21.11.2024
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Dokument-Nr. 6536

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Verwaltungsgericht Wiesbaden Urteil04.08.2008

Bei Einbürgerung müssen Schwer­be­hin­derung, Aufent­haltsdauer und Datum einer Straftat berücksichtigt werdenBehörde muss über den Antrag auf Einbürgerung eines straffälligen Inders neu entscheiden

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat der Klage eines Inders überwiegend stattgegeben, dessen Einbür­ge­rungs­antrag von der Einbür­ge­rungs­behörde abgelehnt worden war. Die Behörde wird über seinen Antrag neu zu entscheiden haben.

Der Kläger, der sich seit über 26 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ist mit einer Deutschen verheiratet und hat zwei Töchter, ebenfalls mit deutscher Staats­an­ge­hö­rigkeit. Wegen Steuer­straftaten und der Vorenthaltung von Sozia­l­ver­si­che­rungs­leis­tungen war der Kläger durch Strafbefehl des Amtsgerichts Wiesbaden vom 26.03.2007 zu einer Gesamt­geldstrafe von 600 Tagessätzen verurteilt worden. Im Spätsommer 2007 erlitt der Kläger, der zusammen mit seiner Frau ein Taxiunternehmen im Rheingau betreibt, einen schweren Verkehrsunfall, infolge dessen er sich einer Herzoperation mit einer Totalentfernung und einer Implantation eines Kunstherzens unterziehen musste. Der Kläger ist nunmehr zu 100 % schwerbehindert.

Gericht: Bei der Einbürgerung kann von der laut Gesetz geforderten Straffreiheit" abgesehen werden, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist

Das Gericht folgte in seiner Entscheidung zwar der Auffassung der Einbür­ge­rungs­behörde, wonach auch für die unter erleichterten Bedingungen stattfindende Einbürgerung von Ehegatten deutscher Staats­an­ge­höriger grundsätzlich vorausgesetzt werde, dass der Einbür­ge­rungs­willige nicht wegen rechtswidriger Taten zu einer Straftat verurteilt worden ist. Im Hinblick auf die Zielsetzung der Vorschrift, nämlich dass eine einheitliche Staats­an­ge­hö­rigkeit in der Familie wünschenswert ist, könne nach dem Gesetz aber von der geforderten "Straffreiheit" abgesehen werden, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich sei. Eine solche besondere Härte sah das Gericht ohne Zweifel in dem Umstand, dass der Kläger aufgrund eines Verkehrsunfalls im letzten Jahr nur aufgrund des technischen Fortschritts in der Medizin überhaupt noch am Leben ist, da sein Herz entfernt werden musste und er derzeit an ein Kunstherz angeschlossen ist. Sein weiteres Lebensschicksal hängt davon ab, dass für ihn ein passendes Spenderherz gefunden wird. Eine Begründung dafür, warum die Einbür­ge­rungs­behörde die Schwerst­be­hin­derung des Klägers zu 100 % nicht berücksichtigte, obwohl eine Behinderung als besondere Härte seit längerem in den Einbür­ge­rungs­hin­weisen anerkannt ist, war für das Gericht nicht erkennbar.

Gericht: Gesamtschau aller Umstände ist erforderlich

Darüber hinaus habe die Einbür­ge­rungs­behörde auch das ihr zustehende Ermessen überhaupt nicht ausgeübt. Bei einer erneuten Entscheidung über den Antrag des Klägers wird die Einbür­ge­rungs­behörde nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen haben, dass die letzte Tat, deretwegen der Kläger verurteilt wurde, bereits am 15.07.2002 erfolgt ist und sich das Strafverfahren von Mitte 2002 bis zum Frühjahr 2007 hinzog. Der Kläger habe ausweislich der Strafakten damals wesentlich zur Ermittlung und Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen und alles getan, um das Verfahren zu beschleunigen. Die Behörde habe ebenfalls nicht in ihre Überlegungen eingestellt, dass das Strafmaß für die begangenen Straftaten im untersten Rahmen gelegen habe, der Kläger ansonsten nach einem Aufenthalt von über 26 Jahren in Deutschland ein hohes Maß an Integration aufweise, eine deutsche Ehefrau und zwei deutsche Kinder habe und nunmehr ein schweres persönliches Lebensschicksal erlitten habe. Dies führe, so das Gericht, in der Gesamtschau zu einer Verdichtung seines Einbür­ge­rungs­an­spruchs. Da weitere Voraussetzungen für die Einbürgerung von der zuständigen Behörde bislang nicht geprüft wurden, bedarf es insoweit einer weiteren Sachaufklärung durch die Behörde, weshalb eine Verpflichtung, den Kläger einzubürgern, vom Gericht nicht ausgesprochen werden konnte, sondern nur dessen Neubescheidung.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 08/08 des VG Wiesbaden vom 18.08.2008

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