18.10.2024
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Dokument-Nr. 28527

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Beschluss14.01.2020Bundesverfassungsgericht2 BvR 2055/16
Vorinstanzen:
  • Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil27.06.2012, 11 K 3458/11
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil30.03.2020, 13 S 724/13
  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil21.04.2016, BVerwG 2 C 4.15
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss14.01.2020

Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis durch Verwaltungsakt verfassungs­rechtlich zulässigLebens­zeit­prinzip durch Abschaffung der gerichtlichen Diszi­pli­na­r­gewalt nicht verletzt

Die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis durch Verwaltungsakt verstößt nicht gegen hergebrachte Grundsätze des Berufs­be­am­tentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Ein Grundsatz der Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis nur durch Richterspruch oder nur durch eine vom Dienst­vor­ge­setzen verschiedene Stelle existiert nicht. Auch ist das Lebens­zeit­prinzip durch die Abschaffung der gerichtlichen Diszi­pli­na­r­gewalt nicht verletzt. Dies entschied das Bundes­verfassungs­gericht und wies damit die Verfassungs­beschwerde eines ehemaligen baden-württem­ber­gischen Polizeibeamten zurück, der entsprechend dem geänderten Landesrecht durch Verwaltungsakt aus dem Beamten­ver­hältnis entfernt worden war.

Im Diszi­pli­narrecht des Bundes und der meisten Länder ist die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis einer bei den Verwal­tungs­ge­richten angesiedelten Diszi­pli­na­r­ge­richts­barkeit zugewiesen. Während der Dienstherr die Verfah­ren­s­ein­stellung und den Erlass einfacher und mittlerer Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen selbst verfügen kann, muss er zur Verhängung einer solchen schweren, status­re­le­vanten Maßnahme Diszi­pli­na­rklage zum Verwal­tungs­gericht erheben. Seit 2008 sieht § 38 Abs. 1 des Landes­dis­zi­pli­na­r­ge­setzes Baden-Württemberg (LDG BW) demgegenüber vor, dass sämtliche Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen durch Verwaltungsakt angeordnet werden. Gegen die ergangene Diszi­pli­na­r­ver­fügung steht den Beamten ohne Vorverfahren der Rechtsweg zu den Verwal­tungs­ge­richten offen. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Der Rechtsweg umfasst grundsätzlich drei Instanzen, wobei die Berufung zulas­sungs­ab­hängig ausgestaltet ist. Die nachträgliche gerichtliche Kontrolle ist dabei besonderen Diszi­pli­na­r­kammern beziehungsweise -senaten zugewiesen.

Sachverhalt

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens übte seinen Dienst zuletzt als Polizei­o­ber­meister bei einem Polizeirevier aus. Parallel hierzu war er als Geschäftsführer zweier Bauunternehmen tätig. In diesem Zusammenhang wurde er dreimal insbesondere wegen Betrugs- und Urkun­den­de­likten rechtskräftig verurteilt, zuletzt zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamt­frei­heits­strafe von elf Monaten. Im Dezember 2011 entfernte ihn das zuständige Polizei­prä­sidium aus dem Beamten­ver­hältnis. Seine hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen bis hin zur Revision vor dem Bundes­ver­wal­tungs­gericht erfolglos.

Entfernung aus Beamten­ver­hältnis darf nicht nur durch Richterspruch erfolgen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht verwies in seiner Entscheidung darauf, dass nach Art. 33 Abs. 5 GG das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berück­sich­tigung der hergebrachten Grundsätze des Berufs­be­am­tentums zu regeln und fortzu­ent­wickeln ist. Diese umfassen den Kernbestand von Struk­tur­prin­zipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, tradi­ti­o­ns­bil­denden Zeitraums, insbesondere unter der Reichs­ver­fassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind. Ein hergebrachter Grundsatz des Berufs­be­am­tentums, wonach eine Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis nur durch Richterspruch erfolgen darf, besteht nicht. Die rechts­his­to­rische Analyse ergibt, dass sich bis zum Ende der Weimarer Republik keine solche Regel herausbildete. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich zwar in einigen Teilstaaten Regelungen mit Richter­vor­behalt. In Preußen sowie auf Reichsebene etablierte sich eine richterliche Diszi­pli­na­r­gewalt im maßgeblichen Zeitraum jedoch nicht, weshalb eine jedenfalls überwiegende Geltung des in Rede stehenden Grundsatzes nicht angenommen werden kann.

