18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil19.10.2011

BGH zur Anwendbarkeit der Siche­rungs­ver­wahrung in der Übergangszeit bis zur gesetzlichen NeuregelungMehrfache Verurteilung wegen schweren Raubes für Anordnung einer Siche­rungs­ver­wahrung nicht ausreichend

Der 2. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung gegen einen Bankräuber aufgehoben und den Wegfall der Unterbringung angeordnet. Nach den Vorgaben einer Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist eine Anordnung zur nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung nur bei Vorliegen der konkreten Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte zulässig. Diese Voraussetzungen sind bei der Verurteilung eines Straftäters wegen Begehens einer Vielzahl von Banküberfällen nicht gegeben.

Der Angeklagte des zugrunde liegenden Falls hatte seit 28 Jahren in immer gleicher Weise, teilweise auch während Hafturlauben, eine Vielzahl von Banküberfällen begangen, wegen derer er mehrfach zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurde. Dabei bedrohte er jeweils mit einer Spiel­zeug­pistole Bankangestellte und Bankkunden und erpresste Bargeldbeträge. Er trat jeweils unmaskiert auf, zeigte keinerlei über die Drohung hinausgehende aggressive Tendenzen und vermied körperliche Konfrontationen. Eine früher angeordnete Sicherungsverwahrung war zur Bewährung ausgesetzt worden; die Aussetzung wurde später widerrufen.

Landgericht Gießen ordnet Siche­rungs­ver­wahrung an

Wegen zweier erneuter, wiederum gleichartiger Taten verurteilte das Landgericht Gießen den Angeklagten zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von sieben Jahren und sechs Monaten und ordnete (erneut) die Siche­rungs­ver­wahrung an.

Anordnung zur Siche­rungs­ver­wahrung gemäß Entscheidung des BVerfG nur noch bei Vorliegen konkreter Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte zulässig

Auf die Revision des Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs die Maßre­ge­l­a­n­ordnung aufgehoben und die Siche­rungs­ver­wahrung entfallen lassen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat im Urteil vom 4. Mai 2011 die Gesamtregelung der Siche­rungs­ver­wahrung für verfas­sungs­widrig erklärt. Nach einer zugleich erlassenen Überg­angs­a­n­ordnung sind die verfas­sungs­widrigen Regelungen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber nur ausnahmsweise und nach Maßgabe einer strikten Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung anwendbar, um in besonders schwerwiegenden Einzelfällen die Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung zu ermöglichen. Eine Anordnung ist danach in der Regel nur bei Vorliegen der konkreten Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte zulässig.

Konkrete Gefahren einer Verletzung der Rechtsgüter Leib, Leben oder sexuelle Selbst­be­stimmung im vorliegenden Fall nicht gegeben

Diese Voraussetzungen lagen nach der Entscheidung des 2. Strafsenats im konkreten Fall nicht vor. Für die Beurteilung kommt es nicht auf die Bezeichnung des gesetzlichen Tatbestandes als "schwerer Raub" an, sondern darauf, ob konkrete Gefahren einer Verletzung der Rechtsgüter Leib, Leben oder sexuelle Selbst­be­stimmung gegeben sind. Gefahren für Vermögen oder Eigentum reichen nicht aus; ebenso wenig bloße Beein­träch­ti­gungen der psychischen Befindlichkeit oder der Freiheit der Willens­be­tä­tigung. Eine Drohung mit Gewalt gegen Leib oder Leben ist nach diesem für die vorübergehende Fortgeltung der verfas­sungs­widrigen Norm besonders strengen Maßstab nur dann als "schwere Gewalttat" anzusehen, wenn objektiv die Gefahr körperlicher Gewalt­ein­wirkung besteht oder der Täter diese Möglichkeit einkalkuliert. Im vorliegenden Fall war dies nach den Feststellungen des Landgerichts ausgeschlossen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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