18.10.2024
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Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Dokument-Nr. 15852

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Beschluss09.02.1994Bundesverfassungsgericht1 BvR 1687/92
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 1994, 121Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 1994, Seite: 121
  • BVerfGE 90, 27Sammlung: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Band: 90, Seite: 27
  • DWW 1994, 148Zeitschrift: Deutsche Wohnungswirtschaft (DWW), Jahrgang: 1994, Seite: 148
  • EuGRZ 1994, 183Europäische Grundrechte-Zeitschrift (EuGRZ), Jahrgang: 1994, Seite: 183
  • JZ 1995, 152Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 1995, Seite: 152
  • NJ 1994, 239Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 1994, Seite: 239
  • NJW 1994, 1147Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1994, Seite: 1147
  • WE 1994, 205Zeitschrift: Wohnungseigentum (WE), Jahrgang: 1994, Seite: 205
  • WM 1994, 1167Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 1994, Seite: 1167
  • WuM 1994, 251Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 1994, Seite: 251
  • ZMR 1994, 203Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR), Jahrgang: 1994, Seite: 203
  • ZUM 1994, 715Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 1994, Seite: 715
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss09.02.1994

BVerfG: Ausländischer Mieter hat Anspruch auf Parabolantenne zum Empfang von HeimatsendernGrundrecht auf Informations­freiheit ist zu beachten

Ein dauerhaft in Deutschland lebender Ausländer hat einen Anspruch auf Installation einer Parabolantenne zum Empfang von Heimatsendern. Angesichts seines Grundrechts auf Informations­freiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) muss er sich nicht auf unzureichende oder andere Infor­ma­ti­o­ns­quellen verweisen lassen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ver­fassungs­gerichts hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall bat im Jahr 1992 ein türkischer Mieter einer Wohnung eine Parabolantenne errichten zu dürfen, um türkische Fernseh­sen­dungen empfangen zu können. Das Haus verfügte lediglich über eine Gemein­schafts­antenne, über die fünf deutsche Fernsehsender zu empfangen waren. Die Vermieterin erteilte keine Zustimmung zur Installation der Satte­li­ten­schüssel. Sie verwies darauf, dass beabsichtigt sei ein Kabelanschluss einzurichten, über dem ein türkischer Sender zu empfangen sei. Der Mieter akzeptierte dies nicht und klagte. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht wies die Berufung des Mieters mit der Begründung zurück, dass auch angesichts des Grundrechts auf Infor­ma­ti­o­ns­freiheit die Errichtung einer Parabolantenne nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehöre. Dabei sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass über den geplanten Kabelanschluss ein türkischer Sender verfügbar sein sollte. Zudem haben seine Kinder die Nachrichten des deutschen Fernsehs übersetzen können. Des Weiteren habe er in Videotheken türkisch­sprachige Filme ausleihen können. Der Mieter sah in der Entscheidung eine Verletzung des Grundrechts auf Infor­ma­ti­o­ns­freiheit und legte Verfas­sungs­be­schwerde ein.

Errichtung einer Satte­li­ten­schüssel vom Grundrecht auf Infor­ma­ti­o­ns­freiheit geschützt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht führte zunächst aus, dass das Grundrecht auf Infor­ma­ti­o­ns­freiheit für die Persön­lich­keits­ent­faltung des Einzelnen und die Aufrecht­er­haltung der demokratischen Ordnung ebenso wichtig sei, wie die Meinung­s­äu­ßerungs- und Pressefreiheit. Dem Schutz des Grundrechts unterfallen auch Massen­kom­mu­ni­ka­ti­o­ns­mittel, wie insbesondere Radio- und Fernseh­sen­dungen. Dabei werde kein Unterschied zwischen in- und ausländischen Infor­ma­ti­o­ns­quellen gemacht. Daher sei die Errichtung einer Satte­li­ten­schüssel zum Empfang ausländischer Fernseh­pro­gramme grundsätzlich ebenfalls von der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit geschützt.

Einzel­fa­ll­ab­wägung erforderlich

Die Anbringung einer Parabolantenne erfordere in der Regel eine einzel­fa­ll­ab­hängige Abwägung, so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht weiter. Nur unter Berück­sich­tigung des Eigen­tum­s­in­teresses (Art. 14 GG) des Vermieters an der optischen Erhaltung des Wohnhauses und des Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses (Art. 5 GG) des Mieters an der Nutzung allgemein zugänglicher Infor­ma­ti­o­ns­quellen könne ermittelt werden, was als vertragsgemäßer Gebrauch einer Wohnung anzusehen sei.

Zustimmung zur Installation einer Parabolantenne bei fehlendem Kabelanschluss

Fehlt es an einem Kabelanschluss, so sei der Vermieter aus Sicht des Verfas­sungs­ge­richts verpflichtet der Installation einer Parabolantenne zu zustimmen. Hat er ein Interesse an der Erhaltung des äußeren Erschei­nungsbilds des Hauses, müsse er also einen Kabelanschluss zur Verfügung stellen. Denn angesichts der Programm­vielfalt, die über einen Kabelanschluss besteht, falle die Beein­träch­tigung der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit des Mieters, der keine Parabolantenne errichten darf, nicht erheblich ins Gewicht.

Zustim­mungs­er­teilung nur unter Bedingungen

Das Verfas­sungs­gericht betonte, dass der Vermieter, der dazu verpflichtet sei die Zustimmung zur Installation einer Satte­li­ten­schüssel zu erteilen, im Gegenzug verlangen dürfe, dass die Installation von einem Fachmann vorgenommen wird und der Mieter alle anfallenden Kosten, Gebühren und Haftungen übernimmt. Zudem müsse der Mieter die Kosten zur Entfernung der Antenne nach Beendigung des Mietver­hält­nisses übernehmen. Darüber hinaus stehe es dem Vermieter frei, selbst einen Ort zur Errichtung zu bestimmen, soweit der störungsfreie Empfang gewährleistet werde.

Besonderes Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse ausländischer Mieter ist zu beachten

Für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer sei nach Auffassung der Verfas­sungs­richter zudem zu beachten, dass sie ein besonderes Informationsinteresse haben. Sie seien regelmäßig aber interessiert, die Programme ihres Heimatlandes zu empfangen, um sich über das dortige Geschehen zu informieren sowie ihre kulturelle und sprachliche Verbindung aufrecht zu erhalten. Diese Möglichkeit bestehe aufgrund der nur begrenzten Möglichkeit über einen Kabelanschluss ausländische Programme zu empfangen, in der Regel nur mittels einer Parabolantenne. In einem solchen Fall, sei daher in der Verweigerung zur Erteilung der Zustimmung zur Errichtung einer Satte­li­ten­schüssel eine erhebliche Beein­träch­tigung der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit zu sehen. So habe der Sachverhalt hier gelegen.

Grundrecht ermöglicht Infor­ma­ti­o­ns­quelle selbst zu wählen

Schließlich sei nach Ansicht des Verfas­sungs­ge­richts zu beachten, dass das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG die Infor­ma­ti­o­ns­freiheit umfassend schützt und jedem das Recht gibt selbst zu entscheiden, aus welchen allgemein zugänglichen Infor­ma­ti­o­ns­quellen er sich unterrichten möchte. Damit sei es unzulässig, auf andere Infor­ma­ti­o­ns­quellen derselben Art zu verweisen, insbesondere aber auf andere Arten von Infor­ma­ti­o­ns­quellen, wie Radio, Zeitungen, Videos oder Übersetzungen deutsch­spra­chiger Sendungen durch Familien­an­ge­hörige.

Quelle: Bundesverfassunsggericht, ra-online (vt/tb)

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