Beamten sollten vor willkürlicher Entfernung aus Beamten­ver­hältnis geschützt werden

Auch ein hergebrachter Grundsatz, wonach die Entfer­nungs­ent­scheidung der unmittelbaren alleinigen Dizipli­na­r­gewalt des Dienst­vor­ge­setzten entzogen und immer einem Gremium zu überantworten ist, besteht nicht. Neben der Übertragung der Diszi­pli­na­r­be­fugnis auf Gerichte fanden sich im tradi­ti­o­ns­bil­denden Zeitraum verschiedenste Elemente exekutiver Selbst- und judikativer Fremdkontrolle, die ihrerseits unterschiedlich kombiniert wurden. Hierbei ging es jedoch nicht primär darum, gerade dem Dienst­vor­ge­setzten die Diszi­pli­na­r­be­fugnis zu entziehen, sondern darum, den Beamten vor einer willkürlichen Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis zu schützen und deshalb zu verhindern, dass die alleinige und letzt­ver­bindliche Gestaltung in der Hand eines Einzelnen liegt. Hierfür sind aber auch weitere Instrumente, insbesondere eine nachträgliche gerichtliche Vollkontrolle, denkbar. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Entziehung der alleinigen Diszi­pli­na­r­be­fugnis des Dienst­vor­ge­setzten nicht derart prägend für das Beamtentum ist, dass ihr der Rang eines Struk­tur­prinzips zuzusprechen wäre.

Beendigung des Beamten­ver­hält­nisses ist nur unter genau gesetzlich geregelten Voraussetzungen und Formen zulässig

Das zum Kernbestand der Struk­tur­prin­zipien gehörende Lebens­zeit­prinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG erfordert keinen Richter­vor­behalt für Entfernungen aus dem Beamten­ver­hältnis, da effektiver nachgelagerter Rechtsschutz sichergestellt ist. Es beinhaltet neben dem Grundsatz der lebenszeitigen Anstellung auch die grundsätzliche Unent­zieh­barkeit des status­recht­lichen Amtes. Erst rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit bietet die Gewähr dafür, dass das Berufs­be­am­tentum zur Erfüllung der ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann. Dazu gehört auch und vor allem, dass Beamte nicht willkürlich oder nach freiem Ermessen politischer Gremien aus ihrem Amt entfernt werden können. Die Beendigung des Beamten­ver­hält­nisses ist nur unter genau gesetzlich geregelten Voraussetzungen und Formen zulässig. Das Bewusstsein ihrer gesicherten Stellung soll die Bereitschaft der Beamten zu einer an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung fördern. Nur wenn die innere und äußere Unabhängigkeit gewährleistet ist, kann realis­ti­scherweise erwartet werden, dass Beamte auch dann auf rechts­s­taat­licher Amtsführung beharren, wenn sie politisch unerwünscht sein sollte. Das Berufs­be­am­tentum wird so zu einem tragenden Element des Rechtsstaates.

Etwaiger unberechtigter Eingriff in Lebens­zeit­prinzip kann durch nachträgliche gerichtliche Überprüfung korrigiert werden

Der Schutz vor Staatswillkür und Machtmissbrauch zur Freiheits­si­cherung wird im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes vornehmlich durch die Gewaltenteilung gewährleistet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bereits die disziplinare Erstent­scheidung von einem Gericht getroffen werden muss. Vielmehr kann angesichts des ausdif­fe­ren­zierten Rechts­schutz­systems ein hinreichender Grund­rechts­schutz grundsätzlich durch nachträgliche gerichtliche Kontrolle gewährleistet werden. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass ausnahmsweise im Sinne eines Grund­rechts­schutzes durch Verfahren eine originäre gerichtliche Primä­rent­scheidung geboten sein kann. Dieses kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn nachträglicher Rechtsschutz nur unzureichenden Schutz bietet. Derartige strukturelle Rechts­schutz­de­fizite lassen sich aber hier nicht feststellen. Zwar greift die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis in essentieller Weise in das Lebens­zeit­prinzip ein. Allerdings kann ein etwaiger unberechtigter Eingriff durch nachträgliche gerichtliche Überprüfung hinreichend effektiv korrigiert werden. Auch sofern mit einem Diszi­pli­na­r­ver­fahren finanzielle oder statusbezogene Nachteile etwa im Hinblick auf mögliche Beförderungen verbunden sind, kann dem unter Eilbe­dürf­tig­keits­ge­sichts­punkten durch einstweiligen Rechtsschutz wirksam begegnet werden.

Jedenfalls im Fall eines nachgelagerten effektiven Rechtsschutzes in Gestalt einer gerichtlichen Vollkontrolle ist dem Lebens­zeit­prinzip Genüge getan. Die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis nach dem LDG BW, wie es vom Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg ausgelegt und angewandt wird, ist als gebundene, gerichtlich voll kontrollierbare Entscheidung ausgestaltet.

