football (UEFA) ausgerichtet. Der Verkauf der Fernseh­über­tra­gungs­rechte an diesen Wettbewerben ist für beide Verbände eine wichtige Einnahmequelle.

Belgien und das Vereinigte Königreich übermitteln Ereignislisten an Kommission

Belgien und das Vereinigte Königreich erstellten Listen der Ereignisse, denen sie erhebliche Bedeutung für ihre jeweilige Gesellschaft beimaßen. Diese Listen umfassten insbesondere im Fall Belgiens alle Spiele der Weltmeis­ter­schaft­s­en­drunde und im Fall des Vereinigten Königreichs alle Spiele der Weltmeis­ter­schaft­s­en­drunde und der Endrunde der EURO. Diese Listen wurden der Kommission übermittelt, die entschied, dass sie mit dem Unionsrecht vereinbar seien.

FIFA und UEFA: Nicht alles Spiele sind Ereignisse von erheblicher Bedeutung

Die betreffenden Entscheidungen der Kommission wurden von der FIFA und der UEFA vor dem Gericht der Europäischen Union mit der Begründung angefochten, dass nicht alle diese Spiele Ereignisse von erheblicher Bedeutung für die jeweilige Gesellschaft dieser Staaten sein könnten.

EuGH zur Frage, ob Fernseh­über­trags­rechte beschränkt werden können

In seinem Urteil prüft das Gericht zunächst einige Besonderheiten im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Weltmeis­ter­schaft und der EURO sowie ihre Auswirkung auf die Fernseh­über­tragung dieser Wettbewerbe. Es nimmt sodann Bezug auf die Rechts­vor­schriften der Union und der Mitgliedstaaten über die Übertragung dieser Sportereignisse. Schließlich wendet es sich der Frage zu, ob die Fernseh­über­tra­gungs­rechte an der Weltmeis­ter­schaft und an der EURO, deren ursprüngliche Inhaber die FIFA bzw. die UEFA sind, aus zwingenden Gründen des Allge­mein­in­teresses beschränkt werden können.

EURO und Weltmeis­ter­schaft als einheitliche Ereignisse ansehbar

Dazu führt es aus, dass die Erwähnung der Weltmeis­ter­schaft und der EURO im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/36 bedeutet, dass ein Mitgliedstaat, wenn er Spiele dieser Wettbewerbe in die Liste seiner Wahl aufnimmt, in seiner Mitteilung an die Kommission keine besondere Begründung zu ihrer Eigenschaft als Ereignis von erheblicher gesell­schaft­licher Bedeutung geben muss. Die etwaige Schluss­fol­gerung der Kommission, dass die Aufnahme der Weltmeis­ter­schaft und der EURO in ihrer Gesamtheit in eine Liste von Ereignissen von erheblicher Bedeutung für die Gesellschaft eines Mitgliedstaats mit dem Unionsrecht deshalb vereinbar sei, weil diese Wettbewerbe aufgrund ihrer Merkmale als einheitliche Ereignisse anzusehen seien, kann jedoch auf der Grundlage spezifischer Anhaltspunkte in Frage gestellt werden, die belegen, dass die "Normalspiele" der Weltmeis­ter­schaft und der EURO nicht von einer solchen Bedeutung für die Gesellschaft dieses Staates sind.

"Topspiele" des betreffenden Landes von erheblicher Bedeutung

In diesem Zusammenhang stellt das Gericht klar, dass die "Topspiele" und - bei der EURO - die Spiele mit Beteiligung der/einer Natio­nal­mann­schaft des betreffenden Landes von erheblicher Bedeutung für die Gesellschaft des jeweiligen Mitgliedstaats sind und deshalb in eine nationale Liste aufgenommen werden dürfen, auf der die Ereignisse verzeichnet sind, die die entsprechende Bevölkerung in einer frei zugänglichen Fernsehsendung verfolgen können muss.

Andere Spiele als Gesamtereignis ansehbar

Zu den anderen Spielen der Weltmeis­ter­schaft und der EURO führt das Gericht aus, dass diese Wettbewerbe als Gesam­te­r­eignisse und nicht als Anein­an­der­rei­hungen einzelner, in "Topspiele" und "Normalspiele" aufgeteilter Ereignisse angesehen werden können. So können sich z. B. die Ergebnisse der "Normalspiele" auf die Beteiligung der Mannschaften an den "Topspielen" auswirken, was ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit an ihnen hervorrufen kann.

