15.11.2024
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Sie sehen einen Mann mit einem Jagdgewehr im Anschlag.

Dokument-Nr. 27540

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Bundesverwaltungsgericht Urteil19.06.2019

Funktions- bzw. Mandatsträger in der Regel als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehenRegelvermutung der Unzuver­läs­sigkeit kann durch nachweisliche Distanzierung von hetzenden Äußerungen und rechtstreues Verhalten widerlegt werden

Wer in aktiver Weise, insbesondere durch Wahrnehmung von Parteiämtern oder Mandaten in Parlamenten und Kommunal­vertretungen Bestrebungen einer Partei unterstützt, die gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung gerichtet sind, besitzt in der Regel nicht die für eine waffen­rechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit. Die Regelvermutung der waffen­recht­lichen Unzuver­läs­sigkeit kann in einem solchen Fall nur widerlegt werden, wenn sich der Funktions- bzw. Mandatsträger in der Vergangenheit rechtstreu verhalten und sich darüber hinaus von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüch­ternden Verhal­tens­weisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmiss­ver­ständlich und beharrlich distanziert hat. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verwaltungs­gerichts hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls war stell­ver­tre­tender Vorsitzender eines NPD-Kreisverbandes und vertritt die NPD in einem Kreistag und in einem Gemeinderat. Der Beklagte widerrief die dem Kläger als Sportschützen erteilte Waffen­be­sitzkarte, da er in der Person des Klägers wegen dessen Aktivitäten für die NPD den Regel­ver­sa­gungsgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. als erfüllt ansah. Nach dieser Vorschrift besitzt die erforderliche waffen­rechtliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung gerichtet sind.

Die Klage hatte vor dem Verwal­tungs­gericht Dresden Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten änderte das Sächsische Oberver­wal­tungs­gericht das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts und wies die Klage ab.

Verfolgung verfas­sungs­feind­licher Bestrebungen führt in der Regel zu waffen­recht­licher Unzuver­läs­sigkeit

Auf die Revision des Klägers hob das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberver­wal­tungs­gericht zurück. Unzuverlässig i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. ist in der Regel auch derjenige, der verfas­sungs­feindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt. Die Vorschrift wird insoweit nicht durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. verdrängt, wonach die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, die Mitglied in einer Partei waren, deren Verfas­sungs­wid­rigkeit das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nach § 46 BVerfGG festgestellt hat, woran es im Fall der NPD fehlt. Bis zu der - hier noch nicht anwendbaren - Neufassung im Jahr 2017 verbot Art. 21 Abs. 2 GG a.F. zwar jede rechtliche Anknüpfung an die verfas­sungs­feindliche Ausrichtung einer Partei und jede darauf gestützte Behinderung ihrer politischen Tätigkeit bis zur Feststellung ihrer Verfas­sungs­wid­rigkeit durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht (sogenanntes Partei­en­privileg). Im Hinblick auf die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) ist die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. bei Unterstützung der gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen einer nicht verbotenen politischen Partei aber grundsätzlich gerechtfertigt.

Vereinigung muss gegen die Verfassung gerichtete Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder Rechts­ver­let­zungen zu verwirklichen suchen

Das Schutzgut der verfas­sungs­mäßigen Ordnung umfasst die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokra­tie­prinzip und den Grundsatz der Rechts­s­taat­lichkeit. Hiergegen gerichtete Bestrebungen einer Vereinigung liegen vor, wenn diese als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber diesen Grundsätzen einnimmt. Die Vereinigung muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechts­ver­let­zungen zu verwirklichen suchen. Diese Voraussetzungen sind bei der NPD erfüllt. Nach den unter anderem auf das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts im NPD-Verbots­ver­fahren vom 17. Januar 2017 gestützten tatsächlichen Feststellungen des Berufungs­ge­richts ist davon auszugehen, dass die NPD das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen und elementare Bestandteile des Demokra­tie­prinzips zu beseitigen. Hierzu entfaltet sie Aktivitäten, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen und damit Ausdruck einer kämpferisch-aggressiven Haltung sind. Dieser Befund wird nicht durch die Feststellung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts in Frage gestellt, dass es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gebe, dass bei der NPD eine Grundtendenz besteht, ihre verfas­sungs­feind­lichen Ziele durch Gewalt oder die Begehung von Straftaten durchzusetzen.

Der Kläger hat die gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt. Wer seine Aktivitäten für eine verfas­sungs­feindliche Partei nicht auf die bloße Mitgliedschaft oder die passive Teilnahme an Veranstaltungen beschränkt, sondern herausgehobene Ämter in der Partei oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Partei nach außen hin präsentiert, und gibt ihr ein Gesicht in der Öffentlichkeit. Entsprechendes gilt für die Wahrnehmung von Mandaten für eine verfas­sungs­feindliche Partei in einem Parlament oder einer Kommu­na­l­ver­tretung.

Widerlegung der Regelvermutung der Unzuver­läs­sigkeit ist im Einzelfall zu prüfen

Die Waffenbehörden bzw. Verwal­tungs­ge­richte müssen jedoch im jeweiligen Einzelfall prüfen, ob die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt ist, weil der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Bezug der Unterstützung verfas­sungs­feind­licher Bestrebungen zu dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt. Dies setzt bei Funktions- und Mandatsträgern einer nicht verbotenen Partei nicht zwingend die Niederlegung von Parteiämtern und Mandaten voraus. Sie verlangt aber - neben einem in waffen­recht­licher Hinsicht beanstan­dungs­freien Verhalten - den Beleg einer entschiedenen, beständigen und nach außen erkennbaren Distanzierung von solchen Äußerungen und Verhal­tens­weisen der Partei­mit­glieder und -anhänger, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt erkennen lassen oder einschüchternde Wirkung haben. Zur Ermittlung der für diese Prüfung erforderlichen Tatsachen hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Sache an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm/kg)

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