21.11.2024
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Dokument-Nr. 10084

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Bayerischer Verfassungsgerichtshof Urteil11.08.2010

Popularklage gegen Entlohnung von Gefan­ge­ne­n­arbeit abgelehntRegelungen zur Entlohnung der Gefangenen verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden

Eine Popularklage gegen die Regelungen zur Entlohnung der Gefangenen sowie gegen die unterbliebene Einbeziehung arbeitender Gefangener in die gesetzliche Renten­ver­si­cherung wurde vom Bayerischen Verfas­sungs­gericht abgewiesen.

Die Regelung zur Entlohnung der Gefangenen in Art. 46 BayStVollzG sind verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Aus Art. 100, 101 der Bayerischen Verfassung ergibt sich die Verpflichtung des Gesetzgebers, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozi­a­li­sierung hin auszurichten. Dies gilt auch für das Arbeitsentgelt der Gefangenen.

Finanzielle Vorteile für arbeitende Gefangene

Den arbeitenden Gefangenen wird als finanziell unmittelbar wahrzunehmender Vorteil nach Art. 46 Abs. 2 BayStVollzG ein Entgelt in Höhe von 9 v. H. der Eckvergütung (Durch­schnitt­s­entgelt der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung) gezahlt. Aktuell betragen die Tagessätze zwischen 8,28 € und 13,80 € bzw. die Stundensätze zwischen 1,04 € und 1,73 €. Der Verzicht auf den Haftkos­ten­beitrag bedeutet zudem ebenfalls eine geldwerte Gegenleistung in nicht unerheblicher Höhe. Hinzu kommt der zumindest mittelbar spürbare finanzielle Vorteil, dass die für die Gefangenen anfallenden Arbeitnehmer- und Arbeit­ge­be­r­anteile der Beiträge zur Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung vom Staat entrichtet werden. Die monetäre Entgelt­kom­ponente wird durch nicht monetäre Leistungen ergänzt. Durch die Arbeit erwirbt der Gefangene einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, die auf Antrag durch Hafturlaub oder Haftverkürzung gewährt werden kann. Gemäß Art. 46 Abs. 6 Satz 1 BayStVollzG erfolgt für zwei Monate zusammenhängend geleistete Arbeit die Freistellung für einen Werktag.

Kombi­na­ti­o­ns­modell verstößt nicht gegen Resozi­a­li­sie­rungsgebot

Dieses Kombi­na­ti­o­ns­modell schafft jedenfalls in seiner Gesamtheit ein Vergü­tungs­systems, das nicht gegen das verfas­sungs­rechtliche Resozialisierungsgebot verstößt. Die Gesam­tent­lohnung steht keinesfalls in einem derart unausgewogenen Verhältnis zum objektiven Wert der Gefan­ge­ne­n­arbeit, dass sie nicht mehr als angemessene Anerkennung für die geleistete Arbeit einzustufen wäre.

Höhere Entlohnung gefährdet Konkur­renz­fä­higkeit

Die Produktivität der Gefan­ge­ne­n­arbeit bei Unter­neh­mer­be­trieben erreicht nur etwa 20 % des in der gewerblichen Wirtschaft erzielten Werts und bei Eigenbetrieben sogar deutlich unter 15 % dieser Vergleichsgröße. Zudem würde eine Erhöhung des monetären Vergütungsteils mit der erheblichen Gefahr des Verlusts von Gefan­ge­ne­n­a­r­beits­plätzen einhergehen. Denn mit steigender Entlohnung wird die Gefan­ge­ne­n­arbeit weniger konkurrenzfähig, sodass sowohl das Engagement von Unter­neh­mer­be­trieben unwirt­schaftlich zu werden droht als auch die Wettbe­wer­bs­fä­higkeit von Eigenbetrieben infrage gestellt wird. Der Gesetzgeber durfte schließlich auch in seine Überlegungen einbeziehen, dass der ihm zustehende Gestal­tungs­spielraum nicht nur durch die Ziele der Resozi­a­li­sierung, sondern - wie üblicherweise bei der Gewährung staatlicher Leistungen - durch die wirtschaftliche Lage geprägt und beschränkt wird. Dass er deshalb zu dem Schluss gekommen ist, die mit einer höheren Entlohnung verbundenen Mehrkosten könnten nicht aufgebracht werden, ohne andere Aufgaben des Staates unvertretbar zu vernachlässigen, ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Keine Gesetz­ge­bungs­kom­petenz zur Einbeziehung arbeitender Gefangener in gesetzliche Renten­ver­si­cherung

Schon mangels Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Landes­ge­setz­gebers lässt sich eine Verpflichtung zur Einbeziehung arbeitender Gefangener in die gesetzliche Rentenversicherung nicht ableiten.

Auch nach Übergang der Gesetz­ge­bungs­zu­stän­digkeit für das Straf­voll­zugsrecht auf die Länder ist die Kompetenz für die Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Renten­ver­si­cherung beim Bund verblieben. Gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz ist die Sozia­l­ver­si­cherung Gegenstand der konkurrierenden Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes, in deren Bereich die Länder nur dann und insoweit gesetzgebend tätig werden können, als der Bund von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 Grundgesetz). Welcher Personenkreis in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung pflicht­ver­sichert ist, hat der Bund jedoch mit dem Sechsten Buch des Sozial­ge­setzbuchs abschließend geregelt und von einer Einbeziehung Pflichtarbeit verrichtender Gefangener dabei bislang bewusst abgesehen. Für eine landes­ge­setzliche Regelung ist daher in diesem Bereich kein Raum.

Quelle: Bayerischer Verfassungsgerichtshof/ ra-online

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