15.11.2024
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Dokument-Nr. 8127

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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.06.2009

Bundes­ver­fas­sungs­gericht lehnt Beschwerde des NS-Verbrechers Demjanjuk abBegründungen für angebliche Grund­rechts­ver­let­zungen unplausibel und nicht ausreichend

Die Verfas­sungs­be­schwerde des mutmaßlichen NS-Kriegs­ver­brechers John Demjanjuk wurde als unzulässig erklärt, da der Beschwer­de­führer eine Grund­rechts­ver­letztung von ihm nicht substantiiert begründet werden konnte. Die Abschiebung nach Deutschland sei rechtmäßig erfolgt. Die entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Der in der Ukraine geborene und zurzeit staatenlose Beschwer­de­führer John Demjanjuk befindet sich seit dem 12. Mai 2009 aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts München in Unter­su­chungshaft. Dem Beschwer­de­führer, der am Tage seiner Inhaftierung von den USA nach Deutschland abgeschoben beziehungsweise überstellt wurde, wird vorgeworfen, sich im Jahre 1943 im deutschen Vernich­tungslager Sobibor im damals besetzten Polen in mindestens 29.000 Fällen der Beihilfe zum Mord gemäß § 211, § 27, § 52 StGB strafbar gemacht zu haben, indem er als Aufseher die Menschen in die Gaskammern getrieben habe. Ein amerikanisches Bundesgericht erklärte die Abschiebung Demjanjuks, dem die amerikanische Staats­bür­ger­schaft aberkannt worden war, in die Ukraine, nach Polen oder nach Deutschland für zulässig. Gegen diese Entscheidungen eingelegte Rechtsmittel hatten sämtlich keinen Erfolg. Während sowohl Polen als auch die Ukraine eine Aufnahme des Beschwer­de­führers im Rahmen der von den USA geplanten Abschiebung jeweils ablehnten, erklärte sich die Bundesrepublik Deutschland zu seiner Aufnahme bereit. Demjanjuks wandte sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Verwal­tungs­gericht Berlin, mit dem Ziel, die Bundesrepublik Deutschland vorläufig zu verpflichten, seine Überstellung aus den USA in die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Dieser Antrag und die gegen die ablehnende Entscheidung vor dem Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg erhobene Beschwerde blieben jeweils erfolglos. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die vom Beschwer­de­führer hiergegen erhobene Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Diese ist unzulässig, weil Demjanjuk eine Grund­rechts­ver­letzung nicht substantiiert begründet hat.

Berufen auf Schutzrechte aus Auslie­fe­rungs­vertrag nicht möglich

Demjanjuk legt weder dar, woraus sich ein gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zustehender individueller Anspruch auf Einhaltung und Durchführung eines seine Person betreffenden Auslie­fe­rungs­ver­fahrens dem Grunde nach ergeben soll, noch, in welchen konkreten Grundrechten er im Einzelnen verletzt worden ist. Dies gilt auch für seine pauschale Behauptung, dass durch die streit­ge­gen­ständliche Vorgehensweise der USA und der Bundesrepublik Deutschland seine ihm durch das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und den zwischen diesen beiden Staaten bestehenden Auslie­fe­rungs­vertrag gewährten Schutzrechte ausgeschaltet würden. Der Beschwer­de­führer verkennt insoweit, dass Rechte und Pflichten aus einem völkerrechtlich wirksamen Auslie­fe­rungs­vertrag soweit, wie hier, in ihm nichts anderes vereinbart ist nur den Vertragsstaaten erwachsen. Der Beschwer­de­führer kann sich deshalb als natürliche Person nicht auf den Auslie­fe­rungs­vertrag, dessen Verletzung und Umgehung berufen.

Kein Eingriff in die Freiheit Demjanjuks

Der darüber hinaus erhobene Einwand Demjanjuks, die USA hätten ihm zu keinem Zeitpunkt die im Auslie­fe­rungs­vertrag garantierten Rechte gewährt, ist ebenfalls nicht ausreichend begründet. Der Beschwer­de­führer legt weder dar, welche konkreten, ihn individuell schützenden Rechte vorliegend umgangen worden sind, noch auf welche Art und Weise er sich hiergegen vor amerikanischen Gerichten zur Wehr gesetzt hat. Sein Vortrag erschöpft sich im Wesentlichen in einer pauschalen Kritik an der Vorgehensweise insbesondere der amerikanischen Behörden, deren Entscheidungen als Akte ausländischer Staaten mit der Verfas­sungs­be­schwerde nicht angreifbar sind. Die vom Beschwer­de­führer im Schwerpunkt geltend gemachten Rechtsverluste sind ausschließlich unmittelbare Folge der Entscheidung der amerikanischen Behörden; insbesondere die Anordnung und Durchführung der erfolgten Abschiebung beziehungsweise Überstellung des Beschwer­de­führers wurde in dortiger alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung getroffen. Die von der Bundesrepublik Deutschland hierzu erklärte Einver­ständ­ni­s­er­klärung zur anschließenden Aufnahme des Beschwer­de­führers enthielt ebenso wie ein Einlie­fe­rungs­er­suchen in einem förmlichen Auslie­fe­rungs­ver­fahren für den Beschwer­de­führer hingegen keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Sie bewirkte weder unmittelbar noch mittelbar einen der Bundesrepublik Deutschland zurechenbaren Eingriff in die Freiheit Demjanjuks.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 76/09 des BVerfG vom 08.07.2009

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