21.11.2024
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Sie sehen drei Hände erschiedener Hautfarbe vor einer Weltkarte.

Dokument-Nr. 15279

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Urteil20.02.2013BundesverwaltungsgerichtBVerwG 10 C 20.12, BVerwG 10 C 21.12, BVerwG 10 C 22.12, BVerwG 10 C 23.12
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 20.12:
  • Verwaltungsgericht Dresden, Urteil13.07.2007, A 12 K 30537/04
  • Oberverwaltungsgericht Sachsen, Urteil13.11.2008, A 1 B 559/07
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 21.12:
  • Verwaltungsgericht Leipzig, Urteil18.05.2007, A 1 K 30313/04
  • Oberverwaltungsgericht Sachsen, Urteil18.05.2007, A 1 B 550/07
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 22.12:
  • Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil07.11.2007, 4 K 2676/06.A
  • Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil11.01.2011, 19 A 3547/07.A
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 23.12:
  • Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil09.07.2010, A 4 K 1179/10
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil13.12.2011, A 10 S 69/11
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil20.02.2013

Flücht­lings­a­n­er­kennung auch bei erzwungenem Verzicht auf öffentliche Religi­o­ns­ausübung möglichFür Flücht­lings­a­n­er­kennung muss öffentliche Glaubens­be­tä­tigung zentrales Element der religiösen Identität und daher unverzichtbar sein

Ein Ausländer ist als Flüchtling anzuerkennen, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen der öffentlichen oder privaten Ausübung seiner Religion verfolgt wird. Auch ein durch strafrechtliche Sanktionen erzwungener Verzicht auf die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit kann zur Flücht­lings­a­n­er­kennung führen. Dann aber muss die Ausübung gerade dieser religiösen Praxis für den Betroffenen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sein. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht. in Leipzig heute entschieden.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hatte in vier Verfahren über die Flüchtlingsanerkennung von pakistanischen Staats­an­ge­hörigen zu entscheiden, die der Ahmadiyya- Glaubens­ge­mein­schaft angehören. Diese Religi­o­ns­ge­mein­schaft versteht sich als islamische Erneu­e­rungs­be­wegung, ihre Mitglieder werden in Pakistan aber nicht als Muslime anerkannt. Eine öffentliche Ausübung ihres Glaubens ist dort mit hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe bedroht. In zwei der vier Verfahren hatte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht eine Vorab­ent­scheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu den unions­recht­lichen Anforderungen an eine Flücht­lings­a­n­er­kennung bei religiöser Verfolgung eingeholt (vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, C-71/11 und C-99/11).

Schwere Eingriffe in öffentliche Religi­o­ns­ausübung können zur Flücht­lings­a­n­er­kennung führen

Der Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat aus dieser Entscheidung des EuGH nun die Konsequenzen für die anhängigen Revisi­ons­ver­fahren gezogen und die Berufungs­urteile aufgehoben. Zwar ist nicht jeder Eingriff in die Religi­o­ns­freiheit eine flücht­lings­rechtlich relevante Verfol­gungs­handlung, doch können schwere Eingriffe auch in die öffentliche Religionsausübung (forum externum) zur Flücht­lings­a­n­er­kennung führen. Die öffentliche Glaubens­be­tä­tigung muss dann aber für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Dann kann auch der erzwungene Verzicht auf diese Glaubens­be­tä­tigung zur Flücht­lings­a­n­er­kennung führen. Andernfalls blieben Betroffene gerade in solchen Ländern schutzlos, in denen die angedrohten Sanktionen besonders schwerwiegend und so umfassend sind, dass sich Gläubige genötigt sehen, auf die Glauben­s­prak­ti­zierung zu verzichten.

Berufungs­gericht muss Verfol­gungs­wahr­schein­lichkeit erneut prüfen

Die Verfahren wurden an die Berufungs­ge­richte zurückverwiesen, weil die Berufungs­urteile bisher keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zur Verfol­gungs­wahr­schein­lichkeit und - in drei Verfahren - auch nicht zur Bedeutung einer öffentlich bemerkbaren Religi­o­ns­ausübung für die religiöse Identität der Betroffenen enthalten. Hierzu werden die Berufungs­ge­richte nun die erforderlichen Tatsachen aufzuklären haben.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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