Dokument-Nr. 12481
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- BVerfG: Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm erfolglosBundesverfassungsgericht, Urteil07.09.2011, 2 BvR 987/10
- Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verhinderung des "Euro-Rettungsschirms" nicht erfolgreichBundesverfassungsgericht, Beschluss09.06.2010, 2 BvR 1099/10
Bundesverfassungsgericht Beschluss27.10.2011
„Euro-Rettungsschirm“: Vorläufig keine Übertragung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf 9-er SondergremiumBundesverfassungsgericht stoppt vorerst EFSF-Sondergremium zur Euro-Rettung
Das neue so genannte 9-er Sondergremium des Bundestages darf vorerst nicht in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit im Hinblick auf Notmaßnahmen zur Euro-Rettung entscheiden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht und gab mit seiner einstweiligen Anordnung dem Antrag von Abgeordneten des Deutschen Bundestages statt, die sich durch die Delegation der parlamentarischen Haushaltsverantwortung auf das 9-er Sondergremium in ihrem Abgeordnetenstatus verletzt sahen.
Als Reaktion auf die Staatsschuldenkrise im Gebiet der Europäischen Währungsunion schufen deren Mitgliedstaaten den „Euro-Rettungsschirm“, in dessen Rahmen eine privatrechtlich organisierte Zweckgesellschaft, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) gegründet worden ist. Diese Zweckgesellschaft erhält Garantien von den Euro-Mitgliedstaaten, um die Mittel an den Kapitalmärkten aufzunehmen, die sie für überschuldete Mitgliedstaaten bereitstellt. Mit dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz - StabMechG) vom 22. Mai 2010 legte der Bundesgesetzgeber auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für die Leistung finanziellen Beistands fest.
Mitgliedsstaaten beschließen EFSF zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise mit weiteren, flexibleren Instrumenten auszustatten
Im Mai/Juli 2011 kamen die Mitgliedstaaten überein, die vereinbarte maximale Darlehenskapazität der EFSF von 440 Milliarden Euro in vollem Umfang bereitzustellen und die EFSF mit weiteren, flexibleren Instrumenten zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise und der gestiegenen Ansteckungsgefahren unter den Euro-Mitgliedstaaten auszustatten. Die europäischen Vereinbarungen wurden in Deutschland durch das am 14. Oktober 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes umgesetzt, das nunmehr einen auf rund 211 Milliarden Euro erhöhten Gewährleistungsrahmen der Bundesrepublik Deutschland vorsieht, die erweiterten Instrumente der EFSF definiert und die Voraussetzungen ihres Einsatzes festlegt.
Neuregelung der Beteiligungsrechte des Bundestages
Zudem wurden die Beteiligungsrechte des Bundestages neu geregelt. Danach bedürfen Entscheidungen des deutschen Vertreters in der EFSF grundsätzlich der Zustimmung des Bundestages. In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit und Vertraulichkeit soll dieses Beteiligungsrecht jedoch gemäß § 3 Abs. 3 StabMechG von einem neu zu schaffenden Gremium ausgeübt werden, deren Mitglieder aus den gegenwärtig 41 Mitgliedern des Haushaltsausschusses zu wählen sind. Bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren soll nach der Neuregelung regelmäßig besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit vorliegen. In allen übrigen Fällen kann beides von der Bundesregierung geltend gemacht werden. Hiergegen steht dem Haushaltsausschuss ein Widerspruchsrecht zu, das nur mit Mehrheit ausgeübt werden kann, um wieder eine Zustimmungskompetenz des gesamten Bundestages zu erreichen. Darüber hinaus können nach § 5 Abs. 7 StabMechG die Unterrichtungsrechte des Bundestages auf das Gremium übertragen werden.
Am 26. Oktober 2011 hat der Bundestag die neun Mitglieder des Gremiums gewählt (so genanntes 9-er Sondergremium).
Abgeordnete des Deutschen Bundestages sehen sich durch Delegation auf 9-er Sondergremium in Abgeordnetenstatus verletzt
Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages und wenden sich im Wege des Organstreitverfahrens verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die mit der Gesetzesänderung eingeführte Neuregelung der Beteiligung des Bundestages. Sie sehen sich durch die Delegation der parlamentarischen Haushaltsverantwortung auf das 9-er Sondergremium in ihrem Abgeordnetenstatus gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
Beteiligungsrechte des Bundestages dürfen vorerst nicht durch neues Gremium wahrgenommen werden
Das Bundesverfassungsgericht hat im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden, dass bis zur Entscheidung im Organstreitverfahren die Beteiligungsrechte des Bundestages nicht durch das neu konstituierte Gremium wahrgenommen werden dürfen.
Vorläufige Nichtausübung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte durch Sondergremium führt nicht zu Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung
Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Folgenabwägung ergibt, dass den Antragstellern gewichtige Nachteile entstünden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge und sich das Organstreitverfahren später als begründet erwiese. Sie könnten zwischenzeitlich in ihren Statusrechten als Abgeordnete aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG irreversibel verletzt werden. Denn bis zur Entscheidung in der Hauptsache könnte das Sondergremium Entscheidungen treffen, die die Statusrechte der Antragsteller im Hinblick auf die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berühren, so etwa indem es die Zustimmung zu einer Notmaßnahme der EFSF auf Antrag eines Mitgliedstaates der Euro-Zone erteilte. Diese mögliche Rechtsverletzung wäre durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machen, da die Bundesrepublik Deutschland nach erfolgter Zustimmung völkerrechtlich bindende Verpflichtungen eingegangen wäre. Demgegenüber wiegen die Nachteile weniger schwer, die entstünden, wenn das Bundesverfassungsgericht die begehrte einstweilige Anordnung erließe, in der Hauptsache aber dem Antrag im Organstreitverfahren der Erfolg zu versagen wäre. Die Nichtausübung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte durch das Sondergremium bis zur Hauptsacheentscheidung führte nicht dazu, dass die erforderliche Handlungsfähigkeit der Bundesregierung in diesem Zeitraum nicht gewährleistet wäre. Vielmehr kann die Bundesregierung jederzeit notwendige Zustimmungen gegenüber dem Deutschen Bundestag beantragen, über die dann das Plenum entscheidet.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.10.2011
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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