Dokument-Nr. 13886
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- BVerfGE 131, 239Sammlung: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Band: 131, Seite: 239
- FamRZ 2012, 1472Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2012, Seite: 1472
- JuS 2013, 758Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 758
- NVwZ 2012, 1304Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 2012, Seite: 1304
- Beamte in eingetragener Lebenspartnerschaft haben Anspruch auf den so genannten EhegattenzuschlagBundesverwaltungsgericht, Urteil28.10.2010, BVerwG 2 C 10.09 und BVerwG 2 C 21.09
- Kein Familienzuschlag für eingetragenen LebenspartnerVerwaltungsgericht Hannover, Urteil20.11.2008, 2 A 2293/08, 2 A 7737/05, 2 A 1057/07
- VG Gießen: Eingetragene Lebenspartnerschaften sind besoldungsrechtlich wie Ehen zu behandelnVerwaltungsgericht Gießen, Urteil26.05.2011, 5 K 4331/10.GI
- Beamtenrecht
- Eingetragene Lebenspartnerschaft
- Familienrecht
- Staatsrecht
- Verfassungsrecht
- allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs.1 GG)
- Beamte
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- eingetragene Lebenspartnerschaft
- Homo-Ehe
- Familienzuschlag
- Verheiratetenzuschlag
- Ehegattenzuschlag
- gleichgeschlechtliche
- homosexuelle Lebensgemeinschaft
- Ungleichbehandlung
Bundesverfassungsgericht Beschluss19.06.2012
Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag verfassungswidrigBundesverfassungsgericht rügt Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz
Die Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbesoldungsgesetz - BBesG) ist seit dem 1. August 2001 unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Dem Verfahren liegt die Verfassungsbeschwerde eines seit 2002 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Bundesbeamten zugrunde, dessen Antrag auf Zahlung des Familienzuschlages im Jahr 2003 abgelehnt wurde. Seine hiergegen gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg.
Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG
Da während des anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens die Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Bundesbesoldungsrecht rückwirkend zum 1. Januar 2009 beseitigt worden ist, hatte das Bundesverfassungsgericht nur noch über die Verfassungsmäßigkeit der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechtslage zu befinden. Ferner hat der Senat entschieden, dass die angegriffenen, auf der verfassungswidrigen Norm beruhenden Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Gleiches ist gleich, Ungleiches ungleich zu behandeln
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird.
Im Fall der Ungleichbehandlung Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streng zu beachten
Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung des Gesetzgebers an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; dies gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten (nur) mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung von Personengruppen sind umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Dies ist etwa bei Differenzierungen nach der sexuellen Orientierung der Fall.
Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau hat eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz
Das Grundgesetz stellt in Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Damit garantiert die Verfassung nicht nur das Institut der Ehe, sondern gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz. Um diesem Schutzauftrag Genüge zu tun, ist es insbesondere Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern.
Ehe darf als dauerhafte Paarbeziehung gegenüber anderen Lebensformen begünstigt werden
Wegen des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrages ist der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, die Ehe als rechtlich verbindliche und in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten (etwa bei Krankheit oder Mittellosigkeit) ausgestattete dauerhafte Paarbeziehung gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG bildet einen sachlichen Differenzierungsgrund, der in erster Linie zur Rechtfertigung einer Besserstellung der Ehe gegenüber anderen, durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägten Lebensgemeinschaften geeignet ist.
Privilegierung der Ehe bei gleichzeitiger Benachteiligung vergleichbarer Lebensformen nicht gerechtfertigt
Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer, in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasster Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zwecken vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung indes nicht. In solchen Fällen bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung dieser anderen Lebensformen rechtfertigt.
Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft ungerechtfertigt
Allein der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG vermag die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft nicht zu rechtfertigen. Es fehlt auch an weiteren sachlichen Gründen für die Rechtfertigung der Besserstellung verheirateter Beamter.
Gegenseitige Einstandspflichten in Ehe und Lebenspartnerschaft bereits weitgehend angeglichen
In den Grundstrukturen der familienrechtlichen Institute der Ehe und der Lebenspartnerschaft bestehen bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede. Insbesondere sind der Grad der rechtlichen Bindung und die gegenseitigen Einstandspflichten bereits seit dem Lebenspartnerschaftsgesetz des Jahres 2001 in Ehe und Lebenspartnerschaft weitgehend angeglichen. Mit dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft noch näher an das Eherecht angeglichen und auf die Normen zur Ehe in weitem Umfang Bezug genommen.
Grund für Privilegierung verheirateter Beamter im Verhältnis zu in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten nicht ersichtlich
Tragfähige sachliche Gründe für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von verheirateten und in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten ergeben sich nicht aus dem Normzweck des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Dem ehegattenbezogenen Teil des Familienzuschlags kommt eine „soziale, nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion“ zu, mit der im Interesse der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamten- und Richtertums zur Unabhängigkeit auch des verheirateten Bediensteten beigetragen werden soll. Soweit § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG verheirateten Beamten einen Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 1 gewährt, soll er faktische Mehrbedarfe verheirateter Beamter vor allem im Vergleich zu ledigen Beamten ausgleichen. Dieser Gesetzeszweck kann eine Privilegierung verheirateter Beamter im Verhältnis zu in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten nicht rechtfertigen, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass die mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG auszugleichenden Mehrbedarfe nicht ebenso bei in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten bestehen.
Gesetzgeber muss festgestellten Verfassungsverstoß rückwirkend beseitigen
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß für die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Beamten, die ihren Anspruch auf Auszahlung des Familienzuschlags zeitnah geltend gemacht haben, rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Wirkung zum 1. August 2001 zu beseitigen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.08.2012
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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