15.11.2024
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Dokument-Nr. 23762

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Urteil26.01.2017BundesverwaltungsgerichtBVerwG 3 C 21.15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • zfs 2017, 355Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2017, Seite: 355
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Vorinstanzen:
  • Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil18.03.2015, RO 8 K 15.249
  • Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil11.08.2015, 11 BV 15.909
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil26.01.2017

BVerwG zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von acht PunktenWarn- und Erzie­hungs­funktion des gestuften Maßnah­men­systems muss hinter Schutz der Verkehrs­si­cherheit vor Mehrfachtätern zurücktreten

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass eine Fahrerlaubnis auch dann wegen des Erreichens von acht oder mehr Punkten zu entziehen ist, wenn dieser Punktestand bereits bei Verwarnung des Fahr­erlaubnis­inhabers gegeben, der Fahr­erlaubnis­behörde aber noch nicht bekannt war. Eine Verringerung des Punktestandes auf sieben Punkte, die vorgesehen ist, wenn die Fahr­erlaubnis­behörde einen Fahr­erlaubnis­inhaber trotz Erreichens von acht oder mehr Punkten erst noch verwarnen muss, kann in einem solchen Fall nicht beansprucht werden.

Der Kläger des zugrunde liegenden Rechtsstreits wandte sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewer­tungs­systems (§ 4 StVG). Mit Bescheid vom 13. Februar 2015 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger, der mit Schreiben vom 21. Januar 2015 wegen des Erreichens von sieben Punkten im Fahreig­nungs­re­gister verwarnt worden war, die Fahrerlaubnis; er habe mit einer am 10. März 2014 begangenen und mittlerweile auch rechtskräftig geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitung neun Punkte erreicht und damit die Schwelle von acht Punkten überschritten, ab der er gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gelte.

VG beanstandet nicht ordnungsgemäß durchlaufene Stufen des Maßnah­men­ka­talogs

Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwal­tungs­gericht Regensburg stattgegeben. Im Fall des Klägers seien die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StVG vorgesehenen Stufen des Maßnah­men­ka­talogs (Ermahnung - Verwarnung - Fahrer­laub­nis­ent­ziehung) nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden; der zur Fahrer­laub­nis­ent­ziehung führende Verkehrsverstoß sei zum Zeitpunkt der Verwarnung bereits begangen, rechtskräftig geahndet und auch im Fahrer­laub­nis­re­gister eingetragen gewesen. Deshalb verringere sich der Punktestand des Klägers auf sieben Punkte.

VGH weist Klage ab

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat dieses Urteil auf die Berufung des Beklagten geändert und die Klage abgewiesen. Eine Punkte­re­du­zierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG trete nur ein, wenn der Fahrer­laub­nis­behörde beim Ergreifen der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG weitere Verkehrs­verstöße, die zur nächsten Stufe des Maßnah­men­ka­talogs - hier der Fahrer­laub­nis­ent­ziehung - führten, auch bereits bekannt gewesen seien. Hier habe die Fahrer­laub­nis­behörde von der am 10. März 2014 begangenen Geschwin­dig­keits­über­schreitung zum Zeitpunkt der Verwarnung noch nichts gewusst.

Maßgeblich für Rechtmäßigkeit einer Anordnung ist Kenntnistand der Fahrer­laub­nis­behörde zum Zeitpunkt des Ergreifens dieser Maßnahme

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Gesetzgeber hat mit der Reform des Punktesystems und den dazu im Dezember 2014 in Kraft getretenen Änderungen die Warn- und Erzie­hungs­funktion des gestuften Maßnah­men­systems des § 4 Abs. 5 StVG hinter den Schutz der Verkehrs­si­cherheit vor Mehrfachtätern zurücktreten lassen. Ein Fahrer­laub­nis­inhaber kann nicht mehr mit Erfolg geltend machen, er habe den weiteren Verkehrsverstoß, der zum Überschreiten der Acht-Punkte-Grenze führe, bereits vor der Erteilung der Verwarnung begangen, so dass ihn deren Warnfunktion nicht mehr habe erreichen können. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Verwarnung und einer nachfolgenden Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach der geänderten gesetz­ge­be­rischen Konzeption - insoweit in bewusster Abkehr vom sogenannten Tattagprinzip - der Kenntnistand, den die Fahrer­laub­nis­behörde bei Ergreifen der jeweiligen Maßnahme hat. Gleiches gilt für die Punkte­re­du­zierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG. Auch sie tritt nur ein, wenn der Fahrer­laub­nis­behörde die weiteren, zum Erreichen von acht oder mehr Punkten führenden Verkehrs­verstöße bereits bei der Verwarnung bekannt waren. Der vom Gesetzgeber vorgenommene "Systemwechsel" ist verfas­sungs­rechtlich im Hinblick auf das Rückwir­kungs­verbot und den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz nicht zu beanstanden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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