15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Dokument-Nr. 10005

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss13.04.2010

BVerfG: Zur Lehrfreiheit eines Fachhoch­schul­pro­fessorsAnordnung zur Übernahme von Lehrver­an­stal­tungen in Grunde­la­gen­fächern durch Hochschul­pro­fessor stellt keinen Verstoß gegen das Grundrecht auf Wissen­schafts­freiheit

Auch Professoren einer Hochschule können zur Übernahme von Grund­la­gen­kursen verpflichtet werden. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Wissen­schafts­freiheit. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und wies damit die Verfas­sungs­be­schwerde eines Professors für Vermes­sungskunde zurück.

Der Beschwer­de­führer ist Dipl.-Ing. für Vermes­sungswesen und seit 1996 Professors für Vermes­sungskunde des Fachbereichs Bauin­ge­ni­eu­rwesen der Hochschule Wismar. Im Dez. 2005 wies der Rektor der Hochschule den Beschwer­de­führer unter Anordnung der sofortigen Vollziehung an, ab dem Sommersemester 2006 im Bache­lor­stu­diengang Bauin­ge­ni­eu­rwesen Lehrver­an­stal­tungen auch im Grundlagenfach Darstellende Geometrie durchzuführen. Zuvor war ein entsprechender Beschluss des Fachbe­reichsrats ergangen. Der Antrag des Beschwer­de­führers, ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anweisung des Rektors zu gewähren, weil die Darstellende Geometrie nicht zum Fach Vermes­sungskunde gehöre, blieb vor dem Verwaltungs- und dem Oberver­wal­tungs­gericht ohne Erfolg.

Beschwer­de­führer rügt Verletzung seines Grundrechts auf Wissen­schafts­freiheit

Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde, mit welcher der Beschwer­de­führer eine Verletzung seines Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit rügt, hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht zurückgewiesen. Zwar können sich auch Fachhoch­schul­lehrer, denen die eigenständige Vertretung eines wissen­schaft­lichen Fachs in Forschung und Lehre übertragen worden ist, auf die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre berufen (Art. 5 Abs. 3 GG). Die Verwal­tungs­ge­richte haben jedoch die Grund­rechts­po­sition des Beschwer­de­führers im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes noch hinreichend berücksichtigt.

Wesentlichen Aufgaben und Ausbil­dungsziele für alle Hochschularten einheitlich normiert

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Grundrecht der Wissen­schafts­freiheit gewährt Hochschul­lehrern in seinem Kerngehalt den vorbehaltlos geschützten Freiraum, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten. Auf dieses Recht können sich nicht nur Univer­si­täts­pro­fessoren, sondern regelmäßig auch Hochschullehrer an einer Fachhochschule berufen. Denn die wesentlichen Aufgaben und Ausbil­dungsziele werden für alle Hochschularten einheitlich normiert. Das Hochschul­rah­men­gesetz und die Landes­hoch­schul­gesetze gestatten den Fachhochschulen nicht lediglich zu forschen, Forschung wird ihnen vielmehr als Aufgabe, teilweise sogar ohne funktionale Bindung an ihren Ausbil­dungs­auftrag, ausdrücklich zugewiesen. Andererseits stellt sich die Ausbildung als zentrale Aufgabe auch der Universitäten dar, ohne dass dadurch der Wissen­schaft­s­cha­rakter der Lehre an Universitäten in Frage gestellt würde. Wie bei Universitäten kann es auch Aufgabe einer Fachhochschule und der in ihr tätigen Professoren sein, ihren Studierenden im Rahmen der Ausbil­dungs­aufgaben wissen­schaftliche Erkenntnisse und wissen­schaftliche Methoden zu vermitteln. Sowohl an Universitäten wie an Fachhochschulen sind Unter­richt­s­tä­tig­keiten, die eine bloße Wissens­ver­mittlung darstellen, und die Weitergabe eigener und fremder Forschungs­er­gebnisse zumeist untrennbar miteinander verknüpft.

Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane grundsätzlich zulässig

Anweisungen hinsichtlich der Lehre gegenüber einem als selbstständigen Wissenschaftler bestellten Hochschullehrer berühren dessen Recht, sein Fach in Forschung und Lehre zu vertreten, und damit seine in Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissen­schafts­freiheit. Da die Lehre zu den dienstlichen Pflichten der Hochschul­pro­fessoren gehört, sind jedoch Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane über die inhaltliche, zeitliche und örtliche Koordination der von der Hochschule anzubietenden Lehre und über die Verteilung und Übernahme von Lehrver­pflich­tungen grundsätzlich zulässig. Andererseits würde eine unbeschränkte Möglichkeit für die Hochschulorgane, dem Hochschullehrer fachfremden Unterricht abzuverlangen, dessen durch die Lehre des eigenen Faches bestimmter Lehrfreiheit nicht mehr gerecht.

Sind die Grenzen der Zuweisung der fachfremden Lehre überschritten?

Die im vorliegenden Fall streitige Frage, ob die Grenzen der Zuweisung fachfremder Lehre tatsächlich überschritten sind, ist durch die Verwal­tungs­ge­richte im Haupt­sa­che­ver­fahren zu klären. Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes haben die Verwal­tungs­ge­richte das Grundrecht des Beschwer­de­führers aus Art. 5 Abs. 3 GG noch ausreichend berücksichtigt. Deren Annahme, dass der Beschwer­de­führer zur Übernahme der im übertragenen Lehrver­an­staltung im Fachbereich Darstellende Geometrie verpflichtet sei, weil diese als Grundlagenfach der Vermes­sungskunde zu bewerten sei, stützt sich auf eine hinreichende Aufklärung. Dabei ist nicht nur der Text der damaligen Ausschreibung der Profes­so­ren­stelle berücksichtigt worden, wonach die Vermes­sungskunde ganzheitlich im Studiengang Bauin­ge­ni­eu­rwesen vermittelt werden sollte; das Gericht hat auch die Auskünfte anderer Hochschulen zur Fragen, was Gegenstand vergleichbarer Studiengänge ist, einbezogen. Im Rahmen der Folgenabwägung durfte es ferner auf das Recht und die Pflicht des Fachbereichs abstellen, durch die Koordination der Lehre die eigene Funkti­o­ns­fä­higkeit zu erhalten. Außerdem konnte das Gericht aus der erklärten Bereitschaft des Beschwer­de­führers, Vorlesungen in der Darstellenden Geometrie zu übernehmen, wenn seine Besoldung angehoben würde, entnehmen, dass eine entsprechende Übernahme bis zur Entscheidung in der Hauptsache jedenfalls nicht unzumutbar ist.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss10005

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI