03.12.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil15.08.2019

Besondere Privilegierung für nachgezogene Kinder bei Aufenthalts­verfestigung endet mit VolljährigkeitErteilung einer Nieder­lassungs­erlaubnis richtet sich mit Eintritt der Volljährigkeit nach strengeren Voraussetzungen des Aufent­halts­ge­setzes

Ausländer, die bereits bei Erreichen des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthalts­erlaubnis aus familiären Gründen waren, haben nur dann einen Anspruch auf Erteilung einer Nieder­lassungs­erlaubnis unter den erleichterten Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 Aufent­halts­gesetz (AufenthG), solange sie noch minderjährig sind. Mit Eintritt der Volljährigkeit richtet sich die Erteilung grundsätzlich auch in diesen Fällen nach den strengeren Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der 1995 in Deutschland geborene Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein serbischer Staats­an­ge­höriger, begehrte die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Im Jahr 1999 erhielt er eine Aufent­halt­s­er­laubnis zum Familiennachzug, die nach Volljährigkeit als eigenständiges Aufent­haltsrecht letztmalig bis August 2015 verlängert wurde. Mit Bescheid vom 31. Mai 2016 lehnte der Beklagte eine weitere Verlängerung ab, weil sein Lebensunterhalt nicht gesichert sei.

OVG bejaht Neuentscheid über Verlän­ge­rungs­antrag

Das Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg verpflichtete den Beklagten, über den Verlän­ge­rungs­antrag neu zu entscheiden. Auch bei einem volljährigen Ausländer, der wie der Kläger bei Vollendung des 16. Lebensjahres bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufent­halt­s­er­laubnis zum Kindernachzug gewesen sei, richte sich die Verlängerung so lange nach § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 AufenthG, bis eine Nieder­las­sungs­er­laubnis zu erteilen sei, die Verlängerung der Aufent­halt­s­er­laubnis bestandskräftig abgelehnt werde oder der Aufent­halt­stitel sonst erloschen sei. Weil mangels Unter­halts­si­cherung kein Anspruch auf eine Nieder­las­sungs­er­laubnis bestehe, müsse der Beklagte eine Ermes­sen­s­ent­scheidung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG über die Verlängerung der Aufent­halt­s­er­laubnis treffen, auf die die Regeler­tei­lungs­vor­aus­setzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine Anwendung finde.

BVerwG: Erhalt der Nieder­las­sungs­er­laubnis ab Eintritt der Volljährigkeit nur unter strengeren Voraussetzungen des Aufent­halts­ge­setzes möglich

Auf die Revision des Beklagten hob das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das angefochtene Urteil auf. Nachgezogene oder im Bundesgebiet geborene Kinder können eine Nieder­las­sungs­er­laubnis ab Eintritt der Volljährigkeit nur noch unter den - gegenüber Absatz 1 Satz 1 strengeren - Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erhalten. Nach Wortlaut und Systematik richtet sich die Abgrenzung der Anwen­dungs­be­reiche der beiden Sätze des § 35 Abs. 1 AufenthG nach dem Alter des Kindes. Hinreichende Gründe, den Anwen­dungs­bereich des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entgegen dem Wortlaut ("Einem minderjährigen Ausländer [...] ist [...] zu erteilen") dauerhaft auf inzwischen volljährig gewordene Ausländer zu erstrecken, soweit sie bereits bei Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufent­halt­s­er­laubnis waren, sind nicht ersichtlich. Sie folgen auch nicht aus der Entste­hungs­ge­schichte, insbesondere der abweichend formulierten Vorgängernorm des § 26 AuslG (Ausländergesetz), und dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Kein Anspruch auf Ermes­sen­s­ent­scheidung bei nicht ausreichend gesichertem Lebensunterhalt

Liegen aber wegen Eintritts der Volljährigkeit die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG schon nicht vor, besteht auch kein Anspruch auf eine Ermes­sen­s­ent­scheidung nach § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (u.a.) über eine Verlängerung einer Aufent­halt­s­er­laubnis in Fällen, in denen der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Der volljährig gewordene Ausländer ist dann für die Verlängerung seiner Aufent­halt­s­er­laubnis auf die allgemeine Ermes­sens­re­gelung des § 34 Abs. 3 AufenthG verwiesen; hier gelten alle Regeler­tei­lungs­vor­aus­set­zungen des § 5 Abs. 1 AufenthG, die u.a. regelmäßig die Sicherung des Lebens­un­terhalts erfordern. Hiervon ist nur in atypischen Fällen abzusehen. Wegen der sich bei Anwendung des § 34 Abs. 3 AufenthG stellenden Fragen (u.a. Vorliegen der Voraussetzungen eines atypischen Falles mit Blick auf Art. 8 EMRK/Art. 7 EU-Grundrechte-Charta) hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Verfahren zur weiteren Sachver­halts­auf­klärung an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm/kg)

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