14.11.2024
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Dokument-Nr. 4359

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Urteil05.06.2007Gerichtshof der Europäischen UnionC-170/04
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil05.06.2007

EuGH: Verbot privater Alkohol-Einfuhr in Schweden rechtswidrigGericht knackt Schwedens Alkoholmonopol

Das Verbot der Einfuhr von alkoholischen Getränken durch Privatpersonen nach Schweden stellt eine nicht gerechtfertigte mengenmäßige Beschränkung des freien Warenverkehrs dar. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Diese Maßnahme sei ungeeignet, das Ziel einer allgemeinen Beschränkung des Alkoholkonsums zu erreichen, und stehe außer Verhältnis zu dem Ziel, die Jugend gegen die schädlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums zu schützen.

Nach dem schwedischen Alkoholgesetz erfolgt der Verkauf von alkoholischen Getränken im Einzelhandel in Schweden durch ein Monopol, das das Systembolag besitzt. Die Einfuhr alkoholischer Getränke ist dem Systembolag und den staatlich zugelassenen Großhändlern vorbehalten. Privatpersonen ist es verboten, alkoholische Getränke einzuführen. Dieses Verbot bedeutet, dass derjenige, der alkoholische Getränke aus anderen Mitgliedstaaten einführen möchte, dies ausschließlich über das Systembolag tun kann. Das Systembolag ist verpflichtet, jedes alkoholische Getränk auf Bestellung und auf Kosten des Verbrauchers zu beschaffen, sofern es keine Einwände hat.

Klas Rosengren und mehrere andere schwedische Staats­an­ge­hörige bestellten über den Versandhandel Kisten mit spanischem Wein. Der Wein wurde im Wege der privaten Beförderung nach Schweden eingeführt, ohne beim Zoll angemeldet worden zu sein. Daraufhin wurde er beim Zoll in Göteborg beschlagnahmt. Gegen Herrn Rosengren und andere Personen wurde ein straf­recht­liches Ermitt­lungs­ver­fahren wegen rechtswidriger Einfuhr alkoholischer Getränke eingeleitet.

Der Högsta domstol (Oberster Gerichtshof), bei dem das Verfahren in letzter Instanz anhängig ist, fragt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ob die Bestimmungen des schwedischen Rechts mit dem Gemein­schaftsrecht, insbesondere dem vom Vertrag gewährleisteten Grundsatz des freien Warenverkehrs vereinbar sind.

Vorab stellt der Gerichtshof fest, dass die in Rede stehenden Bestimmungen im Licht der Gemein­schafts­re­gelung über den freien Warenverkehr und nicht der besonderen Bestimmungen über staatliche Monopole zu prüfen ist, da die Letztgenannten nur für Bestimmungen gelten, die das Bestehen oder die Funktionsweise eines Monopols betreffen. Die Einfuhr alkoholischer Getränke stellt nicht die besondere Funktion dar, die das Alkoholgesetz dem Monopol zugewiesen hat. Das Gesetz hat dem Monopol vielmehr das ausschließliche Recht zum Einzel­han­dels­verkauf alkoholischer Getränke in Schweden vorbehalten.

Stellt die schwedische Regelung eine Beschränkung des freien Warenverkehrs dar?

Erstens ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Möglichkeit des Systembolag, die Bestellung eines Verbrauchers abzulehnen, die alkoholische Getränke betrifft, die eingeführt werden müssen, eine mengenmäßige Einfuhr­be­schränkung darstellt.

Zweitens stellt der Gerichtshof fest, dass die Verbraucher, wenn sie die Dienste des Systembolag in Anspruch nehmen, um sich mit alkoholischen Getränken zu versorgen, verschiedene Nachteile in Kauf nehmen müssen, die ihnen erspart blieben, wenn sie die Einfuhr selbst vornähmen. Unabhängig von Fragen der Verwaltung und der Organisation umfasst vor allem bei jeder Einfuhr der vom Käufer verlangte Preis neben dem vom Lieferanten in Rechnung gestellten Preis der Getränke die Erstattung der vom Systembolag getragenen Verwaltungs- und Beför­de­rungs­kosten sowie eine Spanne von 17 %, die der Käufer grundsätzlich nicht zu tragen hat, wenn er diese Ware selbst unmittelbar einführen würde.

Daher stellt das für Privatpersonen bestehende Verbot der Einfuhr alkoholischer Getränke eine mengenmäßige Beschränkung des freien Warenverkehrs dar.

Kann diese Beschränkung gerechtfertigt werden?

Der Gerichtshof räumt ein, dass Maßnahmen, die mengenmäßige Einfuhr­be­schrän­kungen darstellen, aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sein können. Eine Regelung, mit der beabsichtigt ist, den schädlichen Wirkungen des Alkohols vorzubeugen und den Alkohol­miss­brauch zu bekämpfen, kann in diesem Sinne gerechtfertigt sein. Allerdings ist dies nur dann der Fall, wenn sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig ist und ein verhält­nis­mäßiges Mittel darstellt.

Zwar hat das Systembolag die Möglichkeit, eine Bestellung abzulehnen, doch ist nicht festgelegt, aus welchen Gründen die Bestellung abgelehnt werden kann. Aus den Informationen, über die der Gerichtshof verfügt, ergibt sich nicht, dass das Systembolag in der Praxis eine solche Lieferung wegen einer bestimmten Obergrenze für die Alkoholmenge abgelehnt hätte. Daher zielt das Einfuhrverbot weniger darauf ab, allgemein den Alkoholkonsum zu beschränken, als vielmehr das Systembolag als Vertriebskanal für alkoholische Getränke zu begünstigen. Somit muss das Einfuhrverbot als zur Erreichung des Zwecks des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen ungeeignet betrachtet werden.

Zu dem vorgetragenen Rechts­fer­ti­gungsgrund, dass das Verbot dem Zweck entspricht, die Jugend gegen die Gefahren des Alkoholkonsums zu schützen, führt der Gerichtshof aus, dass das Verbot für alle unabhängig von ihrem Alter gilt. Daher geht es offensichtlich über das hinaus, was im Hinblick auf das angestrebte Ziel des Schutzes der Jugend gegen die schädlichen Folgen des Alkoholkonsums notwendig ist.

Was schließlich die Einzelheiten des Vertriebs der Waren und die Kontrolle des Alters der Käufer angeht, vertritt der Gerichtshof die Ansicht, dass eine wirksame Alterskontrolle der Personen, an die alkoholische Getränke abgegeben werden, nicht in allen Fällen vollständig sichergestellt ist. Außerdem ist nicht nachgewiesen worden, dass für die Alterskontrolle andere, mindestens ebenso wirksame und weniger beschränkende Regelungen nicht zur Verfügung stehen. Beispielsweise hat die Kommission unwidersprochen vorgetragen, dass eine Regelung, wonach der Empfänger auf einem Formblatt, das die Waren zum Zeitpunkt ihrer Einfuhr begleitet, bestätigt, dass er älter als zwanzig Jahre ist, das gleiche Ziel erreichen kann. Daher ist das Verbot kein verhält­nis­mäßiges Mittel zur Erreichung des Ziels des Schutzes der Jugend gegen die schädlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums.

Unter diesen Umständen stellt der Gerichtshof fest, dass das Verbot der Einfuhr alkoholischer Getränke nicht aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt werden kann.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 38/07 des EuGH vom 05.06.2007

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