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- Verwaltungsgericht Köln, Urteil25.08.2010, 21 K 3702/09
Bundesverwaltungsgericht Urteil14.12.2011
Bundesnetzagentur darf aktuelle Erkenntnisse bei rückwirkender Anordnung einer Entgeltgenehmigungspflicht nicht ausblendenGericht hebt ergänzenden Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur auf
Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde für den Bereich der Telekommunikation darf zwar eine Genehmigungspflicht für die Entgelte eines marktmächtigen Unternehmens grundsätzlich auch mit rückwirkender Geltung anordnen, darf bei ihrer Ermessensentscheidung aber nicht allein die Erkenntnislage in dem Zeitpunkt zugrunde legen, auf den die Genehmigungspflicht zurückbezogen wird. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls, die Deutsche Telekom AG, betreibt öffentliche Telekommunikationsnetze. Sie bietet unter anderem breitbandige digitale Datenübertragungsdienste an. Die Bundesnetzagentur stellte fest, dass die Klägerin auf einem insoweit abgegrenzten Markt über beträchtliche Marktmacht verfügt. Sie legte ihr deshalb in einer Regulierungsverfügung aus dem September 2006 verschiedene Pflichten auf, die insbesondere den Zugang von Wettbewerbern zu diesem Markt sicherstellen sollen. Sie ordnete ferner an, dass die Entgelte der Klägerin einer Genehmigungspflicht unterliegen und die Klägerin ein Standardangebot für die von ihr abzuschließenden Verträge zu veröffentlichen hat.
Bundesnetzagentur unterwirft Entgelte der Telekom rückwirkend erneut der Genehmigung und verpflichtete sie zur Veröffentlichung von Standardangeboten
Auf die Klage der Klägerin hob das Bundesverwaltungsgericht in einem früheren Revisionsverfahren unter Abweisung der Klage im Übrigen diese Regulierungsverfügung auf, soweit die Pflicht zur Entgeltgenehmigung und zur Veröffentlichung eines Standardangebots betroffen war, weil die Bundesnetzagentur das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt habe (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 28.01.2009 - BVerwG 6 C 39.07 -). Durch eine Verfügung aus dem Juni 2009 ergänzte die Bundesnetzagentur ihre Regulierungsverfügung aus dem September 2006. Sie unterwarf rückwirkend ab diesem Zeitpunkt die Entgelte der Klägerin erneut der Genehmigung und verpflichtete sie, ein Standardangebot zu veröffentlichen. Sie stellte sich dabei auf den Standpunkt, ob und welche Verpflichtungen der Klägerin nachträglich aufzuerlegen seien, beurteile sich maßgeblich nach der Sachlage, wie sie bei Erlass der Regulierungsverfügung im September 2006 bestanden habe. Alle in der Folgezeit gewonnenen Erkenntnisse müsse sie - die Bundesnetzagentur - ausblenden.
Klage der Telekom vor dem Verwaltungsgericht erfolglos
Die Klage der Klägerin gegen die ergänzende Regulierungsverfügung hat das Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Es hat unter anderem angenommen, die Pflichten aus der ursprünglichen Regulierungsverfügung und die rückwirkend erneut auferlegten Pflichten bildeten ein einheitliches Regulierungskonzept, mit der Folge, dass es für ihre Rechtmäßigkeit allein auf die Sachlage bei Erlass der ursprünglichen Regulierungsverfügung ankommen könne.
Ergänzung einer schon bestehenden Regulierungsverfügung darf nicht auf alter Sachlage aufbauen
Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die ergänzende Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hält es allerdings grundsätzlich für zulässig, eine gerichtlich aufgehobene Genehmigungspflicht unter Vermeidung des festgestellten Ermessensfehlers rückwirkend wieder anzuordnen. Die erneute Anordnung der Genehmigungspflicht und ihre Rückwirkung sind geeignet, inzwischen bereits ergangenen einzelnen Entgeltgenehmigungen nachträglich die erforderliche Grundlage wiederzuverschaffen und diese so abzusichern. Für die Rechtmäßigkeit der ergänzenden Regulierungsverfügung kommt es aber auf die Erkenntnislage zum Zeitpunkt ihres Erlasses an. Die zwischenzeitlich aufgehobene Auferlegung der Pflicht zur Entgeltgenehmigung beruhte auf der prognostischen Abschätzung der Marktentwicklung während der Regulierungsperiode. Bei der späteren Entscheidung über die erneute Auferlegung dieser Pflicht darf nicht unberücksichtigt bleiben, ob und inwieweit im Lichte aktueller Erkenntnisse die seinerzeitige Prognose weiterhin stichhaltig ist. Eine etwa erforderliche Ergänzung einer schon bestehenden Regulierungsverfügung darf nicht auf der alten Sachlage aufbauen, die möglicherweise zugunsten des Regulierungsadressaten bereits überholt ist. Ähnliche Überlegungen gelten für die rückwirkend erneuerte Pflicht, ein Standardangebot zu veröffentlichen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.12.2011
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online
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