21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil01.02.2012

Generelle Höchst­al­ters­grenze für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige unzulässigAltersgrenze stellt unzulässige Benachteiligung wegen des Alters gemäß des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes dar

Eine Industrie- und Handelskammer (IHK) darf in ihrer Satzung keine generelle Höchst­al­ters­grenze für alle öffentlich bestellten und vereidigten Sachver­ständigen festsetzen. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Der heute 75 Jahre alte Kläger des zugrunde liegenden Falls war von der beklagten IHK bis zum Erreichen der in ihrer Sachver­stän­di­gen­ordnung (SVO) vorgesehenen Höchst­al­ters­grenze von 68 Jahren zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachver­ständigen für die Sachgebiete „EDV im Rechnungswesen und Datenschutz“ sowie „EDV in der Hotellerie“ bestellt worden. Diese Bestellung war nach der SVO einmal bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres verlängert worden.

Antrag auf weitere Verlängerung der Bestellung zunächst erfolglos

Der Antrag des Klägers auf weitere Verlängerung der Bestellung wurde von der Beklagten abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen und zunächst auch beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht erfolglos. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nunmehr dem Begehren des Klägers entsprochen.

Mit Satzungs­re­gelung verfolgtes Ziel rechtfertigt keine unter­schiedliche Behandlung wegen des Alters

Die generelle Altersgrenze stellt eine nach dem Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­gesetz (AGG) unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar und ist deshalb unwirksam. Das mit der Satzungs­re­gelung verfolgte Ziel, einen geordneten Rechtsverkehr sicherzustellen, ist kein legitimes Ziel nach § 10 AGG, das eine unter­schiedliche Behandlung wegen des Alters rechtfertigen könnte. Dazu zählen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur sozia­l­po­li­tische Ziele insbesondere aus den Bereichen Beschäf­ti­gungs­politik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung.

Art der beruflichen Betätigung bedarf keiner, mit dem Lebensalter in Zusammenhang stehenden besonderen Anforderung

Das Lebensalter steht auch nicht im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG in innerem Zusammenhang mit einer besonderen Anforderung an die Art der beruflichen Betätigung; denn die Tätigkeit als Sachverständiger in den Sachgebieten, für die der Kläger seine Bestellung begehrt, stellt keine besonderen Anforderungen, die – bei entsprechender Vorbildung und Erfahrung – nur Jüngere erfüllen könnten. Schließlich wird die Altersgrenze auch nicht durch den in Art. 2 Abs. 5 der europäischen Gleich­be­hand­lungs­richtlinie 2000/78/EG enthaltenen Sicher­heits­vor­behalt legitimiert. Die Festlegung der Altersgrenze in der Sachver­stän­di­gen­ordnung dient jedenfalls in den Sachgebieten, für die der Kläger seine Bestellung begehrt, insbesondere nicht den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit, der Verhütung von Straftaten oder dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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