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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.12.2014
Organstreitverfahren im Zusammenhang mit der Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten erfolglosBundesverfassungsgericht erklärt Antrage für teilweise unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet
Das Bundesverfassungsgericht hat Anträge im Organstreitverfahren gegen die 15. Bundesversammlung sowie gegen den Bundestagspräsidenten als deren Leiter verworfen, da sie laut Bundesverfassungsgericht teilweise unzulässig, teilweise jedenfalls offensichtlich unbegründet sind.
Das mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Organstreitverfahren betrifft die Rechte eines durch die Volksvertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern gewählten Mitglieds der 15. Bundesversammlung anlässlich der Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten am 18. März 2012. Neben neun Anträgen im Organstreitverfahren begehrt der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung, den mecklenburg-vorpommerschen Strafverfolgungsbehörden bis zur Hauptsacheentscheidung in dem Organstreitverfahren jegliche Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn zu untersagen.
BVerfG erklärt Anträge für unzulässig bzw. unbegründet
Das Bundesverfassunsgericht hat die Anträge als teilweise unzulässig, teilweise jedenfalls offensichtlich unbegründet verworfen (§ 24 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz).
Nach dem Hauptantrag zu 9. soll die Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten durch die 15. Bundesversammlung für ungültig erklärt und eine Wiederholungswahl angeordnet werden. Dies ist unmittelbar auf eine im Organstreitverfahren unzulässige Rechtsgestaltung und den Ausspruch einer Verpflichtung gerichtet. Der Hilfsantrag zu 9. ist ebenfalls nicht auf ein zulässiges Rechtsschutzziel gerichtet. Er zielt auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl und damit auf eine Feststellung mit gestaltender Wirkung.
Hinsichtlich der Anträge zu 5. und 8. ist der Antragsteller nicht antragsbefugt. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muss ein Antragsteller im Organstreitverfahren geltend machen, durch eine Maßnahme des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten verletzt zu sein. Dem Antragsteller steht von Verfassungs wegen kein organschaftliches Recht zu, die Wahl der von anderen Ländern in die Bundesversammlung entsandten Delegierten zu rügen und mit dieser Begründung die ordnungsgemäße Zusammensetzung der Bundesversammlung auf den Prüfstand zu stellen. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung der Bundesversammlung nach § 5 Satz 3 Bundespräsidentenwahlgesetz über ihre eigene Zusammensetzung waren vorliegend nicht erfüllt.
Hinsichtlich der weiteren Anträge kann offen bleiben, ob sie zulässig sind, denn sie sind jedenfalls offensichtlich unbegründet.
Abgabe der Stimmen und ihre Auszählung bedarf keines Rede- und Antragsrechts
Die 15. Bundesversammlung hat durch den Beschluss einer Geschäftsordnung, wonach Anträge nur schriftlich eingereicht werden können und eine Aussprache nicht stattfindet, keine dem Antragsteller durch die Verfassung eingeräumten Rechte verletzt (Antrag zu 6.). Die Abgabe der Stimmen und ihre Auszählung bedürfen eines Rede- und Antragsrechts grundsätzlich nicht. Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl in der Bundesversammlung, welche möglicherweise ein verfassungsrechtliches Rederecht begründen könnten, macht der Antragsteller nicht geltend.
Bundestagspräsident hat keine organschaftlichen Rechte des Antragstellers verletzt
Der Bundestagspräsident als Leiter der Bundesversammlung hat keine organschaftlichen Rechte des Antragstellers verletzt, indem er den von diesem eingebrachten Geschäftsordnungsentwurf - bis auf den hieraus entnommenen Antrag auf Benennung von Wahlbeobachtern - nicht zur Abstimmung gestellt hat (Antrag zu 4.). Die vom Antragsteller beantragte Ausgestaltung der Geschäftsordnung, nach der den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten Gelegenheit gegeben werden sollte, sich bis zu 30 Minuten in freier Rede vorzustellen, hätte eine Verletzung des Ausspracheverbots des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 GG bedeutet. Der Bundestagspräsident war schon deshalb nicht verpflichtet, dem Antragsteller das Wort zur Begründung seines Geschäftsordnungsentwurfes zu erteilen (Antrag zu 3.). Zudem sieht der auf Grundlage von Art. 54 Abs. 7 GG erlassene § 8 Satz 2 Bundespräsidentenwahlgesetz die Geltung der Geschäftsordnung des Bundestages nur vor, „sofern“ sich nicht die Bundesversammlung eine eigene Geschäftsordnung gibt. Ist - wie hier - bereits erkennbar, dass die Bundesversammlung hiervon Gebrauch machen möchte, kommt die Geschäftsordnung des Bundestages nicht zum Tragen. Dabei ist das Vorgehen des Bundestagspräsidenten nicht zu beanstanden, über den von der Mehrheit der Bundesversammlung getragenen Antrag zur Geschäftsordnung vorrangig, jedenfalls vor Erteilung des Worts an ein Mitglied der Bundesversammlung, abstimmen zu lassen. Denn der Antrag hatte erkennbar zum Ziel, in der Bundesversammlung generell keine Redebeiträge zuzulassen. Diese Zielrichtung wäre unterlaufen worden, hätte der Bundestagspräsident dem Antragsteller zuvor das Wort erteilt. Der Bundestagspräsident hat keine organschaftlichen Rechte des Antragstellers dadurch verletzt, dass er dessen Antrag auf Ausschließung von Mitgliedern der Bundesversammlung wegen einer Fehlerhaftigkeit ihrer Wahl in den Volksvertretungen der Länder nicht zur Abstimmung gestellt hat (Antrag zu 2.). Die Voraussetzungen für die (subsidiäre) Befassung der Bundesversammlung mit der Wahlprüfung gemäß § 5 Satz 3 Bundespräsidentenwahlgesetz waren ersichtlich nicht erfüllt; die Bundesversammlung war daher nicht befugt, sich mit diesem offensichtlich gegen Art. 54 Abs. 3 GG verstoßenden Antrag zu befassen.
Bundestagspräsident musste Antragsteller nicht zur Begründung des Antrags das Wort erteilen
Da sich die Bundesversammlung mit dem Antrag auf Ausschließung von Mitgliedern der Bundesversammlung wegen einer Fehlerhaftigkeit ihrer Wahl in den Volksvertretungen der Länder von Verfassungs wegen nicht befassen durfte, war der Bundestagspräsident auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller zur Begründung dieses Antrags das Wort zu erteilen (Antrag zu 1.).
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl gebietet nicht Zulassung von „Wahlbeobachtern“
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl die Zulassung von „Wahlbeobachtern“, die durch Wahlvorschlagsträger benannt werden, bei der Auszählung der Stimmen und der Ermittlung des Wahlergebnisses nicht gebietet (Antrag zu 7.).
Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.01.2015
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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