21.11.2024
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Dokument-Nr. 21206

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Urteil18.06.2015BundesverwaltungsgerichtBVerwG 2 C 9.14, BVerwG 2 C 25.14 und BVerwG 2 C 19.14
Vorinstanzen zu BVerwG 2 C 9.14:
  • Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil23.03.2010, 17 K 1273/07.OL
  • Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil26.06.2013, 81 D 1.10
Vorinstanzen zu BVerwG 29.14:
  • Verwaltungsgericht Meiningen, Urteil28.02.2013, 6 D 60001/12
  • Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil17.09.2013, 8 DO 292/13
Vorinstanzen zu BVerwG 2 C 19.14:
  • Verwaltungsgericht Berlin, Urteil20.10.2009, 80 Dn 64.08
  • Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil29.05.2013, 80 D 8.09
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil18.06.2015

Außer­dienst­licher Besitz kinder­porno­graphischer Bild- oder Videodateien kann bei Polizeibeamten zur Entfernung aus dem Dienst führenEntfernung aus dem Beamten­ver­hältnis wegen gravierender Pflicht­ver­letzung rechtmäßig

Der außer­dienstliche (d.h. private) Besitz von kinder­porno­graphischen Bild- oder Videodateien hat bei Polizeibeamten wegen ihres Amtes und des in sie gesetzten Vertrauens stets den für eine diszi­pli­na­rische Ahndung erforderlichen Amtsbezug. Der Orien­tie­rungs­rahmen für die Bemessung der Diszi­pli­n­a­r­maßnahme ist in solchen Fällen bis zur Höchstmaßnahme eröffnet, kann also zur Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis führen. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Nach der in den drei Verfahren maßgeblichen, seit 2004 geltenden Rechtslage wurde der Besitz kinderpor­no­gra­phischer Schriften (dazu zählen auch Bild- und Videodateien) mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 184 b Abs. 4 StGB a.F.); wurde einem anderen der Besitz verschafft, reichte die Strafandrohung bis zu fünf Jahren (§ 184 b Abs. 2 StGB a.F.). Erst Anfang 2015 hat der Gesetzgeber den Strafrahmen für den Besitz kinderpor­no­gra­phischer Bilddateien um ein Jahr auf drei Jahre erhöht (nun § 184 b Abs. 3 StGB n.F.).

Sachverhalt

Die drei Revisi­ons­ver­fahren betreffen Polizeibeamte im Landesdienst von Brandenburg, Thüringen und Berlin. Der Beamte im ersten Verfahren (BVerwG 2 C 9.14) ist Polizei­kom­missar (Besol­dungs­gruppe A 9) und war zuletzt im Wach- und Wechseldienst eingesetzt. Der Beamte des zweiten Verfahrens (BVerwG 2 C 25.14) ist Krimi­na­l­haupt­kom­missar (Besol­dungs­gruppe A 12) und leitete zuletzt das Büro einer Krimi­na­l­po­li­zei­in­spektion. Der Beamte des dritten Verfahrens (BVerwG 2 C 19.14) ist Polizei­haupt­kom­missar (Besol­dungs­gruppe A 12) und wurde zuletzt als Sachbearbeiter in Grund­satz­an­ge­le­gen­heiten eingesetzt.

Den Beamten wurde von den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden jeweils vorgeworfen, auf privat genutzten Datenträgern (Mobiltelefon, PC, Disketten) kinderpor­no­gra­phische Bild- oder Videodateien besessen (und im dritten Fall zusätzlich einem anderen verschafft) zu haben. Der Beamte des Verfahrens BVerwG 2 C 9.14 ist durch rechtskräftiges Strafurteil zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Fall des Beamten des Verfahrens BVerwG 2 C 25.14 ist das Strafverfahren nach Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153 a Abs. 1 StPO eingestellt worden. Der Beamte des Verfahrens 2 C 19.14 ist durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl wegen Besitzes und zusätzlich wegen Besitz­ver­schaffung von kinderpor­no­gra­phischen Schriften zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden.

Beamte werden während Diszi­pli­na­r­kla­ge­ver­fahrens aus dem Beamten­ver­hältnis entfernt

Im jeweils nachfolgenden Diszi­pli­na­r­kla­ge­ver­fahren sind alle drei Beamte aus dem Beamten­ver­hältnis entfernt worden. Die Oberver­wal­tungs­ge­richte sind bezüglich der kinderpor­no­gra­phischen Bilddateien von einem außer­dienst­lichen Verhalten ausgegangen; sie haben den für ein Dienstvergehen erforderlichen Dienstbezug aber wegen der mit dem Amt eines Polizeibeamten verbundenen besonderen Dienstpflichten bejaht. Bei dem Beamten des Verfahrens BVerwG 2 C 25.14 hat das Berufungs­gericht erschwerend berücksichtigt, dass der Polizeibeamte unbefugt, d.h. ohne dass hierzu ein dienstlicher Anlass bestand, im polizeilichen EDV-System perso­nen­be­zogene Daten minderjähriger Mädchen abgefragt hat.

