21.11.2024
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Bayerischer Verfassungsgerichtshof Urteil27.02.2012

Betrieb von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen zulässigWirtschafts- und beschäf­ti­gungs­po­li­tischen Erwägungen überwiegen die geringen Auswirkungen auf Sonn- und Feiertagsschutz

Die in Bayern geltenden Regelungen zur Zulassung des Betriebs von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen in Art. 2 Abs. 3 Nr. 5 FTG (Feiertagsgesetz) und § 1 Abs.1 Nr.11 BedV (Bedürf­nis­ge­wer­be­ver­ordnung) sind verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschied der Bayerische Verfas­sungs­ge­richtshof.

Zum Schutz der Sonn- und Feiertage verbietet Art. 2 des Feier­tags­ge­setzes (FTG) u. a. bestimmte Arbeiten und Handlungen an diesen Tagen. Die Verbote gelten nach Art. 2 Abs. 3 Nr. 5 FTG nicht für den Betrieb von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen – ausgenommen Neujahr, Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, 1. Mai, Pfingstsonntag, Pfingstmontag sowie Erster und Zweiter Weihnachtstag – ab 12.00 Uhr, wenn die Gemeinde dies in ihrem Gemeindegebiet durch Verordnung zugelassen hat. § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedürf­nis­ge­wer­be­ver­ordnung (BedV) ermöglicht die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen.

Antragsteller sehen sich durch Zulassung des Betriebs von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen in Grundrecht auf Glaubens­freiheit verletzt

Mit der Popularklage beantragen die Antragsteller, die Nichtigkeit dieser Regelungen festzustellen. Sie rügen insbesondere einen Verstoß gegen Art. 107 und 147 der Bayerischen Verfassung (BV). Art. 147 BV verpflichte den Gesetzgeber zum Schutz der Sonn- und Feiertage und konkretisiere damit das Grundrecht auf Glaubens­freiheit (Art. 107 BV). Diese grundrechtlich abgesicherte Schutzpflicht habe der Gesetzgeber mit der Zulassung des Betriebs von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen verletzt. Einen sachlichen Grund für die Durchbrechung des Sonn- und Feier­tags­schutzes gebe es nicht.

Betrieb von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen mit Bayerischer Verfassung vereinbar

Der Bayerische Verfas­sungs­ge­richtshof wies die Popularklage jedoch ab. Die Regelungen zur Zulassung des Betriebs von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen in Art. 2 Abs. 3 Nr. 5 des Feier­tags­ge­setzes (FTG) und § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedürf­nis­ge­wer­be­ver­ordnung (BedV) sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.

Grundsätzlich müssen typische „werktägliche Geschäft­s­tä­tigkeit“ an Sonn- und Feiertagen ruhen

Nach Art. 147 BV bleiben die Sonntage und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt. Art und Ausmaß des Schutzes bedürfen der gesetzlichen Ausgestaltung. Der Gesetzgeber hat dabei einen weiten Spielraum, innerhalb dessen er zahlreiche Gesichtspunkte und Interessen gegeneinander abzuwägen und gegenläufige Schutzgüter auszugleichen hat, wie insbesondere den Schutzzweck des Art. 147 BV einerseits und die durch Art. 101 BV geschützte Berufs- und allgemeine Handlungs­freiheit andererseits. Art. 147 BV gibt für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor. Grundsätzlich hat die typische „werktägliche Geschäft­s­tä­tigkeit“ an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Ausnahmen sind nur zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich, wobei in jedem Fall ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feier­tags­schutzes zu wahren ist.

Betrieb von Autowasch­anlagen hat keine das öffentliche Bild des Tages prägende Wirkung

Die Freigabe des Betriebs von Autowasch­anlagen an Sonn- und Feiertagen hat nur geringes Gewicht. Betroffen ist lediglich ein eng umgrenzter und in erheblichem Umfang automatisierter Geschäftszweig mit einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Beschäftigten und einem überschaubaren Kreis von potenziellen Kunden. Es besteht zudem eine sachliche Nähe, häufig auch eine betriebliche Verbindung zu Tankstellen, für die zur Sicherstellung der Mobilität eine Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsschutz bereits seit langem und verfas­sungs­rechtlich unbedenklich anerkannt ist. Der Betrieb von Autowasch­anlagen hat schon deshalb, anders als etwa eine allgemeine Ladenöffnung, keine das öffentliche Bild des Tages prägende Wirkung.

Betrieb von Autowasch­anlagen ohnehin nur mit Einschränkungen zulässig

Die Auswirkungen auf das Schutzniveau sind umso geringer, als der Betrieb von Autowasch­anlagen nur mit Einschränkungen freigegeben wird: Zum einen wird die Möglichkeit zum Betrieb an Sonn- und Feiertagen an eine Zulassung durch gemeindliche Verordnung für das jeweilige Gemeindegebiet geknüpft. Dadurch ist sichergestellt, dass den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann. Art. 2 Abs. 3 Nr. 5 FTG beschränkt zum anderen die Öffnungs­mög­lichkeit auf die Zeit ab 12.00 Uhr, also nach dem Ende der üblichen Haupt­got­tes­dienstzeit, und nimmt neun einzeln bestimmte Sonn- und Feiertage vollständig von der Öffnungs­mög­lichkeit aus. Trotz der Öffnung von Autowasch­anlagen bildet die Arbeitsruhe nach der gesetzlichen Konzeption auch unter Berück­sich­tigung der übrigen Ausnahmen von der allgemeinen Sonn- und Feiertagsruhe weiterhin erkennbar die Regel.

Freigabe Verbesserung einer wirtschaft­lichen Lage und ausgleichen von Wettbe­wer­bs­nach­teilen zulässig

Die Freigabe ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Nach den Geset­zes­ma­te­rialien soll damit die als besorg­nis­er­regend angesehene wirtschaftliche Lage zahlreicher Tankstel­len­be­triebe in Bayern verbessert und Wettbe­wer­bs­nach­teilen begegnet werden, denen Tankstel­len­be­triebe insbesondere in der Grenzregion zu den Nachbarländern Österreich und Tschechien ausgesetzt sind. Dass der Gesetzgeber demnach wirtschafts- und beschäf­ti­gungs­po­li­tischen Erwägungen sowie den grundrechtlich geschützten Positionen der Anlagen­be­treiber und der potenziellen Kunden ein höheres Gewicht beimisst, ist verfas­sungs­rechtlich schon wegen der geringen Auswirkungen auf den Sonn- und Feiertagsschutz nicht zu beanstanden. Insbesondere werden die Grenzen des gesetz­ge­be­rischen Gestal­tungs­spielraums nicht dadurch überschritten, dass die Zulassung des Betriebs von Autowasch­anlagen für das gesamte Gebiet des Freistaates ermöglicht wird.

Quelle: Bayerischer Verfassungsgerichtshof/ra-online

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