15.11.2024
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Dokument-Nr. 7612

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Bundesverfassungsgericht Urteil05.02.2009

BVerfG: Abschläge bei Vorruhestand sind verfas­sungsgemäßErfolglose Verfas­sungs­be­schwerde gegen Anhebung der Altersgrenzen bei vorzeitigem Rentenbezug

Wer in den vorzeitigen Ruhestand geht, muss Rentenkürzungen hinnehmen. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden. Die 1997 eingeführte Neuregelung, die die Rentenabschläge verschärft hatte, ist verfas­sungsgemäß. Die Richter nahmen die Verfas­sungs­be­schwerde eines 69 Jahre alten Rentners nicht an.

Der Beschwer­de­führer, im März 1940 geboren, war zunächst arbeitslos und bezog nach Vollendung seines 60. Lebensjahres seit April 2000 eine vorzeitige Altersrente wegen Arbeits­lo­sigkeit oder nach Alters­teil­zeit­arbeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die für ihn maßgebliche Altersgrenze für einen ungekürzten Rentenbezug hätte er erst 39 Kalendermonate später erreicht, weshalb ihm die Rente für die gesamte Dauer des Rentenbezugs um 11,7 % gekürzt wurde. Nach den bis zum 31. Juli 1996 geltenden Altersgrenzen (also vor Inkrafttreten des Ruhestands­för­de­rungs­ge­setzes) hätte der Beschwer­de­führer eine ungekürzte Rentenleistung erhalten, nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Altersgrenzen (also vor Inkrafttreten des Wachstums- und Beschäf­ti­gungs­för­de­rungs­ge­setzes) wäre die Rente lediglich um 10,8 % vermindert worden.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht verweist auf Entscheidung vom November 2008

Der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hatte bereits mit Beschluss vom 11. November 2008 entschieden, dass Kürzungen von Altersrenten bei vorzeitigem Bezug verfas­sungsgemäß sind (vgl. BVerfG, Beschluss v. 11.11.2008 - 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 -). Die 2. Kammer des Ersten Senats hat daran anschließend die Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers, der die mehrfache vorgezogene Anhebung der für die Berechnung der Abschläge maßgeblichen Altersgrenzen rügt, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfas­sungs­be­schwerde hatte keine Aussicht auf Erfolg, da die vorgezogene Anhebung des Renten­ein­trit­talters für einen ungekürzten Bezug einer Altersrente wegen Arbeits­lo­sigkeit oder nach Alters­teil­zeit­arbeit durch das Ruhestands­för­de­rungs­gesetz und die durch das Wachstums- und Beschäf­ti­gungs­för­de­rungs­gesetz beschleunigte Anhebung verfas­sungsgemäß sind. Die angegriffenen gesetzlichen Regelungen genügen insbesondere den Anforderungen an eine verfas­sungs­gemäße Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

Anhebung des Renten­ein­tritt­s­alters ist sachlich gerechtfertigt

Das Renten­ver­si­che­rungs­ver­hältnis baut auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs auf; Eingriffe in renten­rechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und dürfen den Betroffenen nicht übermäßig belasten. Die mittelbar angegriffenen rechtlichen Regelungen verfolgten den Zweck, den Mehrkosten aus dem Zuwachs an Frühver­ren­tungen bis Mitte der 1990er-Jahre für die gesetzliche Renten­ver­si­cherung entge­gen­zu­wirken. Die bereits mit dem Renten­re­form­gesetz 1992 begonnene stufenweise Anhebung des Renten­ein­tritt­s­alters für eine vorzeitige Altersrente mit der Folge der Verlängerung der Lebens­a­r­beitszeit ist sachlich gerechtfertigt, weil sie allein Personen belastet, welche zu einem früheren Zeitpunkt eine Altersrente beziehen. Aus demselben Grund liegt auch eine übermäßige Belastung der Betroffenen nicht vor; insbesondere auch deshalb nicht, weil die Versicherten jedenfalls bis zum 31. Dezember 2007 uneingeschränkt selbst über den Zeitpunkt ihrer Rente­n­an­trag­stellung und damit über die Höhe des Abschlags bestimmen konnten.

Grundsatz des rechts­s­taat­lichen Vertrau­ens­schutzes nicht verletzt

Der Grundsatz des rechts­s­taat­lichen Vertrau­ens­schutzes wurde nicht verletzt. Im Ruhestands­för­de­rungs­gesetz wurde diesem Rechnung getragen, denn die im Renten­re­form­gesetz von 1992 ursprünglich erst für 2001 vorgesehene und dann durch das Ruhestands­för­de­rungs­gesetz auf 1997 vorgezogene Anhebung der Altersgrenze wurde in Abhängigkeit von dem Geburtsmonat des Versicherten gestuft. So war gewährleistet, dass ältere Versicherte einen geringeren Abschlag in Kauf zu nehmen hatten als jene, denen mehr Zeit zur Umstellung blieb. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass das zunächst für die Geburts­jahrgänge ab 1941 geschaffene Überg­angs­konzept beseitigt wurde; denn ein entsprechendes Vertrauen konnte für die vor dem 1. Januar 1941 Geborenen aus dem Renten­re­form­gesetz 1992 nicht erwachsen, da sie nicht Regelungsthema dieses Gesetzes waren. Die neuerliche Änderung der Rechtslage durch das Wachstums- und Beschäf­ti­gungs­för­de­rungs­gesetz hielt die verfas­sungs­gemäße Regelungs­technik einer stufenweisen Anhebung der Altersgrenze je nach Alter aufrecht. Zudem verabschiedete der Deutsche Bundestag das Wachstums- und Beschäf­ti­gungs­för­de­rungs­gesetz nur zwei Monate nach dem Ruhestands­för­de­rungs­gesetz. Die dazwischen liegende Zeit war zu kurz, als dass bei den betroffenen Versicherten ein Vertrauen auf die Kontinuität der erst geschaffenen Überg­angs­re­gelung hätte entstehen und Dispositionen zur Gestaltung ihrer Altersvorsorge und der weiteren Lebensplanung hätten getroffen werden können. Ferner hatten die ältesten von der Regelung betroffenen Gebur­ten­jahrgänge aus dem Jahr 1940 noch mindestens vier Jahre Zeit, sich auf die geänderte Situation einzustellen.

Quelle: ra-online (pt)

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