18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen die Rücken von verschiedenen Zeitungen, die nebeneinander aufgereiht wurden.
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil23.05.2012

Abschöpfung von Werbeeinnahmen aus rechtswidrig ausgestrahlten Fernseh­sen­dungen zulässigWerbeeinnahmen aus Stefan Raabs "Bimmel-Bingo" müssen an Landes­me­di­e­n­anstalt abgeführt werden

Die Länder dürfen in ihren Landes­me­di­en­ge­setzen vorsehen, dass private Fernsehsender an die Landes­me­di­e­n­anstalt Werbeeinnahmen abführen müssen, die sie für Sendungen vereinnahmt haben, die die Landes­me­di­e­n­anstalt als rechtswidrig beanstandet. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls betreibt den Fernsehsender ProSieben, der in seinem Programm die Sendereihe "TV total" ausstrahlt. Innerhalb dieser Sendungen gab es Beiträge mit dem Titel "Bimmel-Bingo". Dabei klingelte ein Kamerateam unangekündigt nachts an Wohnungstüren, um deren Bewohner zu wecken und sie dadurch zur Mitwirkung an der Sendung zu bewegen, dass ihnen für drastisch ihre Verärgerung ausdrückende „Begrüßungssätze“ ein Geldgewinn in Aussicht gestellt wurde. Hierbei wurden regelmäßig zunächst das Klingelschild mit dem Familiennamen und später die mit Namen angesprochenen Bewohner in Schlaf­be­kleidung gezeigt. In zwei Sendebeiträgen war durch sofortiges Zuschlagen der Haustür, Herunterlassen von Jalousien oder Drohung mit der Polizei deutlich erkennbar, dass kein Einverständnis mit dem Wecken und den Filmaufnahmen bestand.

Medienanstalt Berlin-Brandenburg beanstandet unter anderem Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der Betroffenen

Unter anderem diese beiden Beiträge hat die beklagte Medienanstalt Berlin-Brandenburg auf der Grundlage einer Vorschrift des Medien­staats­ver­trages zwischen Berlin und Brandenburg beanstandet, weil sie das allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Betroffenen und ihr Recht am eigenen Bild verletzt hätten sowie das Wachklingeln und die Störung der Nachtruhe geeignet gewesen seien, die körperliche Unversehrtheit sowie das Wohlbefinden der Betroffenen bis hin zur Zufügung erheblicher Schäden zu beeinträchtigen. Zugleich hat die beklagte Medienanstalt die Klägerin aufgefordert mitzuteilen, welche Werbeeinnahmen sie im Zusammenhang mit den beanstandeten Sendungen erzielt habe.

Klägerin wendet sich gegen Verlangen nach Auskunft und Abführung der geschätzten Werbeeinnahmen

Nach fruchtlosem Ablauf der hierfür gesetzten Frist hat die beklagte Medienanstalt die Werbeeinnahmen auf 75.000 Euro geschätzt und deren Abführung an die Medienanstalt verlangt. Die Klägerin hat nach Teilrücknahme ihrer Klage sich nur noch gegen das Verlangen nach Auskunft und Abführung der geschätzten Werbeeinnahmen gewandt, hingegen nicht mehr gegen die Beanstandung der Sendebeiträge. Nachdem die Klage gegen die Abschöpfung der Werbeeinnahmen bei dem Verwal­tungs­gericht Berlin Erfolg hatte, hat das Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg die noch anhängige Klage im Berufungs­ver­fahren insgesamt abgewiesen.

Vorschrift des Medien­staats­ver­trages über Abschöpfung von Werbeeinnahmen in Bezug auf rechtswidrig ausgestrahlte Sendungen mit Grundgesetz vereinbar

Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht stellte fest, dass die hier einschlägige Vorschrift des Medien­staats­ver­trages über die Abschöpfung von Werbeeinnahmen aus einer als rechtswidrig beanstandeten Sendung mit Bundesrecht, insbesondere dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Länder besitzen die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz für den Erlass einer derartigen Regelung. Sie gehört nicht zur Regelungs­materie des Strafrechts. Für sie besitzt allerdings der Bund die konkurrierende Gesetz­ge­bungs­kom­petenz. Von ihr hat er mit dem Strafgesetzbuch auch durch den Erlass von Vorschriften Gebrauch gemacht, die den Verfall von Vermögenswerten vorsehen, die aus einer Straftat erlangt sind. Die Beanstandung einer Fernsehsendung durch die Medienanstalt und als deren Folge die Abschöpfung der Werbeeinnahmen knüpft jedoch an die Rechts­wid­rigkeit der ausgestrahlten Sendung an. Die Rechts­wid­rigkeit kann sich aus einem Verstoß gegen Straf­vor­schriften, aber auch aus einem Verstoß gegen jede andere Rechtsnorm ergeben. Die Beanstandung einer Sendung und die Abschöpfung der Werbeeinnahmen sind Maßnahmen der Medienaufsicht, durch die nicht straf­recht­liches Unrecht sanktioniert, sondern die Einhaltung der rundfunk­recht­lichen Bindungen effektiv sichergestellt werden soll, denen die privaten Rundfunk­ver­an­stalter unterliegen. Soweit eine beanstandete Sendung zugleich einen Straftatbestand erfüllt und deshalb in einem Strafverfahren der Verfall der Werbeeinnahmen angeordnet werden kann, kann die Medienanstalt durch entsprechende Regelungen in ihrem Bescheid sicherstellen, dass der Fernseh­ver­an­stalter nicht doppelt in Anspruch genommen werden kann. Die Regelung verstößt nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleich­be­handlung, weil für öffentlich- rechtliche Rundfunk­an­stalten eine Beanstandung von Sendungen mit Abschöpfung erzielter Werbeeinnahmen nicht vorgesehen ist. Die privaten Rundfunk­ver­an­stalter einerseits und die öffentlich-rechtlichen Rundfunk­an­stalten andererseits unterliegen im Rahmen der dualen Ordnung des Rundfunks einer unter­schied­lichen Rundfunkaufsicht mit jeweils eigenständigen Zuständigkeiten und Regelungen. Die Mittel der Rundfunkaufsicht müssen deshalb nicht identisch sein.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil13536

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI