21.11.2024
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Verwaltungsgericht Darmstadt Urteil13.05.2015

Kosten einer vorbeugenden Brustoperation können erstat­tungsfähig seinKosten für prophylaktische Brustoperation einer Trägerin des BRCA-2-Gens sind als beihilfefähig anzuerkennen

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt hat sich mit der Frage befasst, ob die Kosten einer prophy­lak­tischen Brustoperation mit Implantat­rekonstruktion durch den Dienstherrn als beihilfefähige Aufwendungen anzuerkennen sind.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, eine Beamtin des Landes Hessen, ist erwiesenermaßen Trägerin des BRCA-2-Gens. Hierbei handelt es sich um ein Gen, das bei einer entsprechenden familiären Vorbelastung mit hoher Wahrschein­lichkeit bei der Trägerin zu einer Brust­kre­bs­er­krankung führen wird; die Wahrschein­lichkeit liegt bei über 80 %.

Klägerin ist nach Einschätzung der Ärzte Hochri­si­ko­pa­tientin

Im Falle der Klägerin sind die entsprechenden familiären Vorbelastungen gegeben, mehrere weibliche Mitglieder der Familie sind an Brustkrebs erkrankt bzw. Trägerinnen des Gens. Nach ärztlichem Urteil handelt es sich bei der Klägerin um eine Hochri­si­ko­pa­tientin.

Behörde lehnt Kosten­über­nah­me­zusage für prophylaktische Operation ab

Den Antrag der Klägerin, ihr eine Kosten­über­nah­me­zusage für die von ihr beabsichtigte Operation zu erteilen, lehnte die Behörde ab. Erstattungen nach den Vorschriften der Hessischen Beihil­fen­ver­ordnung kämen dann in Betracht, wenn es sich um eine anerkannte Früher­ken­nungs­maßnahme handele. Dies sei hier zu verneinen, da eine Brustoperation der in Rede stehenden Art keine Früher­ken­nungs­maßnahme darstelle. Ansonsten seien Aufwendungen für ärztliche Maßnahmen dann beihilfefähig, wenn sie aus Anlass einer Krankheit erfolgten. Bei der Klägerin handele es sich indes um eine "gesunde BRCA-2-Trägerin", denn eine Krebserkrankung liege bislang nicht vor.

VG bejaht Anerkennung der Kosten für vorbeugende Brustoperation als Beihilfen

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt entschied, dass die Kosten für die vorbeugende Brustoperation als beihilfefähig anzuerkennen sind. Zwar sei es richtig, dass die Vorschriften der derzeit gültigen Hessischen Beihil­fen­ver­ordnung eine Anerkennung derartiger Kosten nicht vorsehen. Es sei aber zu bedenken, dass die Beihil­fen­ver­ordnung Ausfluss des in Art. 33 Abs. 5 GG normierten Grundsatzes der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten sei. Grundsätzlich kommt der Dienstherr dieser Verpflichtung nach, indem er in den Vorschriften der Beihil­fen­ver­ordnung regelt, welche Aufwendungen er in Krank­heits­fällen als beihilfefähig anerkennt. Keineswegs besteht eine Verpflichtung des Dienstherrn, die Beamtin bzw. den Beamten von jedweder finanziellen Belastung im Krankheitsfall freizustellen. Er ist jedoch verpflichtet, die Beamtin bzw. den Beamten vor unzumutbaren Belastungen zu schützen. Dieser Verpflichtung kommt er durch die einschlägigen beihil­fe­recht­lichen Vorschriften nach, sodass in aller Regel auch unter Hinweis auf die Fürsorgepflicht weitergehende Ansprüche nicht bestehen.

Auferlegung der gesamten Kosten eines vorbeugenden Eingriffs für Beamtin nicht zumutbar

Die Besonderheit dieses Falles liegt nach Auffassung des Gerichts jedoch darin, dass ausdrücklich in Bezug auf Krebs­er­kran­kungen die Aufwendungen für Früher­ken­nungs­maß­nahmen als beihilfe- und somit als teilweise erstat­tungsfähig anerkannt sind. Gleiches gilt auch für diejenigen Aufwendungen, die im Falle des Ausbruchs der Krebserkrankung für die ärztliche Behandlung entstehen. Kosten, die im Zusammenhang mit einer ärztlichen Intervention zur Erhaltung der Gesundheit in einem dazwischen liegenden Stadium entstehen, also jenseits der Früher­ken­nungs­maß­nahmen und vor der Behandlung einer zum Ausbruch gekommenen Krebserkrankung, sind nach derzeit geltendem hessischen Beihilferecht jedoch nicht erstat­tungsfähig, weil es der Dienstherr bislang unterlassen hat, eine diesbezügliche Regelung zu treffen. Mit Blick auf die dem Dienstherrn obliegende Fürsorgepflicht erachtet es das Verwal­tungs­gericht im Falle der Klägerin als geboten, diese Lücke durch eine richterliche Entscheidung zu schließen. Die gegenwärtige Situation stellt sich als gravierende, weil die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzende Untätigkeit des Dienstherrn dar, denn angesichts der Schwere und dem häufig tödlichen Verlauf der einer BRCA-2-Trägerin drohenden Erkrankung ist es für die Klägerin nicht zumutbar, ihr die gesamten Kosten eines vorbeugenden Eingriffs aufzuerlegen. Dementsprechend hat das Verwal­tungs­gericht das Land Hessen verpflichtet, die Kosten der prophy­lak­tischen Brustoperation als beihilfefähig anzuerkennen und anteilmäßig zu erstatten.

Hessisches Beamtengesetz (HBG)

§ 80 Beihilfe

(1) Anspruch auf Beihilfen haben

1. Beamtinnen und Beamte und entpflichtete Hochschul­leh­re­rinnen und Hochschullehrer,

2. Versor­gungs­emp­fän­ge­rinnen und Versor­gungs­emp­fänger sowie frühere Beamtinnen und Beamte, die wegen Dienst­un­fä­higkeit oder Erreichens der Altersgrenze entlassen worden oder wegen Ablaufs der Amtszeit ausgeschieden sind,

3. Witwen und Witwer sowie hinterbliebene Leben­s­part­ne­rinnen und hinterbliebene Lebenspartner und

4. Waisen, wenn und solange sie Dienstbezüge, Amtsbezüge, Anwärterbezüge, Ruhegehalt, Überg­angs­ge­bührnisse aufgrund gesetzlichen Anspruchs, Witwengeld, Witwergeld, Waisengeld oder Unter­halts­beitrag erhalten [...]

(3) Beihilfen werden in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen, für Maßnahmen zur Gesund­heits­vorsorge, zur Früherkennung von Krankheiten, bei Schutzimpfungen, nicht rechtswidrigen Sterilisationen und nicht rechtswidrigen Schwan­ger­schafts­ab­brüchen gewährt. Beihilfefähig sind die Aufwendungen nach Satz 1 für Maßnahmen, die medizinisch notwendig und in ihrer Wirksamkeit nachgewiesen sind, bei denen die Leistungs­er­bringung nach einer wissen­schaftlich allgemein anerkannten Methode erfolgt und die wirtschaftlich angemessen sind. Daneben kann durch Rechts­ver­ordnung nach Abs. 5 die Beihil­fe­fä­higkeit vom Vorliegen bestimmter medizinischer Indikationen abhängig gemacht werden.

Hessische Beihil­fen­ver­ordnung (HBeihVO)

§ 6 Beihilfefähige Aufwendungen bei Krankheit

(1) Aus Anlass einer Krankheit sind beihilfefähig die Aufwendungen für

[...]

6. stationäre, teilstationäre und vor- und nachstationäre Kranken­haus­leis­tungen nach der Bundes­pfle­ge­satz­ver­ordnung vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098), oder nach dem Kranken­hau­sent­gelt­gesetz vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412, 1422), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098), und zwar [...]

§ 10 Beihilfefähige Aufwendungen bei Früherkennungs- und Vorsor­ge­maß­nahmen

(1) Aus Anlass von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten sind beihilfefähig

[...]

3. bei Frauen vom Beginn des zwanzigsten, bei Männern vom Beginn des fünfund­vier­zigsten Lebensjahres an die Aufwendungen für jährlich eine Untersuchung zur Früherkennung von Krebs­er­kran­kungen, [...]

Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt/ra-online

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