Kein Beurtei­lungs­spielraum bei Feststellung des endgültigen Vertrau­ens­ver­lustes

Nach dem LDG BW wird ein Beamter aus dem Beamten­ver­hältnis entfernt, wenn er durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren hat. Dabei ist das Persön­lich­keitsbild des Beamten zu berücksichtigen. Bei der Feststellung eines schweren Dienstvergehens sind in be- wie entlastender Weise die objektive Handlung, subjektive Handlungs­merkmale sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte zu berücksichtigen. Hinsichtlich des endgültigen Vertrau­ens­ver­lustes ist zu prüfen, ob auf Grund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen, oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufs­be­am­tentums sei bei einer Fortsetzung des Beamten­ver­hält­nisses nicht wieder­gutz­u­machen. Hierbei sind weder auf Tatbestands- noch auf Rechts­fol­genseite Beurteilungs- oder Ermes­sen­s­pielräume eröffnet. Insbesondere besteht bezogen auf die Feststellung des endgültigen Vertrau­ens­ver­lustes kein Beurtei­lungs­spielraum. Dieser wird nach der hier maßgeblichen ständigen Rechtsprechung vielmehr nach objektiven Kriterien bestimmt. Kontrollfreie Räume verbleiben auch im Hinblick auf ein etwaiges Entschlie­ßungs­er­messen der Behörden angesichts der Besonderheiten der tatbe­stand­lichen Regelungs­struktur nicht. Denn durch die genannten Merkmale sind die denkbaren ermes­sens­re­le­vanten Aspekte auf die Tatbe­standsseite verlagert, sodass bei vernünftiger Betrachtung keine Elemente vorhanden sind, die noch ein Entschlie­ßungs­er­messen eröffnen könnten. In einem derartigen System der gerichtlichen Vollkontrolle bedarf es keiner zumindest partiellen originären gerichtlichen Diszi­pli­na­r­gewalt. Beamte sind durch die nachträgliche Kontrolle der Gerichte hinreichend geschützt, da eine rechtswidrige endgültige Entscheidung abgewendet werden kann.

Damit ist die Frage einer zumindest partiellen originären Diszi­pli­na­r­gewalt von Gerichten bei Entfer­nungs­ent­schei­dungen letztlich nur unter Beschleu­ni­gungs­ge­sichts­punkten relevant. Denn ein rein kassatorisches Urteil kann das Diszi­pli­na­r­ver­fahren erheblich verlängern, wenn die Dienst­vor­ge­setzten erneut eine Diszi­pli­n­a­r­maßnahme verhängen, welche ihrerseits wiederum zur gerichtlichen Überprüfung gestellt wird. Angesichts dieser Verzö­ge­rungs­risiken besteht zwar die Möglichkeit von Spannungen zu dem aus dem Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz folgenden Gebot der zügigen Durchführung eines Diszi­pli­na­r­ver­fahrens. Die mit dem nachgelagerten gerichtlichen Rechtsschutz möglicherweise in Einzelfällen einhergehenden Verzögerungen wiegen jedoch nicht so schwer, dass eine originäre Diszi­pli­na­r­gewalt der Gerichte zwingend erforderlich wäre.

Keine weiteren faktischen Hindernisse für Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes durch Wegfall der Entfernung per Richterspruch

Durch den Wegfall der Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis durch Richterspruch ergeben sich auch keine weiteren faktischen Hindernisse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, welche unter dem Gesichtspunkt des Lebens­zeit­prinzips besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens stellten. Insbesondere sind für den Betroffenen im Fall einer nachgelagerten Kontrolle die Öffentlichkeit der Gerichts­ver­hand­lungen sowie die mit der Klägerstellung einhergehende Kostenbelastung verfas­sungs­rechtlich unbedenklich, zumal auch im System der Diszi­pli­na­rklage der Öffent­lich­keits­grundsatz gilt und ein Kostenrisiko vorhanden ist.

