21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil12.01.2010

EuGH zur Altersgrenze für Feuerwehrleute und Vertrags­zahnärzteUngleich­be­handlung wegen des Alters zum Schutz der Gesundheit zulässig

Das Höchstalter für die Einstellung bestimmter Feuerwehrleute auf 30 Jahre und das Alter für das Ende der Tätigkeit als Vertrags­zahnarzt auf 68 Jahre festzulegen, ist zulässig. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entschieden.

Die Altersgrenze für Feuerwehrleute stellt keine verbotene Diskriminierung wegen des Alters dar, wenn sie Feuerwehrleute betrifft, die unmittelbar an der Brandbekämpfung beteiligt sind; die Altersgrenze für Zahnärzte ist nur dann keine solche Diskriminierung, wenn diese Begrenzung in geeigneter und wider­spruch­freier Weise einem Ziel des Gesund­heits­schutzes oder der Beschäf­ti­gungs­politik dient.

Nationalen Maßnahmen zum Gesund­heits­schutz stehen Richtlinie nicht entgegen

Die Richtlinie 2000/78 (s.u.) verbietet u. a. die Diskriminierung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf. Nationalen Maßnahmen, die zum Schutz der Gesundheit erforderlich sind, steht die Richtlinie jedoch nicht entgegen. Auch erlaubt sie dem nationalen Gesetzgeber, vorzusehen, dass eine Ungleich­be­handlung in bestimmten Fällen, obwohl sie auf das Alter oder auf ein Merkmal gestützt ist, das im Zusammenhang mit dem Alter steht, keine Diskriminierung und daher nicht verboten ist.

Ungleich­be­handlung bei entscheidenden beruflichen Anforderungen gerechtfertigt

So ist eine Ungleich­be­handlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit dem Alter steht, zulässig, wenn dieses Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Eine Ungleich­be­handlung wegen des Alters kann auch dann zulässig sein, wenn sie erforderlich ist, um die Gesundheit zu schützen, oder auch dann, wenn sie durch ein legitimes Ziel u. a. in den Bereichen Beschäf­ti­gungs­politik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung gerechtfertigt ist.

Hessen setzt Höchstalter für Einstellung von Feuerwehrleuten auf 30 Jahre fest

Das Land Hessen hat das Höchstalter für die Einstellung von Feuerwehrleuten des mittleren technischen Dienstes, die insbesondere bei der Brandbekämpfung eingesetzt werden, auf 30 Jahre festgesetzt. Diese Altersgrenze soll die Einsatz­be­reit­schaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Berufsfeuerwehr gewährleisten.

VG Frankfurt legt EuGH Frage zur Ungleich­be­handlung wegen Alters­dis­kri­mi­nierung vor

Colin Wolf bewarb sich bei der Stadt Frankfurt am Main um eine Einstellung in den mittleren feuer­wehr­tech­nischen Dienst. Seine Bewerbung wurde wegen Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren nicht berücksichtigt. Zum Zeitpunkt des Eingangs seiner Bewerbung war er 29 Jahre alt, er wäre jedoch beim nächsten Einstel­lungs­termin 31 Jahre alt gewesen. Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main, vor dem Herr Wolf die Stadt Frankfurt auf Schadensersatz verklagt hat, hat den Gerichtshof gefragt, welchen Gestal­tungs­spielraum der nationale Gesetzgeber besitzt, um vorzusehen, dass Ungleich­be­hand­lungen wegen des Alters keine durch das Gemein­schaftsrecht verbotene Diskriminierung sind.

Richtlinie steht Hessens Regelung zum Höchstalter für Einstellungen nicht entgegen

Im Urteil in der Rechtssache Wolf stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie dieser Altersgrenze, wie sie das Land Hessen für die Einstellung von Feuerwehrleuten des mittleren technischen Dienstes festgelegt hat, nicht entgegensteht.

Durch Alters­be­grenzung hervorgerufene Ungleich­be­handlung für Sicherstellung einer ordnungsgemäß funkti­o­nie­renden Berufsfeuerwehr zulässig

Die durch diese Altersgrenze hervorgerufene Ungleich­be­handlung wegen des Alters erfüllt nämlich alle in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen, um gerechtfertigt zu sein. So stellt das Bemühen, die Einsatz­be­reit­schaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Berufsfeuerwehr zu gewährleisten, einen rechtmäßigen Zweck dar. Zudem kann eine besonders ausgeprägte körperliche Eignung als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung angesehen werden, um den Beruf des Feuerwehrmanns im mittleren technischen Dienst auszuüben, dessen Angehörige u. a. an der Brandbekämpfung und der Personenrettung beteiligt sind. Das Erfordernis der vollen körperlichen Eignung zur Ausübung dieser Tätigkeit steht im Zusammenhang mit dem Alter der Angehörigen dieses Dienstes, da nach den von der deutschen Regierung vorgelegten wissen­schaft­lichen Daten nur sehr wenige der Beamten, die älter als 45 Jahre sind, über die hinreichende körperliche Eignung verfügen, um ihre Tätigkeit im Bereich der Brandbekämpfung auszuüben. Im Übrigen kann die Altersgrenze als eine Regelung angesehen werden, die zum einen dem Ziel, die Einsatz­be­reit­schaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Berufsfeuerwehr zu gewährleisten, angemessen ist und zum anderen nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Zulassung als Vertrags­zahnarzt endet mit Vollenden des 68. Lebensjahres

In der Rechtssache Petersen sah das deutsche Sozial­ge­setzbuch in seiner für diese Rechtssache geltenden Fassung vor, dass die Zulassung zur Ausübung der Tätigkeit eines Vertrags­zahn­arztes im Rahmen des deutschen Systems der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung mit Ablauf des Kalen­der­vier­tel­jahres endete, in dem der Vertrags­zahnarzt das 68. Lebensjahr vollendete. Außerhalb dieses Vertrags­zahn­a­rzt­systems können Zahnärzte ihren Beruf unabhängig von ihrem Alter ausüben. In Deutschland sind 90 % der Patienten in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung versichert.

SG Dortmund legt EuGH Fragen zur Vereinbarkeit der Altersgrenze mit der Richtlinie vor

Domnica Petersen war seit 1974 zur vertrags­zahn­ärzt­lichen Versorgung zugelassen. Im April 2007 vollendete sie ihr 68. Lebensjahr. Vor dem Sozialgericht Dortmund beanstandet sie den Bescheid des zuständigen Berufungs­aus­schusses für Zahnärzte, wonach ihre Zulassung zur Tätigkeit als Vertrags­zahn­ärztin Ende Juni 2007 endete. Das Sozialgericht Dortmund hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vereinbarkeit dieser Altersgrenze mit der Richtlinie 2000/78 gestellt. Es führt u. a. aus, dass diese Altersgrenze nach Auffassung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Patienten zu schützen, und dass sie nach Auffassung des Bundes­so­zi­al­ge­richts durch das Ziel gerechtfertigt sei, die Berufschancen jüngerer Vertrags­zahnärzte zu erhalten.

Festlegen einer Altersgrenze zum Schutz der Gesundheit der Patienten zulässig

Im Urteil Petersen stellt der Gerichtshof fest, dass es ein Mitgliedstaat zulässigerweise für erforderlich halten kann, für die Ausübung eines ärztlichen Berufs wie desjenigen eines Zahnarztes eine Altersgrenze festzulegen, um die Gesundheit der Patienten zu schützen.

Maßnahme zum Schutz der Gesundheit des Patienten widersprüchlich, wenn sie nicht auch für Zahnärzte außerhalb des Vertrags­zahn­a­rzt­systems gilt

Die Richtlinie steht jedoch einer nationalen Maßnahme, mit der für die Ausübung des Berufs des Vertrags­zahn­arztes eine Höchst­al­ters­grenze, im vorliegenden Fall 68 Jahre, festgelegt wird, entgegen, wenn diese Maßnahme nur das Ziel hat, die Gesundheit der Patienten vor dem Nachlassen der Leistungs­fä­higkeit von Vertrags­zahn­ärzten, die dieses Alter überschritten haben, zu schützen, da diese Altersgrenze nicht für Zahnärzte außerhalb des Vertrags­zahn­a­rzt­systems gilt. Eine solche Maßnahme ist nämlich widersprüchlich und kann daher nicht als für den Gesund­heits­schutz erforderlich angesehen werden.

Richtlinie steht Maßnahme nicht entgegen, wenn sie bessere Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen bezweckt

Dagegen steht die Richtlinie einer solchen Altersgrenze nicht entgegen, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertrags­zahnärzte zum Ziel hat und wenn sie unter Berück­sich­tigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Das Alter von 68 Jahren erscheint hinreichend weit fortgeschritten, um als Endpunkt der Zulassung als Vertrags­zahnarzt zu dienen.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, welches Ziel mit der Altersgrenze für Vertrags­zahnärzte verfolgt wird. Wenn diese Altersgrenze unter Berück­sich­tigung des mit ihr verfolgten Ziels gegen die Richtlinie verstößt, muss das nationale Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen einem Einzelnen und einem Verwal­tungsorgan wie dem Berufungs­aus­schuss für Zahnärzte anhängig ist, sie selbst dann unangewendet lassen, wenn sie vor dem Inkrafttreten der Richtlinie eingeführt wurde und das nationale Recht ihre Nichtanwendung nicht vorsieht.

Richtlinie 2000/78/EG

Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleich­be­handlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16)

Quelle: ra-online, EuGH

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