Bundesverwaltungsgericht Urteil20.03.2012
Kein Anspruch auf deutsche Staatsangehörigkeit bei Verurteilung zur Geldstrafe von 120 TagessätzenÜberschreitung der Bagatellgrenze um ein Drittel ist nicht „geringfügig“
Es besteht kein Anspruch auf die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn der Einbürgerungsbewerber zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hervor.
Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist irakischer Staatsangehöriger und lebt seit 2000 in Deutschland. Im Jahr 2004 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Seinen Antrag auf Einbürgerung lehnte die beklagte Stadt Köln unter Hinweis auf diese strafgerichtliche Verurteilung ab.
Oberverwaltungsgericht sieht gesetzliche Bagatellgrenze von bis zu 90 Tagessätzen für nur „geringfügig“ überschritten
Die vom Kläger erhobene Klage auf Einbürgerung hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht der Berufung des Klägers stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, den Einbürgerungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die gesetzliche Bagatellgrenze von bis zu 90 Tagessätzen sei nur „geringfügig“ überschritten, weshalb die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens darüber zu befinden habe, ob sie die Verurteilung unberücksichtigt lasse.
Überschreitung der so genannten Bagatellgrenzen um 30 Tagessätze nicht als „geringfügig“ zu betrachten
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Ein Einbürgerungsanspruch besteht grundsätzlich nicht, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes - StAG*). Eine Ausnahme macht das Gesetz für Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen oder drei Monaten Freiheitsstrafe (§ 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG**). Übersteigt die Strafe diese so genannten Bagatellgrenzen, kann sie die Einbürgerungsbehörde zwar als weitere Ausnahme noch im Wege einer Ermessensentscheidung außer Betracht lassen. Dies setzt aber voraus, dass die Strafe den vorgegebenen Rahmen (von 90 Tagessätzen) nur „geringfügig“ übersteigt (§ 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG). Das ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bei einer Überschreitung um 30 Tagessätze und damit um ein Drittel nicht der Fall.
* § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG lautet auszugsweise:
"(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 des Aufenthaltsgesetzes oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn er
[…]
5. weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, […]"
**§ 12 a Abs. 1 StAG lautet auszugsweise:
"(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:
1. die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2. Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3. Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. […]"
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.03.2012
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online