Wichtigkeit von Spielen im Voraus nicht feststellbar

Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass im Voraus - zum Zeitpunkt der Erstellung der nationalen Listen oder des Erwerbs der Übertragungsrechte - nicht feststellbar ist, welche Spiele wirklich für die späteren Phasen dieser Wettbewerbe entscheidend sein oder sich auf das Abschneiden einer bestimmten Natio­nal­mann­schaft auswirken werden. Aus diesem Grund ist es der Ansicht, dass der Umstand, dass bestimmte "Normalspiele" Einfluss auf die Beteiligung an den "Topspielen" haben können, die Entscheidung eines Mitgliedstaats rechtfertigen kann, allen Spielen dieser Wettbewerbe erhebliche gesell­schaftliche Bedeutung beizumessen.

Zuschauerzahlen auch bei "Normalspielen" sehr hoch

Zu den Statistiken, die die Klägerinnen als Beleg dafür vorgelegt haben, dass die "Normalspiele" nicht von erheblicher Bedeutung für die belgische Gesellschaft und die Gesellschaft des Vereinigten Königreichs sein sollen, stellt das Gericht fest, dass die Zuschauerzahlen der letzten Weltmeis­ter­schaften und Europa­meis­ter­schaften für diese Spielkategorie zeigen, dass die betreffenden Spiele eine hohe Zahl von Fernseh­zu­schauern anzogen, darunter viele, die sich normalerweise nicht für Fußball interessieren.

"Erhebliche Bedeutung" von Spielen für Mitglieds­s­taaten unterschiedlich

Das Gericht hält sodann, da es in der Union auf der Ebene der spezifischen Ereignisse, die von den Mitgliedstaaten als von erheblicher gesell­schaft­licher Bedeutung angesehen werden können, keine Harmonisierung gibt, mehrere Heran­ge­hens­weisen an die Aufnahme der Weltmeis­ter­schaftsspiele und der Spiele der EURO in eine nationale Liste für gleichermaßen mit der Richtlinie vereinbar. Somit kann es sein, dass manche Mitgliedstaaten nur die "Topspiele" und - bei der EURO - die Spiele mit Beteiligung der betreffenden Natio­nal­mann­schaft(en) als von erheblicher Bedeutung für ihre Gesellschaft betrachten, während nach der begründeten Ansicht anderer auch die "Normalspiele" auf der nationalen Liste verzeichnet sein müssen.

Beschränkung des Dienst­leis­tungs­verkehrs und der Nieder­las­sungs­freiheit gerechtfertigt

Weiter stellt das Gericht fest, dass zwar die Einstufung der Weltmeis­ter­schaft und der EURO als Ereignis von erheblicher gesell­schaft­licher Bedeutung den Preis beeinträchtigen kann, den die FIFA und die UEFA für die Vergabe der Übertra­gungs­rechte an diesen Wettbewerben erzielen, sie aber nicht den Handelswert dieser Rechte vernichtet, weil sie die beiden Verbände nicht zu deren Vergabe zu beliebigen Bedingungen verpflichtet. Obwohl diese Einstufung den freien Dienst­leis­tungs­verkehr und die Nieder­las­sungs­freiheit beschränkt, ist sie auch gerechtfertigt, da sie das Recht auf Informationen schützen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernseh­be­rich­t­er­stattung über Ereignisse von erheblicher gesell­schaft­licher Bedeutung verschaffen soll.

Schließlich stellt das Gericht fest, dass den Rechts­vor­schriften des Vereinigten Königreichs keine Gewährung besonderer oder ausschließ­licher Rechte an bestimmte Rundfunk­an­stalten zu entnehmen ist.

Bewertung der Spiele als "Ereignis von erheblicher Bedeutung" fehlerfrei als unions­rechts­konform eingestuft

Das Gericht entscheidet daher, dass die Kommission es fehlerfrei für unions­rechts­konform hielt, dass das Vereinigte Königreich alle Spiele der Weltmeis­ter­schaft und der EURO und Belgien alle Spiele der Weltmeis­ter­schaft als "Ereignis von erheblicher Bedeutung" für ihre jeweilige Gesellschaft einstuften. Die Klagen der FIFA und der UEFA werden daher abgewiesen.

Erläuterungen

Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtä­tigkeit (ABl. L 298, S. 23) in der durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 202, S. 60) geänderten Fassung.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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