Dokument-Nr. 20503
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- Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil07.08.2013, 7 C 897/13.N
- Generelle Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige unzulässigBundesverwaltungsgericht, Urteil01.02.2012, BVerwG 8 C 24.11
- Trotz Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz: Öffentlich bestellter Sachverständiger nur bis 68Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss21.03.2007, 6 L 149/07.MZ
Bundesverwaltungsgericht Urteil21.01.2015
Generelle Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung zulässigAltersgrenze ist zur Gewährleistung der Bausicherheit notwendig
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass weder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch europäisches Unionsrecht dem hessischen Verordnungsgeber verbieten, eine generelle Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für Prüfsachverständige für technische Anlagen und Einrichtungen in bestimmten Gebäuden wie Krankenhäusern, Schulen oder Versammlungsstätten festzusetzen.
Der heute 71jährige Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens wurde im Oktober 2011 von der Ingenieurkammer Hessen als Prüfsachverständiger für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden anerkannt. Er wendet sich gegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 der Hessischen Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung; danach erlischt die Anerkennung als Prüfsachverständiger mit der Vollendung des 70. Lebensjahres. Der Antragsteller macht geltend, die Höchstaltersgrenze verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Die Höchstaltersgrenze sei nicht zu beanstanden.
Unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters wird durch Sicherheitsvorbehalt legitimiert
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und die Revision des Antragstellers zurückgewiesen. Die generelle Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige stellt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dar, sie wird aber durch den in Art. 2 Abs. 5 der Europäischen Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG enthaltenen Sicherheitsvorbehalt legitimiert. Die Festlegung der Altersgrenze für Prüfsachverständige dient der Gebäudesicherheit, dem Schutz von Leben und Gesundheit der Gebäudenutzer und der Allgemeinheit (Bausicherheit) und damit der öffentlichen Sicherheit als einem legitimen Zweck. Zur Gewährleistung der Bausicherheit ist die Altersgrenze auch notwendig. Sie ist geeignet, zur Bausicherheit beizutragen, indem sie das altersbedingt erhöhte Risiko von Fehlleistungen bei der Prüftätigkeit ausschließt.
Höchstaltersgrenze von 70 Jahren ist für Betroffene nicht unzumutbar
Die Altersgrenze genügt den Anforderungen an eine kohärente und systematische Regelung, weil auch Prüfsachverständige aus anderen Ländern und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit einem höheren Lebensalter als 70 Jahren nicht in Hessen tätig sein dürfen. Eine flexible Altersgrenze, die an eine individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Prüfsachverständigen knüpft, stellt gegenüber der generellen Höchstaltersgrenze ein zwar milderes, aber nicht gleich wirksames Mittel zur Gewährleistung der Bausicherheit dar. Schließlich belastet die Höchstaltersgrenze von 70 Jahren den Antragsteller nicht unzumutbar. Sie liegt über dem allgemeinen Renteneintrittsalter sowie über der Regelaltersgrenze der technischen Beamten der Bauaufsichtsbehörden von 67 Jahren, deren Tätigkeit derjenigen des Prüfsachverständigen vergleichbar ist.
Auszug aus der Hessischen Verordnung über Prüfberechtigte und Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung:
§ 7 Erlöschen, Widerruf und Rücknahme der Anerkennung
(1) Die Anerkennung erlischt, wenn die prüfberechtigte oder prüfsachverständige Person
1. [...]
2. das 70. Lebensjahr vollendet hat,
3. [...]
4. [...]
Auszug aus der Verordnung über die Prüfung technischer Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden (Technische Prüfverordnung - TPrüfVO)
§ 1 Anwendungsbereich
Erläuterungen
Diese Verordnung gilt für die Prüfung technischer Anlagen und Einrichtungen in
1. Hochhäusern,
2. Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen mehr als 2000 m2 Brutto-Grundfläche haben,
3. Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen, die einzeln oder insgesamt bei gemeinsamen Rettungswegen mehr als 200 Besucher fassen; bei Museen und ähnlichen Gebäuden gilt diese Verordnung nur für Versammlungsräume, die einzeln mehr als 200 Besucher fassen, und ihre Rettungswege,
4. Krankenhäusern,
5. Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 400 Besucherplätzen und Beherbergungsstätten mit mehr als 100 Gastbetten,
6. allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, soweit sie nicht ausschließlich der Unterrichtung Erwachsener dienen,
7. Garagen mit einer Nutzfläche von mehr als 1000 m2 einschließlich der Verkehrsflächen und
8. sonstigen Sonderbauten nach § 2 Abs. 8 der Hessischen Bauordnung, soweit die Prüfung zur Gefahrenabwehr erforderlich und nach § 45 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 17 der Hessischen Bauordnung im Einzelfall angeordnet worden ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.01.2015
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online
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