22.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil30.10.2019

Indizierung des Bushido-Albums "Sonny Black" wegen Jugend­ge­fährdung rechtmäßigAlbum weist weitgehend gewalt­verherrlichende und massiv diskri­mi­nierende Songtexte auf

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass ein Album mit weitgehend gewalt­verherr­li­chenden und massiv diskri­mi­nie­renden Songtexten als jugend­ge­fährdend indiziert werden kann.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, der bekannte Rapper Bushido, brachte ein Album mit 15 Titeln heraus, deren Texte den kriminellen Lebenswandel der Titelfigur, die von dieser begangenen Straftaten und deren permanente Gewalt­be­reit­schaft beschreiben, sowie nahezu durchgängig herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf Frauen und Homosexuelle in vulgärer Sprache enthalten. Innerhalb weniger Wochen nach der Veröf­fent­lichung wurden mehr als 100.000 Exemplare verkauft. Ein halbes Jahr später leitete die Bundes­prüf­stelle für jugend­ge­fährdende Medien das Indizie­rungs­ver­fahren ein. Dieses führte dazu, dass die Bundes­prüf­stelle entschied, das Album in die Liste der jugend­ge­fähr­denden Medien einzutragen. Eine solche Eintragung zieht unmittelbar kraft Gesetzes Verbreitungs- und Werbeverbote nach sich, die verhindern sollen, dass sich Minderjährige das indizierte Werk beschaffen können.

Album kommt keine gesteigerte künstlerische Bedeutung zu

Die Bundes­prüf­stelle gab zur Begründung an, die das Album dominierenden gewalt­ver­herr­li­chenden und grob diskri­mi­nie­renden Passagen seien geeignet, schädliche Wirkungen auf gefähr­dungs­ge­neigte, d.h. besonders empfängliche Minderjährige auszuüben. Es bestehe eine hohe Wahrschein­lichkeit, dass das Album die Einstellungen und das Verhalten dieser Minderjährigen beeinflusse. Die Botschaft, dass eine skrupellos kriminelle Lebensweise, verbunden mit der Demütigung anderer, zum Erfolg führe, sei geeignet, Empathie und Solidarität mit anderen als hinderliche Schwäche anzusehen, Verachtung anderer zu fördern und ein feindseliges Klima herzustellen. Die Indizierung könne nicht wegen des Kunstgehalts des Tonträgers unterbleiben. Die Abwägung ergebe, dass dem Jugendschutz Vorrang vor der Kunstfreiheit einzuräumen sei. Das Album habe Unter­hal­tungswert; eine gesteigerte künstlerische Bedeutung komme ihm nicht zu.

OVG: Kunstgehalt des Albums von Bundes­prüf­stelle nicht vollständig erfasst

Das Verwal­tungs­gericht wies Köln die Klage abgewiesen, das Oberver­wal­tungs­gericht Nordrhein-Westfalen gab ihr statt. Dabei stellte das Gericiht ausschließlich darauf ab, dass die Bundes­prüf­stelle den Kunstgehalt nicht vollständig erfasst habe, weil sie die an einzelnen Titeln des Albums mitwirkenden Texter und Komponisten nicht ordnungsgemäß angehört habe. Dies könne im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden, weil der Bundes­prüf­stelle für die Abwägungs­ent­scheidung ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurtei­lungs­spielraum eröffnet sei.

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht führte seine Rechtsprechung aus den 1990er-Jahren nicht fort und erkannte einen Beurtei­lungs­spielraum der Bundes­prüf­stelle nicht mehr an. Ein solcher Beurtei­lungs­spielraum sei mit der Rechts­schutz­ga­rantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Ein Sachgrund für die Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolle einer Indizie­rungs­ent­scheidung sei nicht gegeben. Die pluralistische Zusammensetzung der Bundes­prüf­stelle reiche hierfür ebenso wenig aus wie deren Weisungs­u­n­ab­hän­gigkeit. Die tatsächlichen Feststellungen und Wertungen der Bundes­prüf­stelle zu den jugend­ge­fähr­denden Wirkungen und dem künstlerischen Stellenwert eines Kunstwerks seien sachverständige Aussagen, rechtfertigen aber nicht die Annahme eines Beurtei­lungs­spielraums. Daher könne allein wegen der unterbliebenen Anhörung der weiteren am Album beteiligten Künstler im Verwal­tungs­ver­fahren die Indizie­rungs­ent­scheidung nicht aufgehoben werden.

Indizierung rechtmäßig

Die Indizie­rungs­ent­scheidung erweise sich als rechtmäßig. Aus den Feststellungen der Bundes­prüf­stelle ergebe sich, dass das Album nach den von diesem zutreffend zugrunde gelegten Maßstäben jugend­ge­fährdende Wirkungen habe. Der Kläger habe diese sachverständige Beurteilung nicht zu erschüttern vermocht. Gleiches gelte für die Beurteilung des Kunstgehalts des Albums als bloße Unterhaltung, auch unter Berück­sich­tigung des vom Kläger vorgelegten Gutachtens.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm/kg)

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