21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit verschiedenen Schreibutensilien, sowie einen Holzstempel auf einem Stempelkissen.
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil28.09.2017

Vorsorgliche Brust­drüsen­entfernung bei erhöhtem Brust­kre­bs­risiko kann beihilfefähig seinEntscheiden ist individuelles Risiko des Einzelnen

Das wegen familiärer Vorbelastung und einer Genmutation erhöhte Risiko einer Frau, an Brustkrebs zu erkranken, kann eine Krankheit im beihil­fe­recht­lichen Sinne darstellen. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Die 1975 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist beihil­fe­be­rechtigte Beamtin des Landes Hessen. Zwei ihrer Verwandten in direkter mütterlicher Linie waren an Brustkrebs erkrankt. Bei ihr besteht eine BRCA2-Genmutation, was ein erhöhtes Risiko begründet, an Brustkrebs zu erkranken. Deshalb wurde sie als Hochri­si­ko­pa­tientin eingestuft. Ihr Ersuchen auf Übernahme der Kosten einer vorsorglichen operativen Brust­drü­senent­fernung und nachfolgender Implan­ta­tre­kon­struktion im Rahmen der beamten­recht­lichen Beihil­fe­ge­währung wurde abgelehnt. Während des erstin­sta­nz­lichen Klageverfahrens ließ sich die Klägerin operieren.

Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Das Berufungs­gericht führte zur Begründung aus, dass der beihil­fe­rechtliche Krank­heits­begriff im Lichte der verfas­sungs­rechtlich verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch ein deutlich erhöhtes Brust­kre­bs­risiko erfasse. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Bei ihr bestehe eine Wahrschein­lichkeit von etwa 80 %, an Brustkrebs zu erkranken.

Geltend gemachter Beihil­fean­spruch setzt Vorliegen einer Krankheit voraus

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Urteil des Berufungs­ge­richts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Der geltend gemachte Beihil­fean­spruch setzt das Vorliegen einer Krankheit voraus. Der beihil­fe­rechtliche Krank­heits­begriff deckt sich im Grundsatz dem entsprechenden Begriff im Recht der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung, wie er durch die Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts entwickelt worden ist. Danach ist - neben anderen Voraussetzungen - grundsätzlich nur krank, wer in seinen körperlichen oder geistigen Funktionen beeinträchtigt ist. Bei der nicht an Brustkrebs erkrankten Klägerin fehlt es an einer Funkti­o­ns­be­ein­träch­tigung.

Bundes­so­zi­al­gericht sieht Ausnahmen bei erhöhtem Erkran­kungs­risiko

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat aber in Fällen eines erhöhten Erkran­kungs­risikos verschie­dentlich auch ohne aktuelle Funkti­o­ns­be­ein­träch­tigung das Vorliegen einer Krankheit angenommen. Dies berück­sich­tigend liegt eine Krankheit im beihil­fe­recht­lichen Sinn auch dann vor, wenn die auf Tatsachen gestützte konkrete Gefahr einer schwerwiegenden Gesund­heits­schä­digung besteht und die schädigenden Folgen, die im Falle des Ausbruchs der Krankheit einträten, so schwer sind, dass die Behand­lungs­be­dürf­tigkeit bereits vor Realisierung der Gefahr zu bejahen ist, weil der Betroffenen bei wertender Gesamt­be­trachtung nicht zuzumuten ist, dem Geschehen seinen Lauf zu lassen und sich auf die Inanspruchnahme von Früher­ken­nungs­maß­nahmen zu beschränken. Insoweit ist hier nicht nur das statistische Lebens­zei­trisiko zu berücksichtigen, also die Wahrschein­lichkeit, innerhalb der üblichen Lebensspanne an Brustkrebs zu erkranken. Jedenfalls auch in den Blick zu nehmen sind das individuelle Risiko, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erkranken, und das Vorhandensein von Früher­ken­nungs­maß­nahmen, die hinreichend sensitiv sind, um bei festgestellter Brust­kre­bs­er­krankung gute Heilungschancen zu bieten. Aus Verfas­sungsrecht, insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, ergeben sich keine anderen Voraussetzungen für die Bewertung eines Erkran­kungs­risikos als Krankheit.

Rückweisung der Sache an den Verwal­tungs­ge­richtshof

Die bisherigen Feststellungen des Berufungs­ge­richts reichen für die erforderliche wertende Gesamt­be­trachtung nicht aus. Deshalb ist die Sache an den Verwal­tungs­ge­richtshof zur weiteren Sachaufklärung zurück­zu­ver­weisen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil24912

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI