23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss07.03.2017

Verfas­sungs­be­schwerden gegen landes­rechtliche Einschränkungen für Spielhallen erfolglosStrengere Regelungen stellen keinen unzulässigen Eingriff in Berufsfreiheit dar

Die durch den Ersten Glückss­pie­l­än­de­rungs­staats­vertrag und landes­rechtliche Vorschriften vorgenommenen Verschärfungen der Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen sind verfas­sungsgemäß. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden und die Verfas­sungs­be­schwerden von vier Spiel­ha­l­len­be­trei­be­rinnen zurückgewiesen.

Die Befugnis zum Erlass von Gesetzen zum Recht der Spielhallen steht seit der Födera­lis­mus­reform im Jahre 2006 den Ländern zu. Der von den Ländern im Jahre 2008 geschlossene Glücksspielstaatsvertrag enthielt zunächst keine spezifischen Regelungen für Spielhallen, weshalb die vom Bund erlassenen Vorschriften zur Regulierung der Spielhallen weiter zur Anwendung kamen. Nachdem die Umsätze bei Spielautomaten außerhalb von Spielbanken deutlich gestiegen waren und Untersuchungen das erhebliche Gefah­ren­po­tential des gewerblichen Automatenspiels belegten, verschärften die Länder im Jahr 2012 mit dem Ersten Glückss­pie­l­än­de­rungs­staats­vertrag die Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen.

Einhaltung von Verbundverbot und Abstandsgebot

Zur Regulierung des Spiel­ha­l­len­sektors wurde insbesondere ein Verbundverbot eingeführt, nach dem eine Spielhalle mit weiteren Spielhallen nicht in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sein darf. Zudem ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten (Abstandsgebot). Spielhallen, denen vor Erlass der neuen Regelungen des Glückss­piel­staats­vertrags und der spiel­ha­l­len­be­zogenen Landesgesetze bereits eine gewer­be­rechtliche Erlaubnis erteilt worden war, müssen, um weiter betrieben werden zu können, die verschärften Anforderungen innerhalb bestimmter Überg­angs­fristen erfüllen.

Berlin sieht auch Abstandsgebot gegenüber Kinder- und Jugend­ein­rich­tungen vor

Bereits im Jahre 2011 hatte das Land Berlin ein Spiel­ha­l­len­gesetz erlassen, das ähnliche Regelungen wie der Erste Glückss­pie­l­än­de­rungs­staats­vertrag enthält; daneben ist dort auch ein Abstandsgebot gegenüber Kinder- und Jugend­ein­rich­tungen vorgesehen. Die zulässige Geräte­höchstzahl in Spielhallen wurde auf acht Geräte reduziert; weiterhin besteht eine Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson.

Spiel­ha­l­len­be­trei­be­rinnen rügen Verletzung der Berufsfreiheit

Die vier Beschwer­de­füh­rinnen sind Betreiberinnen von Spielhallen in Berlin, in Bayern und im Saarland. Mit ihren Verfas­sungs­be­schwerden wenden sie sich gegen die landes­ge­setz­lichen Vorschriften zur Regulierung des Spiel­ha­l­len­sektors. Sie rügen im Wesentlichen die Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und des Gleich­heits­satzes (Art. 3 GG).

Verfas­sungs­be­schwerden teilweise unzulässig

1. Die Verfas­sungs­be­schwerden sind zum Teil bereits unzulässig. Die Beschwer­de­füh­re­rinnen haben insoweit nicht hinreichend dargelegt, durch die von ihnen angegriffenen Vorschriften gegenwärtig und unmittelbar betroffen zu sein. Teilweise werden die Verfas­sungs­be­schwerden zudem dem Subsi­dia­ri­täts­grundsatz und den gesetzlichen Begrün­dungs­an­for­de­rungen nicht gerecht.

Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt

2. Soweit zulässig, sind die Verfas­sungs­be­schwerden unbegründet. Die angegriffenen Neuregelungen sind verfas­sungsgemäß.

a) Die Länder besitzen die ausschließliche Zuständigkeit für das Recht der Spielhallen, das die Befugnis zur Regelung der gewer­be­recht­lichen Anforderungen an den Betrieb und die Zulassung von Spielhallen umfasst. Der Gesetzgebung des Bundes kommt aus dessen Zuständigkeit für das Bodenrecht und das Recht der öffentlichen Fürsorge keine Sperrwirkung zu.

b) Die angegriffenen Vorschriften zur Zulassung und zum Betrieb von Spielhallen greifen zwar in die Grundrechte der Beschwer­de­füh­re­rinnen ein. Die Eingriffe sind aber gerechtfertigt.

Verbundverbot und Abstandsgebot dienen zur Vermeidung von Suchtgefahren

aa) Das Verbundverbot und die Abstandsgebote sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Regelungen dienen mit der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehenden Suchtgefahren und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen einem besonders wichtigen Gemeinwohlziel. Zweck des Verbundverbots und des Abstandsgebots zu anderen Spielhallen ist die Begrenzung der Spiel­ha­l­len­dichte und damit eine Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen. Das Abstandsgebot zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche dient der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht und soll einem Gewöh­nungs­effekt entgegenwirken. Diese Einschätzungen des Gesetzgebers sind nicht offensichtlich fehlerhaft.

Gesetzliche Beschränkung über Spielbankanzahl

Das Verbundverbot und die Abstandsgebote sind im Blick auf die unter staatlicher Beteiligung betriebenen Spielbanken hinreichend konsequent auf das legitime Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet. Auch für Spielbanken sehen die Länder umfangreiche Spiel­er­schutz­vor­schriften vor; zudem ist die Anzahl der Spielbanken in den Ländern gesetzlich begrenzt, wodurch sie aus dem Alltag herausgehoben sind. Die Länder haben jedoch auch in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass die Reduzierung der Zahl der Spielhallen nicht durch eine Ausweitung des Automatenspiels und eine Vermehrung der Standorte von Spielbanken konterkariert wird.

Verhält­nis­mä­ßigkeit von Verbundverbot und Abstandsgebot gegeben

Verbundverbot und Abstandsgebote sind auch verhältnismäßig. Sie sind ein geeignetes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gemeinwohlziele, da sie die Bekämpfung der Spielsucht jedenfalls fördern. Die Einschätzung der Geeignetheit durch die Gesetzgeber der Länder ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. So ist plausibel, dass gerade Mehrfach­komplexe durch die Vervielfachung des leicht verfügbaren Angebots zu einem verstärkten Spielanreiz führen. Mit dem Abstandsgebot wird eine Reduzierung der für die Ansiedelung von Spielhallen zur Verfügung stehenden Standorte und eine Begrenzung der Spiel­ha­l­len­dichte bewirkt, was zu einer Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen beiträgt. Ein milderes, gleich effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind rein spieler- oder gerätebezogene Maßnahmen keine gleich wirksamen Mittel zur Bekämpfung und Verhinderung von Spielsucht. Das Zutrittsverbot für Minderjährige hat nicht die gleiche Wirksamkeit wie das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugend­ein­rich­tungen, da es den Werbe- und Gewöh­nungs­effekt nicht gleichermaßen verringert. Verbundverbot und Abstandsgebote sind auch angemessen. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Eingriffe und dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie recht­fer­ti­genden Gründe wahren die gesetzlichen Regelungen insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit und belasten die Betroffenen nicht übermäßig.

Reduzierung der Geräte­höchstzahl dient der Suchtprävention

bb) Auch die mit der Reduzierung der Geräte­höchstzahl in Spielhallen und der Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson einhergehenden Eingriffe in die Berufsfreiheit sind gerechtfertigt.

Mit der Reduzierung der Geräte­höchstzahl in Spielhallen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Suchtprävention durch Reduzierung der Anreize zu übermäßigem Spielen in den Spielhallen. Die Regelung ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet, da der Landes­ge­setzgeber davon ausgehen durfte, dass Anreize für die Spieler zum fortgesetzten Spielen in Spielhallen umso geringer sind, je weniger Geräte sich dort befinden. Die Reduzierung der Geräte­höchstzahl war auch erforderlich und belastet Spielhallenbetreiber nicht übermäßig. Zwar liegt nahe, dass sich die Reduzierung der Höchstzahl der Geldspielgeräte negativ auf die Rentabilität von Spielhallen auswirkt. Eine bestimmte Rentabilität gewährleistet der Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz jedoch nicht.

Anwesen­heits­pflicht von Aufsichtsperson verhältnismäßig

Die Pflicht zur Anwesenheit einer Aufsichtsperson, die das Erkennen problematischen Spielverhaltens und eine unmittelbare Einflussnahme darauf ermöglichen soll, dient ebenfalls dem besonders wichtigen Gemeinwohlziel der Suchtprävention und ist verhältnismäßig.

Unter­schied­liches Gefähr­dungs­po­tenzial zwischen Spielhallen und Spielbanken rechtfertigt Ungleich­be­handlung

cc) Die angegriffenen Neuregelungen bewirken keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung von Spiel­ha­l­len­be­treibern gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind. Zwar werden Spiel­ha­l­len­be­treiber durch die angegriffenen Vorschriften gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten ungleich behandelt, da Spielhallen Beschränkungen unterworfen werden, die für den Betrieb von Spielautomaten in Spielbanken und Geldspiel­geräten in Gaststätten nicht gelten. Diese Ungleich­be­handlung ist jedoch gerechtfertigt. Ein hinreichender Sachgrund für die unter­schiedliche Behandlung liegt in dem unter­schied­lichen Gefähr­dungs­po­tential und in der unter­schied­lichen Verfügbarkeit der Spiel­mög­lich­keiten.

Fünfjährige Übergangsfrist trotz Eingriff in Berufsfreiheit gerechtfertigt

c) Auch die von den Beschwer­de­füh­re­rinnen angegriffenen Überg­angs­re­ge­lungen sind verfas­sungsgemäß.

aa) Die fünfjährige Übergangsfrist für Bestandss­piel­hallen greift zwar in die Berufsfreiheit der Spiel­ha­l­len­be­treiber ein, ist aber von Verfassungs wegen gerechtfertigt. Sie wird dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gerecht, da sich die wesentlichen Parameter der Auswah­l­ent­scheidung in Konkur­renz­si­tua­tionen zwischen Bestandss­piel­hallen den Spiel­ha­l­len­ge­setzen in hinreichendem Maße entnehmen lassen. Die fünfjährigen Überg­angs­re­ge­lungen sind auch mit dem in Art. 12 GG enthaltenen Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes vereinbar. Dieser verleiht weder im Hinblick auf die vorherige Rechtslage noch auf die vorhandenen Spiel­ha­l­le­n­er­laubnisse ein unein­ge­schränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen. Auch ein in umfangreichen Dispositionen betätigtes besonderes Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts begründet grundsätzlich noch keinen abwägungs­re­sis­tenten Vertrau­ens­schutz. Auch der Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit ist gewahrt. Die Belange der Spiel­ha­l­len­be­treiber sind mit der Einräumung einer fünfjährigen Übergangsfrist genügend berücksichtigt, zumal die Länder die Möglichkeit von Härte­fa­ll­be­freiungen im Einzelfall geschaffen haben.

Unterscheidung zwischen ein- und fünfjähriger Übergangszeit

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit durch die einjährige Überg­angs­re­gelung für nach dem 28. Oktober 2011 genehmigte Bestandss­piel­hallen ist ebenfalls mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Unterscheidung zwischen ein- und fünfjähriger Übergangszeit dient legitimen Gemein­wohl­zielen und trägt auch dem Gesichtspunkt des Vertrau­ens­schutzes hinreichend Rechnung. Die Schutz­wür­digkeit des Vertrauens in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung und der erteilten Erlaubnisse war spätestens mit dem Beschluss der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­ferenz über den Glückss­pie­l­än­de­rungs­staats­vertrag beseitigt oder zumindest erheblich herabgesetzt. Das Abstellen auf die Erteilung der gewer­be­recht­lichen Erlaubnis für diese Unterscheidung ist ebenfalls verfas­sungsgemäß. Da die von der einjährigen Übergangsfrist betroffenen Spiel­ha­l­len­be­treiber bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der gewer­be­recht­lichen Erlaubnis nicht mehr auf den Fortbestand der alten Rechtslage vertrauen konnten, erweist sich die Überg­angs­re­gelung auch als verhältnismäßig. Dem Gesetzgeber ist es auch durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zu der möglichst effektiven Bekämpfung der Glückss­pielsucht durch eine möglichst schnelle Reduzierung des Spiel­ha­l­len­an­gebots eine an Vertrau­ens­schutz­ge­sichts­punkten orientierte Staffelung der Überg­angs­fristen mit einer Stich­tags­re­gelung zu wählen.

3. Soweit die Verfassungsbeschwerde einer Beschwer­de­führerin nachträglich auf das Minde­st­ab­s­tand­s­um­set­zungs­gesetz Berlin sowie die im Jahr 2016 neu eingefügten Regelungen des Spiel­ha­l­len­ge­setzes Berlin erstreckt wurde, hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht das Verfahren abgetrennt; es wird einer gesonderten Entscheidung zugeführt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ ra-online

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