21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.12.2014

Organ­streit­verfahren im Zusammenhang mit der Wahl von Joachim Gauck zum Bundes­prä­si­denten erfolglosBundes­verfassungs­gericht erklärt Antrage für teilweise unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet

Das Bundes­verfassungs­gericht hat Anträge im Organ­streit­verfahren gegen die 15. Bundes­ver­sammlung sowie gegen den Bundes­tags­präsidenten als deren Leiter verworfen, da sie laut Bundes­verfassungs­gericht teilweise unzulässig, teilweise jedenfalls offensichtlich unbegründet sind.

Das mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Organ­streit­ver­fahren betrifft die Rechte eines durch die Volksvertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern gewählten Mitglieds der 15. Bundesversammlung anlässlich der Wahl Joachim Gaucks zum Bundes­prä­si­denten am 18. März 2012. Neben neun Anträgen im Organ­streit­ver­fahren begehrt der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung, den mecklenburg-vorpommerschen Straf­ver­fol­gungs­be­hörden bis zur Haupt­sa­cheent­scheidung in dem Organ­streit­ver­fahren jegliche Straf­ver­fol­gungs­maß­nahmen gegen ihn zu untersagen.

BVerfG erklärt Anträge für unzulässig bzw. unbegründet

Das Bundes­ver­fas­suns­gericht hat die Anträge als teilweise unzulässig, teilweise jedenfalls offensichtlich unbegründet verworfen (§ 24 Satz 1 Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­gesetz).

Nach dem Hauptantrag zu 9. soll die Wahl von Joachim Gauck zum Bundes­prä­si­denten durch die 15. Bundes­ver­sammlung für ungültig erklärt und eine Wieder­ho­lungswahl angeordnet werden. Dies ist unmittelbar auf eine im Organ­streit­ver­fahren unzulässige Rechts­ge­staltung und den Ausspruch einer Verpflichtung gerichtet. Der Hilfsantrag zu 9. ist ebenfalls nicht auf ein zulässiges Rechts­schutzziel gerichtet. Er zielt auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl und damit auf eine Feststellung mit gestaltender Wirkung.

Hinsichtlich der Anträge zu 5. und 8. ist der Antragsteller nicht antragsbefugt. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muss ein Antragsteller im Organ­streit­ver­fahren geltend machen, durch eine Maßnahme des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten verletzt zu sein. Dem Antragsteller steht von Verfassungs wegen kein organ­schaft­liches Recht zu, die Wahl der von anderen Ländern in die Bundes­ver­sammlung entsandten Delegierten zu rügen und mit dieser Begründung die ordnungsgemäße Zusammensetzung der Bundes­ver­sammlung auf den Prüfstand zu stellen. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung der Bundes­ver­sammlung nach § 5 Satz 3 Bundes­prä­si­den­ten­wahl­gesetz über ihre eigene Zusammensetzung waren vorliegend nicht erfüllt.

Hinsichtlich der weiteren Anträge kann offen bleiben, ob sie zulässig sind, denn sie sind jedenfalls offensichtlich unbegründet.

Abgabe der Stimmen und ihre Auszählung bedarf keines Rede- und Antragsrechts

Die 15. Bundes­ver­sammlung hat durch den Beschluss einer Geschäfts­ordnung, wonach Anträge nur schriftlich eingereicht werden können und eine Aussprache nicht stattfindet, keine dem Antragsteller durch die Verfassung eingeräumten Rechte verletzt (Antrag zu 6.). Die Abgabe der Stimmen und ihre Auszählung bedürfen eines Rede- und Antragsrechts grundsätzlich nicht. Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl in der Bundes­ver­sammlung, welche möglicherweise ein verfas­sungs­recht­liches Rederecht begründen könnten, macht der Antragsteller nicht geltend.

Bundes­tags­prä­sident hat keine organ­schaft­lichen Rechte des Antragstellers verletzt

Der Bundes­tags­prä­sident als Leiter der Bundes­ver­sammlung hat keine organ­schaft­lichen Rechte des Antragstellers verletzt, indem er den von diesem eingebrachten Geschäfts­ord­nungs­entwurf - bis auf den hieraus entnommenen Antrag auf Benennung von Wahlbeobachtern - nicht zur Abstimmung gestellt hat (Antrag zu 4.). Die vom Antragsteller beantragte Ausgestaltung der Geschäfts­ordnung, nach der den Kandidaten für das Amt des Bundes­prä­si­denten Gelegenheit gegeben werden sollte, sich bis zu 30 Minuten in freier Rede vorzustellen, hätte eine Verletzung des Ausspra­che­verbots des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 GG bedeutet. Der Bundes­tags­prä­sident war schon deshalb nicht verpflichtet, dem Antragsteller das Wort zur Begründung seines Geschäfts­ord­nungs­ent­wurfes zu erteilen (Antrag zu 3.). Zudem sieht der auf Grundlage von Art. 54 Abs. 7 GG erlassene § 8 Satz 2 Bundes­prä­si­den­ten­wahl­gesetz die Geltung der Geschäfts­ordnung des Bundestages nur vor, „sofern“ sich nicht die Bundes­ver­sammlung eine eigene Geschäfts­ordnung gibt. Ist - wie hier - bereits erkennbar, dass die Bundes­ver­sammlung hiervon Gebrauch machen möchte, kommt die Geschäfts­ordnung des Bundestages nicht zum Tragen. Dabei ist das Vorgehen des Bundes­tags­prä­si­denten nicht zu beanstanden, über den von der Mehrheit der Bundes­ver­sammlung getragenen Antrag zur Geschäfts­ordnung vorrangig, jedenfalls vor Erteilung des Worts an ein Mitglied der Bundes­ver­sammlung, abstimmen zu lassen. Denn der Antrag hatte erkennbar zum Ziel, in der Bundes­ver­sammlung generell keine Redebeiträge zuzulassen. Diese Zielrichtung wäre unterlaufen worden, hätte der Bundes­tags­prä­sident dem Antragsteller zuvor das Wort erteilt. Der Bundes­tags­prä­sident hat keine organ­schaft­lichen Rechte des Antragstellers dadurch verletzt, dass er dessen Antrag auf Ausschließung von Mitgliedern der Bundes­ver­sammlung wegen einer Fehler­haf­tigkeit ihrer Wahl in den Volks­ver­tre­tungen der Länder nicht zur Abstimmung gestellt hat (Antrag zu 2.). Die Voraussetzungen für die (subsidiäre) Befassung der Bundes­ver­sammlung mit der Wahlprüfung gemäß § 5 Satz 3 Bundes­prä­si­den­ten­wahl­gesetz waren ersichtlich nicht erfüllt; die Bundes­ver­sammlung war daher nicht befugt, sich mit diesem offensichtlich gegen Art. 54 Abs. 3 GG verstoßenden Antrag zu befassen.

Bundes­tags­prä­sident musste Antragsteller nicht zur Begründung des Antrags das Wort erteilen

Da sich die Bundes­ver­sammlung mit dem Antrag auf Ausschließung von Mitgliedern der Bundes­ver­sammlung wegen einer Fehler­haf­tigkeit ihrer Wahl in den Volks­ver­tre­tungen der Länder von Verfassungs wegen nicht befassen durfte, war der Bundes­tags­prä­sident auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller zur Begründung dieses Antrags das Wort zu erteilen (Antrag zu 1.).

Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl gebietet nicht Zulassung von „Wahlbeobachtern“

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat wiederholt entschieden, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl die Zulassung von „Wahlbeobachtern“, die durch Wahlvor­schlags­träger benannt werden, bei der Auszählung der Stimmen und der Ermittlung des Wahlergebnisses nicht gebietet (Antrag zu 7.).

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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