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18.01.2025  
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Bundesverfassungsgericht Beschluss11.12.2019

Ungleich­be­handlung eingetragener Lebens­partner­schaften bei der Zusatz­ver­sorgung im öffentlichen DienstVerfassungs­beschwerde erfolgreich

Das Bundes­verfassungs­gericht hat der Verfassungs­beschwerde eines ehemaligen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes stattgegeben, der in eingetragener Leben­s­part­ner­schaft lebt, für den aber eine Zusatzrente der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBL) wie für ledige Versicherte berechnet worden war. Zwar waren die Fachgerichte zutreffend davon ausgegangen, dass verpartnerte Versicherte bei der Berechnung der Zusatzrente so zu behandeln sind wie Verheiratete. Doch durfte dies nicht von einem Antrag abhängig gemacht werden, da verpartnerte Versicherte damals nicht erkennen konnten, dass sie diesen Antrag hätten stellen müssen. Weder bezog sich die Antragsregel auf sie noch hielt die damals herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Fachliteratur eine Gleichstellung für geboten. Die formal gleiche Anforderung, einen Antrag auf eine günstigere Berechnung der Zusatzrente zu stellen, führt in diesem Fall zu einer ungerecht­fer­tigten Ungleich­be­handlung. Sie ist rückwirkend zu beseitigen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhalten nach Renteneintritt regelmäßig eine Zusatzversorgung über die VBL. Diese wurde bei Eheleuten nach deren günstigeren Steuerklasse berechnet, wenn sie nach § 56 Abs. 1 Satz 4 der Satzung der VBL in der damals geltenden Fassung (VBLS a. F.) einen entsprechenden Antrag stellten. Der Beschwer­de­führer bezieht seit 1998 eine solche Zusatzrente, der die für Unverheiratete geltende Steuerklasse I/ zugrunde gelegt worden war. Er begründete im Jahr 2001 eine eingetragene Leben­s­part­ner­schaft, worüber er die VBL im Oktober 2006 unterrichtete, und beantragte 2011 eine Neuberechnung seiner Rente ab dem Zeitpunkt der Verpartnerung wie für Eheleute. Die VBL leistete daraufhin eine Nachzahlung nur für den Zeitraum ab der Mitteilung über die Verpartnerung, da für die Zeit zuvor ein Antrag fehle. Die Klage auf eine höhere Zusatzrente für die Zeit davor blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Bei Prüfung einer möglicherweise gerecht­fer­tigten Ungleich­be­handlung zwischen verheirateten und verpartnerten Personen gelten strenge Maßstäbe

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die angegriffenen Urteile den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, soweit sie für die Zeit vor November 2006 einen Anspruch auf Neuberechnung der Rente unter Verweis auf den fehlenden Antrag verneinen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet die allgemeine Gleich­be­handlung. Dabei verschärfen sich die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung umso mehr, je weniger die Merkmale, an die sie anknüpft, für die Betroffenen verfügbar sind und je mehr sich diese Merkmale den in dem besonderen Gleich­be­hand­lungsgebot des Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich benannten Merkmalen annähern. Das ist bei der Ungleich­be­handlung von Menschen in einer Ehe und in einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft der Fall, denn sie knüpft an das perso­nen­be­zogene Merkmal der sexuellen Orientierung an. Daher gilt für die Prüfung, ob eine Ungleich­be­handlung zwischen verheirateten und verpartnerten Personen zu rechtfertigen ist, ein strenger Maßstab.

Beschwer­de­führer in nicht gerecht­fer­tigter Weise benachteiligt

Wenden die Gerichte die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 4 VBLS a. F., wonach nur auf Antrag für die Zusatzrente die für Ehepaare geltende günstigere Steuerklasse zugrunde gelegt wird, uneingeschränkt auf verpartnerte Versicherte an, benachteiligt das den Beschwer­de­führer in nicht gerecht­fer­tigter Weise. Die Gerichte haben hier verkannt, dass die formal gleiche Anwendung einer Bestimmung auf Lebens­sach­verhalte, die in diskri­mi­nie­render Weise ungleich geregelt waren, eine Diskriminierung fortschreiben kann.

formale Gleich­be­handlung bewirkte tatsächlich Ungleich­be­handlung in der Sache

Die formale Gleich­be­handlung hinsichtlich des erforderlichen Antrags auf Neuberechnung der Zusatzrente bewirkt hier eine verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigte Ungleich­be­handlung. Zwar scheint es formal gleich, sowohl verheiratete als auch verpartnerte Anspruchs­be­rechtigte an einen Antrag zu binden. Tatsächlich war die Situation der Betroffenen jedoch in dem hier streitigen Zeitraum in einer Weise unterschiedlich, dass die formale Gleich­be­handlung tatsächlich eine Ungleich­be­handlung in der Sache bewirkt. Im Unterschied zu Eheleuten konnten verpartnerte Versicherte nach damals geltendem Recht nicht erkennen, dass sie ebenso wie Eheleute einen Antrag hätten stellen müssen. Die Regelung zum Antrags­er­for­dernis galt für sie schon nach dem Wortlaut nicht, denn eine Renten­be­rechnung auf Grundlage der günstigeren Steuerklasse war nur für Verheiratete vorgesehen. Zudem waren Rechtsprechung und Fachliteratur damals mehrheitlich der Auffassung, eine Gleichstellung zugunsten des Beschwer­de­führers mit der Ehe sei nicht geboten. Geändert hat sich dies erst mit dem Beschluss des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 7. Juli 2009 (BVerfGE 124, 199). Erst dann war für verpartnerte Versicherte erkennbar, dass eine Regelung, die sich auf Eheleute bezog, auch auf sie Anwendung finden würde, und auch sie einen Antrag stellen müssen, um die daran gebundenen positiven Wirkungen zu erreichen.

Durch frühere Ungleich­be­handlung zwischen Ehe und Leben­s­part­ner­schaft entstandener Nachteil durfte für Betroffene nicht fortgeschrieben werden

Der VBL ist hier nicht vorzuwerfen, sie habe sich treuwidrig verhalten oder es pflichtwidrig unterlassen, verpartnerte Versicherte über die Möglichkeit einer Antragstellung umfassend informiert zu haben. Sie durfte ebenso wie der Beschwer­de­führer damals davon ausgehen, dass verpartnerte Versicherte keine Zusatzrenten erhalten würden. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein aus der damaligen Ungleich­be­handlung zwischen Ehe und Leben­s­part­ner­schaft entstandener Nachteil für die Betroffenen fortgeschrieben werden dürfte. Wird ein Verstoß gegen das Gleich­be­hand­lungsgebot festgestellt, folgt daraus vielmehr grundsätzlich die Verpflichtung, die Rechtslage rückwirkend verfas­sungsgemäß zu gestalten. Eine auf den Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft zurückwirkende Gleich­be­handlung verpartnerter und verheirateter Personen lässt sich nur erreichen, indem auf einen entsprechenden kurz danach gestellten Antrag hin die Rente auch rückwirkend angepasst wird. Daher kann der Beschwer­de­führer hier verlangen, dass seine Versor­gungsrente unter Zugrundelegung der Lohnsteu­er­klasse III/ rückwirkend auf den Zeitpunkt der Begründung seiner eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft neu berechnet wird.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online (pm/kg)

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