23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.06.2009

BVerfG: Kinofilm "Rohtenburg" kann nicht gestoppt werdenKeine schwerwiegenden Nachteile für den "Kannibale von Rotenburg" durch die Veröf­fent­lichung des Films erkennbar

Der als "Kannibale von Rotenburg" bekannte Verbrecher kann die Veröf­fent­lichung des Films "Rohtenburg" nicht per einstweiliger Anordnung stoppen. Ein hinreichend gewichtigen Nachteil für den Antragssteller sei nicht zu erkennen. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Der Antragsteller ist wegen eines von ihm begangenen Tötungs­ver­brechens, bei dem er Teile seines Opfers verspeiste, in der Öffentlichkeit als der "Kannibale von Rotenburg" bekannt. Mit Urteil vom Mai 2006 (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil v. 09.05.2006 - 5/21 Ks 3550 Js 220983/05 -) rechtskräftig seit Februar 2007 wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die er derzeit verbüßt. Der Antragsteller hat in einem Zivilprozess versucht zu verhindern, dass ein den realen Gegebenheiten nachempfundener Kinofilm über sein Leben und seine Tat gezeigt wird, dessen deutsche Uraufführung alsbald vorgesehen ist. Er beabsichtigt, das in letzter Instanz zu seinen Ungunsten ergangene Urteil des Bundes­ge­richtshofs (vgl. BGH, Urteil v. 26.05.2009 - VI ZR 191/08 -) mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen, sobald ihm die schriftlichen Entschei­dungs­gründe vorliegen.

BVerfG lehnt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der im Ausgangs­ver­fahren beklagten Produk­ti­o­ns­ge­sell­schaft die Vorführung und anderweitige Verwertung des Spielfilms vorläufig untersagt werden soll, abgelehnt. Zwar kann das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Vorliegend lassen die Ausführungen des Antragstellers einen hinreichend gewichtigen Nachteil durch die bei Nichterlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu erwartende Vorführung des Films "Rohtenburg" aber nicht erkennen.

Inhalte des Films sind der Öffentlichkeit ohnehin bekannt

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der Film seine Biografie und seine Tat unter Wiedergabe zahlreicher zutreffender Details auch aus seinem Intimleben abbilde, liegt hierin schon deshalb kein schwerer Nachteil, weil nicht zuletzt wegen des eigenen Verhaltens des Antragstellers gegenüber den Medien davon auszugehen ist, dass diese Informationen einer breiten Öffentlichkeit ohnehin bereits bekannt und auch noch aktuell bewusst sind. Dasselbe gilt für die vom Antragsteller befürchtete Verletzung seines Rechts am eigenen Bild. Es ist nicht erkennbar, dass die Vorführung eines Filmes - in dem der Antragsteller durch einen ihm ähnlich sehenden Schauspieler dargestellt wird - ihn schwer in rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigen könnte, nachdem er selbst freimütig an der Veröffentlichung von ihn zeigenden Fotos in der Presse mitgewirkt hat und auch ein Buch autorisiert hat, das auf dem Umschlag eine Portrait­aufnahme des Antragstellers trägt. Soweit der Antragsteller außerdem anführt, dass das Drehbuch des Films trotz seiner großen Realitätsnähe einzelne Darstellungen enthalte, die unzutreffend seien, zeigt auch dies keinen besonders schweren Nachteil auf. Bei den in der Antragsschrift genannten Fehldar­stel­lungen handelt es sich um lediglich geringfügige Abweichungen von der Wirklichkeit, die eine gegenüber der Wiedergabe der wahren Umstände gesteigerte Rufbe­ein­träch­tigung nicht befürchten lassen. Schließlich liegt auch in der vom Antragsteller gerügten Aufbereitung seiner Lebens­ge­schichte mit den Mitteln eines Horrorfilms jedenfalls kein den Erlass einer einstweiligen Anordnung recht­fer­ti­gender schwerer Nachteil. Zwar mag der Einsatz der genretypischen Stilmittel dazu führen, dass der Antragsteller durch die Kinozuschauer als eine Person wahrgenommen wird, die monströse, furcht­ein­flößende Persön­lich­keitszüge trägt. Indes ist zu berücksichtigen, dass bereits ein neutraler Bericht über die beispiellose Tat des Antragstellers geeignet wäre, derartige Reaktionen auszulösen. Der Wunsch des Antragstellers, dass seine Tat nur behutsam und unter sachlicher Würdigung ihrer Beweggründe dargestellt werden möge, vermag das Fehlen eines schweren Nachteils nicht zu kompensieren.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 65/09 des BVerfG vom 18.06.2009

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