21.11.2024
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Dokument-Nr. 12321

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Urteil22.09.2011Gerichtshof der Europäischen UnionC-323/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2011, 745Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2011, Seite: 745
  • EuZW 2011, 834Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW), Jahrgang: 2011, Seite: 834
  • GRUR 2011, 1124Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2011, Seite: 1124
  • GRURInt 2011, 1050Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (GRURInt), Jahrgang: 2011, Seite: 1050
  • ITRB 2011, 274Zeitschrift: Der IT-Rechts-Berater (ITRB), Jahrgang: 2011, Seite: 274
  • MMR 2011, 804Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2011, Seite: 804
  • WRP 2011, 1550Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2011, Seite: 1550
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil22.09.2011

"Interflora": EuGH zur Nutzung von Schlüs­sel­wörtern fremder Markennamen im Rahmen von Google AdWords ohne Zustimmung des InhabersGerichtshof der Europäischen Union präzisiert Umfang des Markenschutzes in der Europäischen Union

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Umfang des Markenschutzes in der Europäischen Union präzisiert. Nach Auffassung des EuGH darf ein Mitbewerber im Rahmen des "AdWords"-Referenzierungs­dienst von Google nur dann ein mit der Marke identisches Zeichen für identische Waren oder Dienst­leis­tungen nutzen, wenn dadurch die Funktion der Marke nicht beeinträchtigt wird oder die Nutzung Auswirkungen auf den Ruf der Marke hat.

Das amerikanische Unternehmen Interflora Inc. betreibt ein weltweites Blumen­lie­fernetz. Interflora British Unit ist Lizenznehmerin von Interflora Inc. Das Netz von Interflora besteht aus Floristen, bei denen persönlich, telefonisch oder über das Internet Bestellungen aufgegeben werden können, die dann von dem Mitglied des Netzes, das dem Lieferort der Blumen am nächsten ist, ausgeführt werden. INTERFLORA ist eine nationale Marke im Vereinigten Königreich und auch eine Gemein­schaftsmarke. Diese Marken haben im Vereinigten Königreich und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen hohen Bekannt­heitsgrad.

Geschäft­s­tä­tigkeit von Marks & Spencer erfolgt im Wettbewerb mit Interflora

Marks & Spencer (M & S), eine Gesellschaft englischen Rechts, gehört zu den wichtigsten Einzel­han­dels­un­ter­nehmen im Vereinigten Königreich. Ihre Tätigkeiten umfassen auch den Verkauf und die Lieferung von Blumen. Diese Geschäft­s­tä­tigkeit erfolgt somit im Wettbewerb mit derjenigen von Interflora.

Marks & Spencer nutzt "Interflora" als Schlüsselwort bei Google „AdWords“

Im Zusammenhang mit dem „AdWords“-Referen­zie­rungs­dienst von Google wählte M & S das Wort „Interflora“ und Varianten dieses Wortes wie „Interflora Flowers“, „Interflora Delivery“, „Interflora.com“ und „Interflora co uk“ als Schlüsselwörter. Folglich erschien, wenn Internetnutzer das Wort „Interflora“ oder eine jener Varianten als Suchbegriff in die Suchmaschine Google eingaben, eine Anzeige von M & S.

Nationales Gericht legt EuGH Fragen zur Zulässigkeit der Nutzung von Schlüs­sel­wörtern ohne Zustimmung des Markeninhabers vor

Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), bei dem Interflora gegen M & S wegen Verletzung ihrer Markenrechte Klage erhob, legt dem Gerichtshof Fragen zu mehreren Aspekten der Benutzung von mit einer Marke identischen Schlüs­sel­wörtern ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Inter­ne­tre­fe­ren­zie­rungs­dienstes vor*.

Markeninhaber darf Benutzung der Marke durch Dritte nur verbieten, wenn Nutzung zur Beein­träch­tigung der „Funktionen“ der Marke führt

Der Gerichtshof der Europäischen Union weist zunächst darauf hin, dass in dem Fall, in dem ein Dritter ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienst­leis­tungen benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, der Markeninhaber eine solche Benutzung nur verbieten darf, wenn sie eine der „Funktionen“ der Marke beeinträchtigen kann. Ihre Hauptfunktion ist die Gewährleistung der Herkunft der von der Marke erfassten Ware oder Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern (herkunfts­hin­weisende Funktion); die anderen Funktionen sind insbesondere die Werbe- und die Inves­ti­ti­o­ns­funktion. Der Gerichtshof hebt hierzu hervor, dass die herkunfts­hin­weisende Funktion der Marke nicht deren einzige Funktion ist, die gegenüber Beein­träch­ti­gungen durch Dritte schutzwürdig ist. Eine Marke stellt nämlich häufig – neben einem Hinweis auf die Herkunft der Waren oder Dienst­leis­tungen – ein Instrument der Geschäftss­trategie dar, das u. a. zu Werbezwecken oder zum Erwerb eines Rufs eingesetzt wird, um den Verbraucher zu binden.