Diszi­pli­na­rische Maßnahmen bei bestehendem Bezug zwischen begangener Straftaten und Pflichten des Beamten gerechtfertigt

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision der Polizeibeamten in allen drei Fällen zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass außerhalb des Dienstes zwar heute auch von Beamten kein besonders vorbildhaftes Sozialverhalten mehr erwartet wird, sodass außer­dienstliche Verfehlungen nur unter besonderen Voraussetzungen zu Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen des Dienstherrn berechtigen. Straftaten rechtfertigen diszi­pli­na­rische Maßnahmen jedenfalls dann, wenn ein Bezug zwischen den begangenen Straftaten und den mit dem Amt des Beamten verbundenen Pflichten besteht. Beim außer­dienst­lichen Besitz kinderpor­no­gra­phischer Bild- oder Videodateien ist dies bereits entschieden für Lehrer wegen ihrer spezifischen Schutz- und Obhutspflichten gegenüber Kindern und Jugendlichen.

Vertrauen in Polizeibeamte wird durch Begehen erheblicher Straftaten beeinträchtigt

Auch bei Polizeibeamten besteht ein solcher Bezug zwischen dem Besitz kinderpor­no­gra­phischen Materials und ihrer Amtsstellung. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhindern, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen in der Bevölkerung eine herausgehobene Vertrauens- und Garan­ten­stellung. Dieses für die Ausübung ihres Berufs unabdingbare Vertrauen wird beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte erhebliche Straftaten begehen. Das gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten mit der Verfolgung gerade solcher Delikte betraut ist oder mit Kindern oder Jugendlichen Kontakt hat. Insoweit nehmen Polizeibeamte wegen ihres Amtes (Statusamtes) eine besondere Stellung ein.

Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis möglich

Straftaten, für die der Gesetzgeber eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren vorgesehen hat und die einen Bezug zur Amtsstellung des Beamten aufweisen, lassen Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis zu. Die Ausschöpfung dieses Rahmens bedarf indes der Würdigung der Schwere der von dem Beamten begangenen Verfehlungen und seiner Schuld. Hier sind z.B. Anzahl und Inhalt der Bilddateien von Bedeutung. Dem von den Strafgerichten ausgesprochenen Strafmaß kommt dabei eine indizielle Bedeutung zu. Das Strafrecht und das beamten­rechtliche Diszi­pli­na­r­ver­fahren verfolgen unter­schiedliche Zwecke. Wird das Strafverfahren eingestellt, bedarf es regelmäßig besonderer Umstände, um gleichwohl von einer für die Höchstmaßnahme erforderlichen Schwere des Dienstvergehens ausgehen zu können.

Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis in den vorliegenden Verfahren gerechtfertigt

Nach diesen Grundsätzen war in allen drei Verfahren die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis die angemessene Diszi­pli­n­a­r­maßnahme. Das gilt auch im Verfahren BVerwG 2 C 25.14, in dem das Strafverfahren gegen den Polizeibeamten nach Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153 a Abs. 1 StPO eingestellt worden war; dies setzt defini­ti­o­nsgemäß voraus, dass das Strafgericht und die Staats­an­walt­schaft nur von einer geringen Schuld des Polizeibeamten ausgegangen sind. Gleichwohl ist die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis die angemessene Diszi­pli­n­a­r­maßnahme, weil der Polizeibeamte eine weitere, gravierende (inner­dienstliche) Pflichtverletzung dadurch begangen hat, dass er im polizeilichen EDV-System unbefugt perso­nen­be­zogene Daten minderjähriger Mädchen abgefragt hat.

Hinweis für Taten im Bereich der Kinderpor­no­graphie unter der Geltung des neuen Rechts:

Schon nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts ist wegen der nunmehr seit Anfang 2015 geltenden höheren Strafandrohung für den außer­dienst­lichen Besitz kinderpor­no­gra­phischer Bilddateien - für jede Gruppe von Beamten - der Orien­tie­rungs­rahmen für die Bemessung der Diszi­pli­n­a­r­maßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis eröffnet; auch hier gelten allerdings dieselben Anforderungen an die Bemessung der dem jeweiligen Einzelfall und nach dem Schuldprinzip angemessenen Diszi­pli­n­a­r­maßnahme.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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