Dokument-Nr. 23034
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- NJW-Spezial 2016, 152Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 152
- Oberlandesgericht München, Beschluss26.11.2015, 1 AR 294/15
Bundesverfassungsgericht Beschluss02.02.2016
BVerfG: Bedenken gegen Auslieferung eines straffälligen Tschetschenen nach Russland können durch Zusicherung der Einhaltung der Menschenrechtskonvention ausgeräumt werdenBesuchsrecht durch Botschaftsmitarbeiter garantiert Einhaltung der Zusicherung
Gibt es Bedenken einen in Russland straffällig gewordenen Tschetschenen auszuliefern, so können diese Bedenken durch die Zusicherung der russischen Generalstaatsanwaltschaft, der Straftäter werde in Übereinstimmung mit Art. 3 EMRK weder gefoltert, noch grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt oder bestraft, ausgeräumt werden. Wird zudem Botschaftsmitarbeitern ein Besuchsrecht garantiert, kann die Einhaltung der Zusicherung effektiv kontrolliert werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Oberlandesgericht München hat im November 2015 die Auslieferung eines russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Herkunft an Russland für zulässig erklärt. Dem Tschetschenen wurde vorgeworfen in Russland unerlaubt mit Betäubungsmitteln gehandelt zu haben. Der Tschetschene wehrte sich gegen die Auslieferung. Er behauptete, bei früheren Verhaftungen in Russland schwer misshandelt und für den Fall seiner Rückkehr mit dem Tod bedroht worden zu sein. Das Oberlandesgericht hielt die Bedenken für ausgeräumt, da die russische Generalstaatsanwaltschaft zugesichert hat, der Straftäter werde in Übereinstimmung mit Art. 3 EMRK weder gefoltert, noch grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt oder bestraft. Zur Kontrolle der Einhaltung der Zusicherung wurde den Mitarbeitern der Deutschen Botschaft ein jederzeitiges Besuchsrecht eingeräumt. Der Tschetschene hielt das für nicht ausreichend und legte gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Verfassungsbeschwerde ein.
Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK durch Zusicherung ausgeräumt
Das Bundesverfassungsgericht entschied gegen den Tschetschenen. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK aufgrund der Zusicherung durch die russische Generalstaatsanwaltschaft für ausgeräumt erachtete. Es sei zu beachten, dass im Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und anderen Staaten dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich vertraut werden müsse. Daher seien vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen.
Effektive Kontrolle der Einhaltung der Zusicherung durch Besuchsrecht
Zwar sei eine Zusicherung dann nicht geeignet etwaige Bedenken auszuräumen, so das Bundesverfassungsgericht, wenn im Einzelfall zu erwarten sei, dass die Zusicherung nicht eingehalten werde. Das Besuchsrecht für Botschaftsmitarbeiter habe im konkreten Fall jedoch eine effektive Kontrolle der Einhaltung der Menschenrechtskonvention ermöglicht und somit etwaige Zweifel an der Einhaltung der Zusicherung zerstreut.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.08.2016
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)
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