21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss27.06.2018

Rentenzahlungen von Pensionskassen sind unter bestimmten Voraussetzungen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflege­ver­si­cherung nicht beitrags­pflichtigBeitragspflicht hängt von Vertrags­ge­staltung nach Beendigung des Arbeits­verhältnisses ab

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass es gegen das Gleich­heitsgebot verstößt, wenn für die Berechnung der Beiträge von Rentnern zur gesetzlichen Kranken- und Pflege­ver­si­cherung solche Zahlungen berücksichtigt werden, die auf einem nach Ende des Arbeits­verhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebens­versicherungs­vertrag zwischen einer Pensionskasse in der Rechtsform eines Versicherungs­vereins auf Gegenseitigkeit und dem früheren Arbeitnehmer beruhen, während Erträge aus privaten Lebens­versicherungen von pflicht­ver­si­cherten Rentnern nicht zur Berechnung herangezogen werden. Voraussetzung ist aber, dass der frühere Arbeitgeber an dem Versicherungs­vertrag nach Beendigung des Arbeits­verhältnisses nicht mehr beteiligt ist und nur der versicherte Arbeitnehmer die Beiträge eingezahlt hat. Die Differenzierung zwischen betrieblicher und privater Alters­ver­sorgung und einer daraus resultierenden Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflege­ver­si­cherung ist nicht allein nach der auszahlenden Institution vorzunehmen. Es ist vielmehr nach der Vertrags­ge­staltung nach Beendigung des Arbeits­verhältnisses zu differenzieren.

Die gesetzliche Krankenversicherung sowie die soziale Pflegeversicherung der Rentner wird unter anderem durch Beitrags­zah­lungen der versicherten Rentner finanziert. Für die Berechnung der Beiträge werden neben der Rente aus der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung auch Renten der betrieblichen Altersversorgung als sogenannte Versor­gungs­bezüge herangezogen.

Sachverhalt

Die Beschwer­de­führer waren vorübergehend beschäftigt und über ihren Arbeitgeber bei der als Versi­che­rungs­verein auf Gegenseitigkeit ausgestalteten Pensionskasse versichert. Nach deren Satzung wurden sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber Versi­che­rungs­nehmer und Mitglied im Versi­che­rungs­verein auf Gegenseitigkeit. Die Satzung sah jedoch vor, dass die Versicherung bei einem Ausscheiden aus dem Arbeits­ver­hältnis freiwillig fortgesetzt werden konnte und in diesem Fall der ehemalige Arbeitnehmer Einzelmitglied in der Pensionskasse und alleiniger Versi­che­rungs­nehmer wurde. Die Beschwer­de­führer zahlten nach ihrem Ausscheiden aus dem jeweiligen Arbeits­ver­hältnis fast 18 beziehungsweise 22 Jahre allein die Beiträge an die Pensionskasse. Die von ihr geleisteten Renten beruhen weit überwiegend auf ihren Einzahlungen.

Krankenkasse lehnt beantragte Beitrags­freiheit ab

Die Beschwer­de­führer sind als Rentner pflicht­ver­si­cherte Mitglieder in einer gesetzlichen Krankenkasse und sozialen Pflege­ver­si­cherung, wofür die Pensionskasse monatliche Beiträge abführt. Für die Berechnung dieser Beiträge legt die Pensionskasse die gesamte Rentenzahlung zugrunde und damit auch die Leistungen, die auf den Einzahlungen der Beschwer­de­führer nach der Beendigung des jeweiligen Arbeits­ver­hält­nisses beruhen. Die von den Beschwer­de­führern beantragte Beitrags­freiheit für diese Leistungen lehnte die jeweilige Krankenkasse mit der Begründung ab, dass es sich ebenfalls um Versor­gungs­bezüge in Form von Renten der betrieblichen Altersvorsorge handele und diese insgesamt beitrags­pflichtig seien. Eine Unterscheidung zwischen Einzahlungen vor und nach dem Ende des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses müsse nicht getroffen werden.

BSG bejaht Beitragspflicht

Die dagegen gerichteten Klageverfahren blieben letztlich erfolglos. Das Bundes­so­zi­al­gericht begründet dies damit, dass Leistungen einer Einrichtung der betrieblichen Alters­ver­sorgung, wie einer Pensionskasse, unabhängig davon, auf wessen Beiträgen die Zahlungen beruhen, stets der betrieblichen Altersvorsorge zuzurechnen und daher beitrags­pflichtig seien.

Beschwer­de­führer rügen Ungleich­be­handlung

Mit ihren Verfas­sungs­be­schwerden rügen die Beschwer­de­führer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Leistungen der Pensionskassen, die auf dem Anteil beruhen, die nach der Beendigung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses von ihnen selbst eingezahlt worden seien, müssten ebenso wie Leistungen aus privaten Lebens­ver­si­che­rungen beitragsfrei sein. Für eine Ungleichbehandlung gebe es keinen hinreichenden Grund.

BVerfG bejaht Verletzung des Gleich­heits­satzes

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erklärte die Verfas­sungs­be­schwerden für begründet. Der Gleichheitssatz ist verletzt. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nicht nur die Ungleich­be­handlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleich­be­handlung von wesentlich Ungleichem. Typisierungen und Pauscha­lie­rungen sind dabei insoweit zulässig, als dadurch auftretende Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Gemessen an diesem Maßstab liegt eine Ungleich­be­handlung zwischen der Beitragspflicht bei Leistungen einer Pensionskasse in der Rechtsform des Versi­che­rungs­vereins auf Gegenseitigkeit, die auf den alleinigen Zahlungen des Versicherten in einen Versi­che­rungs­vertrag ohne Beteiligung des früheren Arbeitgebers nach Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses beruhen, und einer beitragsfreien Leistung aus einer bereits anfänglich privaten Lebens­ver­si­cherung vor.

Unter­schiedliche Behandlung bei Beitragspflicht in gesetzlicher Kranken- und Pflege­ver­si­cherung nicht gerechtfertigt

Die bislang vorgenommene Unterscheidung zwischen privater und betrieblicher Altersvorsorge allein nach der auszahlenden Institution überschreitet im vorliegenden Fall die Grenze einer zulässigen Typisierung. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob der Versicherte nach Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses den insti­tu­ti­o­nellen Rahmen des Betrie­bs­ren­ten­rechts weiterhin unverändert nutzt oder den Vertrag aus dem betrieblichen Bezug löst. Der Zweck einer Einrichtung der betrieblichen Alters­ver­sorgung schließt das Betreiben privater Altersvorsorge nicht aus. Indem der Versicherte nach Ende des Arbeits­ver­hält­nisses mit der Pensionskasse in der Rechtsform eines Versi­che­rungs­vereins auf Gegenseitigkeit einen Lebens­ver­si­che­rungs­vertrag ohne Beteiligung des Arbeitgebers abschließt oder einen bestehenden Vertrag in dieser Weise ändert und die Versi­che­rungs­leis­tungen selbst finanziert, wird der institutionelle Rahmen des Betrie­bs­ren­ten­rechts verlassen. Einzahlungen des Versicherten auf diesen Vertragsteil unterscheiden sich nur unwesentlich von Einzahlungen auf privat abgeschlossene Lebens­ver­si­che­rungs­verträge. Eine unter­schiedliche Behandlung bei der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflege­ver­si­cherung rechtfertigt dies nicht. Der Einbezug kann vielmehr dazu führen, dass Verträge nach der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses nicht weiter für die private Altersvorsorge genutzt werden und die vom Gesetzgeber gewollte Eigenvorsorge nicht eintritt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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