21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss13.10.2011

Aussetzung der primären Siche­rungs­ver­wahrung zur Bewährung nicht zu beanstandenFreiheits­grund­rechte durch Aussetzung der Siche­rungs­ver­wahrung zur Bewährung nicht verletzt

Die Aussetzung der Unterbringung eines Straftäters in der primären Siche­rungs­ver­wahrung zur Bewährung ist nicht zu beanstanden. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und erklärte, dass in Fällen der primären Siche­rungs­ver­wahrung, in denen ein dauerhafter weiterer Vollzug der Siche­rungs­ver­wahrung für unver­hält­nismäßig erklärt wurde, die Unterbringung dennoch nicht zwingend für erledigt erklärt werden muss, sondern gemäß der Überg­angs­re­gelung zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Der mehrfach vorbestrafte Beschwer­de­führer wurde im Jahr 2003 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem ordnete das Gericht seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Im Juni 2011 setzte das Oberlan­des­gericht die Unterbringung mit Wirkung zum 2. November 2011 zur Bewährung aus, weil es die nach dem Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 4. Mai 2011 zu stellenden Anforderungen an die Gefah­ren­prognose nicht mehr als erfüllt ansah.

Beschwer­de­führer fühlt sich in Freiheits­grundrecht verletzt

Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde rügt der Beschwer­de­führer insbesondere eine Verletzung seines Freiheits­grund­rechts. Er ist der Auffassung, dass nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts die Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung mit sofortiger Wirkung für erledigt zu erklären und nicht nur zur Bewährung auszusetzen sei.

BVerfG: Verhängte Siche­rungs­ver­wahrung muss nicht mit sofortiger Wirkung für erledigt erklärt werden

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, der Beschwer­de­führer insbesondere nicht in seinen verfas­sungs­mäßigen Rechten verletzt ist. Nach der vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 getroffenen Überg­angs­re­gelung musste die im Fall des Beschwer­de­führers verhängte Siche­rungs­ver­wahrung nicht mit sofortiger Wirkung für erledigt erklärt werden.

Vorschriften über Anordnung und Dauer der Siche­rungs­ver­wahrung unter bestimmten Voraussetzungen für Übergangszeit weiter anwendbar

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 angeordnet, dass die für verfas­sungs­widrig erklärten Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Siche­rungs­ver­wahrung unter bestimmten Voraussetzungen für eine Übergangszeit anwendbar bleiben und dabei zwischen zwei Fallge­stal­tungen unterschieden: In den Fällen der nachträglichen Verlängerung bzw. nachträglichen Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung, in denen die Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung auf Vorschriften beruht, die nicht nur gegen das Abstandsgebot verstoßen, sondern auch das Vertrau­ens­schutzgebot verletzen, darf die Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung nur noch unter Wahrung strikter Verhält­nis­mä­ßig­keits­an­for­de­rungen angeordnet werden. Halten die zuständigen Gerichte diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung nicht für gegeben, haben sie die unverzügliche Entlassung der Betroffenen anzuordnen. Eine zeitlich befristete Fortdauer der Unterbringung zum Zweck der Durchführung von Entlas­sungs­vor­be­rei­tungen kommt nicht in Betracht. Dies hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 15. September 2011 nochmals ausdrücklich klargestellt.

Freilassung auf Grundlage einer Aussetzung zur Bewährung gemäß Überg­angs­re­gelung bei primärer Siche­rungs­ver­wahrung nicht zu beanstanden

Anders verhält es sich dagegen in den Fällen der primären Siche­rungs­ver­wahrung, in denen - wie auch im Fall des Beschwer­de­führers - die Rechtsgrundlage der Unterbringung „nur“ wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebot für verfas­sungs­widrig erklärt wurde. Ist ein dauerhafter weiterer Vollzug der Siche­rungs­ver­wahrung in diesen Fällen unver­hält­nismäßig, muss die Unterbringung nicht zwingend für erledigt erklärt werden. Es ist nach der Überg­angs­re­gelung nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte - als Konkretisierung der gebotenen umfassenden Verhält­nis­mä­ßig­keits­kon­trolle - die Freilassung des Untergebrachten lediglich auf der Grundlage einer Aussetzung zur Bewährung anordnen. Auch die zeitlich befristete Fortdauer der Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung zur Gewährleistung einer erfolgreichen sozialen Wieder­ein­glie­derung ist nach Maßgabe der Verhält­nis­mä­ßigkeit zulässig.

Zeitraum von fünf Monaten für Durchführung erforderlicher Entlas­sungs­vor­be­rei­tungen angemessen

Der vom Oberlan­des­gericht vorliegend bestimmte Zeitraum von fünf Monaten für die Durchführung der erforderlichen Entlas­sungs­vor­be­rei­tungen erscheint angesichts der mehr als sechsjährigen Dauer der Unterbringung des Beschwer­de­führers in der Siche­rungs­ver­wahrung, zuzüglich einer vorher vollstreckten zweijährigen Freiheitsstrafe, angemessen. Er trägt dem Gewicht des Freiheits­an­spruchs des Beschwer­de­führers hinreichend Rechnung.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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