Anhaltspunkte für strukturellen Missbrauch im Sinne "schikanöser Entfernungen" nicht gegeben

An die Ausgestaltung des behördlichen Verfahrens stellt das Lebens­zeit­prinzip bei einer umfassenden und effektiven gerichtlichen Letztkontrolle keine besonderen Anforderungen. Die Sorge, die Verwaltung könnte wegen der Neuregelung von einer erforderlichen Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis aus Gefälligkeit oder Scheu vor einem öffentlichen Gerichtsprozess absehen, sodass untragbare Personen im Dienst verblieben, führt im hiesigen Kontext schon deshalb nicht weiter, weil im Diszi­pli­na­r­kla­ge­system gleichermaßen das Risiko besteht, dass von der Erhebung der Klage trotz Vorliegens der tatbe­stand­lichen Voraussetzungen und unter Verletzung einer Verpflichtung zum Tätigwerden abgesehen wird. Für den gleichsam umgekehrten Fall einer strukturellen Missbrauchs­gefahr im Sinne "schikanöser Entfernungen" fehlt es an substanziellen Anhaltspunkten. Denn wenn die Entfer­nungs­ver­fügung nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, ist sie gerichtlich angreifbar und im Ergebnis aufhebbar. Erfüllt sie hingegen die Voraussetzungen, so ist für die Annahme von Missbrauch kein Raum.

Abweichende Meinung des Richters Huber

Erläuterungen
Das überkommene Verständnis der hergebrachten Grundsätze des Berufs­be­am­tentums mit ihrer Fixierung auf die Weimarer Zeit bedarf insoweit der Modifikation, als sich auch unter der Geltung des Grundgesetzes "hergebrachte Grundsätze" entwickeln konnten und können. Dies wirkt sich im vorliegenden Fall indes nicht aus, weil die Senatsmehrheit die Existenz eines hergebrachten Grundsatzes des Berufs­be­am­tentums, wonach die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst nur durch Richterspruch erfolgen darf, im Ergebnis zutreffend verneint hat.

Allerdings greift die praktisch ersatzlose Streichung des präventiven Richter­vor­behalts bei der Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis unver­hält­nismäßig in Art. 33 Abs. 5 GG ein. Dieser Eingriff wird nicht durch funktional äquivalente Vorkehrungen kompensiert, wie sie etwa ein förmliches, Unpar­tei­lichkeit und Fairness sicherndes Verwal­tungs­ver­fahren darstellen würde. Die bloße Verweisung auf den nachträglichen verwal­tungs­ge­richt­lichen Rechtsschutz genügt insoweit nicht.

Der präventive Richter­vor­behalt gewährleistet Beamtinnen und Beamten nicht nur ein Höchstmaß an effektivem Rechtsschutz. Er sichert zugleich Fairness und Waffen­gleichheit zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn und erschwert eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Diszi­pli­nar­rechts durch den Vorgesetzten. Er ist in Deutschland durch seine jahrzehntelange Geltung zu einer wesentlichen Ausformung des Lebens­zeit­prinzips geworden und damit Teil des effektiven Gewähr­leis­tungs­be­reichs von Art. 33 Abs. 5 GG, den der Gesetzgeber zu beachten hat. Es geht dabei um die Gewährleistung der Unabhängigkeit von Beamtinnen und Beamten, ihren Schutz vor willkürlicher Entfernung aus dem Dienst und den Erhalt des Bewusstseins einer gesicherten Rechtsstellung und um eine wesentliche Absicherung des Lebens­zeit­prinzips im Sinne des Grund­rechts­schutzes durch Verfahren. Die Entfernung aus dem Dienst ist der denkbar schwerste Eingriff der Diszi­pli­na­r­gewalt gegenüber aktiven Beamtinnen und Beamten. Soll dieser Eingriff verhältnismäßig sein, bedarf es besonderer, wirksamer verfah­rens­recht­licher Vorkehrungen, damit diese den mit der Verfü­gungs­be­fugnis des Dienstherrn über ihren Status verbundenen Risiken nicht schutzlos ausgeliefert sind. Entscheidend ist, dass Beamtinnen und Beamte vor willkürlicher Entlassung und ihren Vor- und Nachwirkungen effektiv geschützt bleiben.

§ 38 Abs. 1 LDG BW wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Verglichen mit dem Status quo ante birgt eine Entfernung aus dem Dienst durch Verwaltungsakt empfindliche Nachteile und Risiken für die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten - eine Verlagerung des Prozessrisikos, die Eröffnung wirtschaft­licher und sozialer Unsicherheit, ein Risiko der Stigmatisierung, die Verschärfung der fehlenden Parität zwischen den Parteien, Manipu­la­ti­o­ns­an­fäl­ligkeit etc. -, die die verfas­sungs­rechtlich gebotenen Wirkungen des Lebens­zeit­prinzips beeinträchtigen können. Die ersatzlose Streichung des präventiven Richter­vor­behalts erscheint daher als unver­hält­nis­mäßiger Eingriff in den relativen Normbe­stands­schutz von Art. 33 Abs. 5 GG, der durch die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung allein nicht verhindert wird.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online (pm/kg)

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