18.10.2024
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Dokument-Nr. 8567

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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.09.2009

BVerfG: Umlage zur Finanzierung der Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht (BaFin) ist rechtensMindestumlage nach § 16 FinDAG verfas­sungsgemäß

Die jährlich erhobene Umlage, die von Finanz­dienst­leistern und Wertpa­pier­händlern zur Finanzierung der Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht (BaFin) zu zahlen ist, ist rechtmäßig. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden. Die Mindestumlage sei mit den strengen Anforderungen des Grundgesetzes an solche "Sonderabgaben" vereinbar. Die Umlage diene dazu, die Risiken, die von einem unregle­men­tierten Tätigwerden der beaufsichtigten Kredi­t­in­stituten und Wertpa­pier­händlern für den Finanzsektor ausgingen, zu bewältigen und das Vertrauen der Anleger in die Solidität und Lauterkeit dieser Unternehmen zu stärken.

Die Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht beaufsichtigt unter anderem die Kredit- und Finanz­dienst­leis­tungs­in­stitute und den Wertpa­pier­handel. Zu ihrer eigenen Finanzierung erhebt sie von den beaufsichtigten Unternehmen eine jährlich zu zahlende Umlage. Für die Höhe dieser Umlage ist der Geschäftsumfang der einzelnen Unternehmen maßgeblich. Dieser orientiert sich im Aufsichts­bereich Kredit- und Finanz­dienst­leis­tungswesen an der Bilanzsumme und im Aufsichts­bereich Wertpa­pier­handel für Kreditinstitute und Makler nach der Anzahl der gemeldeten Geschäfte, für Finanz­dienst­leis­tungs­in­stitute an der Bilanzsumme. Unabhängig von dieser Berechnung bestand zunächst für jedes Unternehmen in jedem Aufsichts­bereich eine Mindestumlage von jährlich 250,-- €. Im Jahr 2003 wurde diese so modifiziert, dass sich der neue Mindestbetrag im Aufsichts­bereich Kredit- und Finanz­dienst­leis­tungswesen - abhängig vom Unter­neh­menstypus - zwischen 1300,-- € und 4000,-- € bewegte, bei einer Bilanzsumme unter 100.000,-- € aber um die Hälfte reduzierte. Die Erhebung dieses Minde­stum­la­ge­be­trages beanstandet der Beschwer­de­führer, ein Finanz­port­fo­lio­ver­walter, als verfas­sungs­widrig.

BVerfG: Mindestumlage entspricht den strengen an Sonderabgaben gestellten finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Zuläs­sig­keits­an­for­de­rungen

Der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die Verfas­sungs­be­schwerde zurückgewiesen. Die Mindestumlage nach § 16 FinDAG entspricht den vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht für Sonderabgaben mit Finan­zie­rungs­funktion besonders strengen finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Zuläs­sig­keits­an­for­de­rungen (vgl. BVerfG, Urteil v. 03.02.2009 - 2 BvL 54/06 - und BVerfG, Beschluss v. 12.05.2009 - 2 BvR 743/01 -). Sie verstößt auch nicht gegen den Gleich­heits­grundsatz, denn der Mindestbetrag ist gerade nicht als Entgelt für bestimmte individuell zurechenbare Kontroll­leis­tungen zu verstehen. Er soll der Tatsache Rechnung tragen, dass jeder Aufsichts­pflichtige von den Kontroll­leis­tungen profitiert, die ihm oder anderen Aufsichts­pflichtigen gegenüber erbracht werden und zur Stabilität des Marktes beitragen, auf die er zur Entfaltung seiner Geschäft­s­tä­tigkeit angewiesen ist.

Mindestumlage dient einem Sachzweck

Die Mindestumlage dient einem Sachzweck, der über die bloße Mittel­be­schaffung hinausgeht. Sie ist der Bewältigung derjenigen Risiken gewidmet, die von einem unregle­men­tierten Tätigwerden der beaufsichtigten Unternehmen ausgehen können, und soll das Vertrauen der Anleger in die Solidität und Lauterkeit dieser Unternehmen als notwendige Rahmenbedingung für einen funkti­o­ns­fähigen Finanzmarkt stärken. Im Hinblick auf diesen Zweck handelt es sich bei den beaufsichtigten Unternehmen um eine homogene Gruppe, die durch gemeinsame Gegebenheiten und Interessenlagen verbunden ist, die sie von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar machen. Die mit der Umlage in Anspruch genommene Gruppe der Kredit- und Finanz­dienst­leis­tungs­in­stitute und der Unternehmen, die Wertpa­pier­dienst­leis­tungen erbringen, steht zum Sachzweck der Abgabe in einer spezifischen Beziehung. Die gesonderte Überwälzung der Finan­zie­rungslast findet ihre Rechtfertigung in einer Verant­wort­lichkeit für die Folgen gruppen­spe­zi­fischer Zustände und Verhal­tens­weisen. Auch das Abgaben­auf­kommen wird gruppennützig verwendet, denn Sachnähe der belasteten Unternehmen zum Zweck der Abgabenerhebung und korre­spon­dierende Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung bedeuten, dass die zweck­ent­spre­chende Verwendung des Abgaben­auf­kommens zugleich gruppennützig wirkt, die Gesamtgruppe der Abgaben­schuldner nämlich von einer ihrem Verant­wor­tungs­bereich zuzurechnenden Aufgabe entlastet.

Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG

Die als Mindestumlage erhobene Abgabe ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Gesetzgeber ist insbesondere nicht gehalten, die Abgabenhöhe in strikter Relation zur Bilanzsumme zu staffeln, sondern darf neben dem Umfang der Marktteilnahme berücksichtigen, dass für die einzelnen Unternehmen unabhängig von ihrer Größe durch­schnittlich ein bestimmter, wenn auch nur typisierend zu erfassender Grundaufwand anfällt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass § 6 Abs. 4 und 5 FinDAGKostV diesen nicht reali­täts­gerecht abbilden, zumal § 6 Abs. 4 Satz 2 FinDAGKostV und § 6 Abs. 5 FinDAGKostV den Mindestbetrag im Aufsichts­bereich Kredit- und Finanz­dienst­leis­tungswesen zusätzlich nach Geschäftstyp und Bilanzsumme differenzieren und sich dieser nach § 6 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe e FinDAGKostV bei besonders geringer Bilanzsumme halbiert. Dass nicht in jedem Jahr für jedes Unternehmen tatsächlich ein bestimmter Mindest­kon­trol­l­aufwand anfällt, weil die laufende Überwachung nach § 7 KWG der Bundesbank obliegt, ist nicht entscheidend.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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