21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil03.03.2006

Vorführung des Films „Rohtenburg“ gestoppt"Kannibale von Rohtenburg" erwirkt einstweilige Verfügung

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat auf eine sofortige Beschwerde des Verfü­gungs­klägers einen Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 13.01.2006 aufgehoben und der Verfü­gungs­be­klagten untersagt, den Film Rohtenburg in den Verkehr zu bringen oder bringen zu lassen.

Der in den Medien auch als „Kannibale von Rohtenburg“ bezeichnete Verfü­gungs­kläger hat die Verfü­gungs­be­klagte, eine in Kalifornien / USA ansässige Filmpro­duk­ti­o­ns­ge­sell­schaft , im Wege der einstweiligen Verfügung mit dem Ziel in Anspruch genommen, den für den 09.03.2006 angekündigten Kinostart des Films „Rohtenburg“ zu verhindern. Er ist wegen Mordes angeklagt und befindet sich deswegen in Unter­su­chungshaft. Die Straf­ver­handlung findet derzeit vor dem Landgericht Frankfurt am Main statt. Der Verfü­gungs­kläger macht geltend, der Film schildere in einer reißerischen und ihn bloßstellenden Weise nahezu detailgetreu seine private Lebens­ge­schichte und seine Tat. Darin erblickt er einen unerlaubten Eingriff in seine Persön­lich­keits­rechte. Das Landgericht Kassel hat mit Beschluss vom 12.01.2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Verfü­gungs­kläger habe die tatsächlichen Umstände seines Vorlebens und seiner Tat nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Gegen diese Entscheidung hat der Verfü­gungs­kläger Beschwerde eingelegt. Die Verfü­gungs­be­klagte verneint demgegenüber einen erheblichen Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht des Verfü­gungs­klägers und beruft sich auf die Grundrechte der Kunstfreiheit und der Freiheit des Films.

Das Beschwer­de­gericht hat dem Begehren des Verfü­gungs­klägers stattgegeben. Nach der Auffassung des 14. Zivilsenats hat der Verfü­gungs­kläger einen Anspruch gegen die Verfü­gungs­be­klagte, es zu unterlassen, den Film „Rohtenburg“ vorzuführen oder sonst einem Publikum zugänglich zu machen. Der Film verletzt das Persön­lich­keitsrecht des Verfü­gungs­klägers. Er enthält nach dem jedenfalls im Beschwer­de­ver­fahren glaubhaft gemachten Vorbringen des Verfü­gungs­klägers zu seiner privaten Lebens­ge­schichte und der ihm vorgeworfenen Tat bis in Einzelheiten hinein eine nahezu detailgetreue Wiedergabe seiner privaten Lebens­ge­schichte nebst darin enthaltener Auffälligkeiten, seiner Familie, der Vorgeschichte und der Ausführung der Tat. In Verbindung mit dem Titel des Films, der praktisch unverhüllt auf den Verfü­gungs­kläger hinweist, wird der Verfü­gungs­kläger in dem Film in dessen Hauptfigur Oliver Hagen dargestellt.

Der somit gegebene Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht des Verfü­gungs­klägers ist rechtswidrig. Das gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht des Verfü­gungs­klägers, grundsätzlich selbst und allein zu bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen, steht in einem Spannungs­ver­hältnis zu der in Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Kunstfreiheit und der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Filmfreiheit. Eine umfassende Güter- und Inter­es­se­n­ab­wägung ergibt, dass dem Persön­lich­keitsrecht des Verfü­gungs­klägers in dem zu beurteilenden Fall der Vorrang einzuräumen ist. Der mit dem Film verbundene Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht des Verfü­gungs­klägers wiegt schwer. Es handelt sich nach der öffentlichen Ankündigung um einen „Real-Horrorfilm“, der allein der Unterhaltung dient und dazu führt, dass das Persön­lich­keitsbild des Verfü­gungs­klägers auf die dieser Filmgattung eigenen Schwer­punkt­s­etzung verkürzt wird. Daran ändert nichts der Umstand, dass der Verfü­gungs­kläger durch seine in der deutschen Krimi­nal­ge­schichte einmaligen Tat einem breiten Publikum bekannt geworden ist. Wenn auch derjenige, der den Rechtsfrieden bricht, es hinnehmen muss, dass er infolge des durch die Tat erregten Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses der Öffentlichkeit durch Presse, Rundfunk und Film dargestellt wird, bedeutet das aber nicht gleichzeitig, dass seine Person ohne Einwilligung zum Gegenstand eines als „Real-Horrorfilm“ angekündigten, allein der Unterhaltung der Zuschauer dienenden Spielfilms gemacht werden darf. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Verfü­gungs­kläger keine generellen Einwände hat, seine Lebens­ge­schichte öffentlich zugänglich zu machen.

Die von der Verfü­gungs­be­klagten in Anspruch genommene Kunstfreiheit kann demgegenüber keinen Vorrang verlangen. Sie wird nicht schrankenlos gewährt. Der grundsätzlich bei der Abwägung zu beachtende, durch das Grundgesetz geschützten kunst­s­pe­zi­fischen Gehalt muss gegenüber dem ebenfalls geschützten Persön­lich­keitsrecht zurücktreten, weil der Film ohne ausreichende Verfremdung Privatleben und Tat des Verfü­gungs­klägers wiedergibt und ein durch die Darstel­lungsweise des Horrorfilms geprägtes Persön­lich­keitsbild des Verfü­gungs­klägers der Öffentlichkeit preisgibt.

Ein rechtswidriger Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht ist auch nicht im Hinblick auf die Freiheit der Berich­t­er­stattung durch Film zu verneinen, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Soweit ausschließlich der Unterhaltung dienende Spielfilme dem Schutzbereich dieser Vorschrift unterfallen, kann jedenfalls die Garantie der Berich­t­er­stattung durch Film nicht das Persön­lich­keitsrecht der unfreiwillig zum Gegenstand eines Horrorfilms gemachten Person überlagern. Die Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung ergibt sich aus dem kurz bevorstehenden Kinostart des beanstandeten Films.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt/Main vom 03.03.2006

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