EuGH zur möglichen Beein­träch­tigung einer Marke

Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 23. März 2010 stellt der Gerichtshof fest, dass die herkunfts­hin­weisende Funktion einer Marke beeinträchtigt ist, wenn aus der anhand eines der Marke entsprechenden Schlüsselworts erscheinenden Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienst­leis­tungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen. Dagegen beeinträchtigt die Benutzung eines mit einer fremden Marke identischen Zeichens im Rahmen eines Inter­ne­tre­fe­ren­zie­rungs­dienstes wie „AdWords“ nicht die Werbefunktion der Marke.

EuGH bejaht Beein­träch­tigung, wenn Mitbewerber Marke mit identischem Zeichen für identische Waren oder Dienst­leis­tungen benutzt

Weiter prüft der Gerichtshof zum ersten Mal den Schutz der Inves­ti­ti­o­ns­funktion der Marke. Diese Funktion der Marke ist beeinträchtigt, wenn ein Mitbewerber ein mit der Marke identisches Zeichen für identische Waren oder Dienst­leis­tungen benutzt und diese Benutzung es dem Markeninhaber wesentlich erschwert, seine Marke zum Erwerb oder zur Wahrung eines Rufs einzusetzen, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden. In einer Situation, in der die Marke bereits einen Ruf genießt, wird die Inves­ti­ti­o­ns­funktion beeinträchtigt, wenn eine solche Benutzung Auswirkungen auf diesen Ruf hat und damit dessen Wahrung gefährdet.

EuGH verneint Beein­träch­ti­gungen, solange Ruf des Markeninhabers gewahrt bleibt

Dagegen darf der Markeninhaber einen Mitbewerber nicht an einer solchen Benutzung hindern können, wenn diese lediglich zur Folge hat, dass der Markeninhaber seine Anstrengungen zum Erwerb oder zur Wahrung eines Rufs, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden, anpassen muss. Ebenso wenig kann der Markeninhaber mit Erfolg den Umstand anführen, dass diese Benutzung einige Verbraucher veranlassen werde, sich von Waren oder Dienst­leis­tungen der genannten Marke abzuwenden.

Nationales Gericht muss mögliche Rufschädigung des Markeninhabers prüfen

Im vorliegenden Fall ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Benutzung des mit der Marke INTERFLORA identischen Zeichens durch M & S die Möglichkeit von Interflora gefährdet, einen Ruf zu wahren, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden.

EuGH zur Tragweite der Begriffe "Verwässerung" und "Tritt­brett­fahrer"

Zu den zusätzlichen Fragen betreffend den verstärkten Schutz bekannter Marken und insbesondere zur Tragweite der Begriffe „Verwässerung“ (Beein­träch­tigung der Unter­schei­dungskraft der bekannten Marke) und „Tritt­brett­fahren“ (Unlautere Ausnutzung der Unter­schei­dungskraft oder der Wertschätzung der Marke) stellt der Gerichtshof u. a. fest, dass es als Tritt­brett­fahren zu beurteilen sein kann, wenn ohne „recht­fer­ti­genden Grund“ im Rahmen eines Referen­zie­rungs­dienstes Zeichen ausgewählt werden, die mit einer fremden bekannten Marke identisch oder ihr ähnlich sind. Dies kann insbesondere für Fälle anzunehmen sein, in denen Werbende im Internet mittels Auswahl von Schlüs­sel­wörtern, die bekannten Marken entsprechen, Waren zum Verkauf anbieten, die Nachahmungen von Waren des Inhabers dieser Marken sind.

Werbung, die Alternativen zu Waren und Dienst­leis­tungen des Markeninhabers bietet, fällt in Bereich gesunden und lauteren Wettbewerbs

Wenn dagegen im Internet anhand eines Schlüsselworts, das einer bekannten Marke entspricht, eine Werbung gezeigt wird, mit der – ohne eine bloße Nachahmung von Waren oder Dienst­leis­tungen des Inhabers dieser Marke anzubieten, ohne diese zu verwässern oder ihre Wertschätzung zu beeinträchtigen (Verunglimpfung) und ohne im Übrigen die Funktionen dieser Marke zu beeinträchtigen – eine Alternative zu den Waren oder Dienst­leis­tungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen wird, fällt eine solche Benutzung grundsätzlich unter einen gesunden und lauteren Wettbewerb im Bereich der fraglichen Waren oder Dienst­leis­tungen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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