Bundesgerichtshof Urteil26.05.2009
BGH: Spielfilm über "Kannibalen von Rotenburg" darf gezeigt werden - Informationsinteresse der ÖffentlichkeitPersönlichkeitsrechte des Täters müssen zurückstehen
Ein Film über den "Kannibalen von Rotenburg" darf gezeigt werden, entschied der Bundesgerichtshof. Dies ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Rechten des Täters (Kläger) und der zugunsten der Beklagten streitenden Kunst- und Filmfreiheit. Das Persönlichkeitsrecht des Klägers müsse hier zurückstehen. Auch bestehe an der Tat ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit, meinten die Richter.
Der Kläger ist durch Presseberichte über seine Tat als "Kannibale von Rotenburg" bekannt und rechtskräftig wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er hatte im März 2001 einen Menschen getötet, den Körper ausgenommen, zerlegt, eingefroren und in der Folgezeit teilweise verzehrt. Die Beklagte hat auf der Grundlage der Tat einen als "Real-Horrorfilm" beworbenen Spielfilm mit dem Titel "Rohtenburg" produziert. Lebensgeschichte und Persönlichkeitsmerkmale der Hauptfigur des Films sowie die Darstellung des Tathergangs entsprechen nahezu detailgenau dem realen Geschehensablauf und der tatsächlichen Biographie des Klägers, der seinerseits mit einer Produktionsgesellschaft einen Vertrag über die "umfassende, exklusive und weltweite Verwertung" seiner Lebensgeschichte geschlossen hat.
Kläger war in den Vorinstanzen erfolgreich
Der Kläger begehrt Unterlassung der Vorführung und Verwertung des Films. Seine Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg.
BGH hebt Urteile der Vorinstanzen auf - Film darf gezeigt werden
Auf die Revision der Beklagten hat der u. a. für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar könne der Film den Kläger als Person erheblich belasten, weil er die Tat auf stark emotionalisierende Weise erneut in Erinnerung rufe. Als Ergebnis der gebotenen Abwägung zwischen den Rechten des Klägers und der zugunsten der Beklagten streitenden Kunst- und Filmfreiheit müsse das Persönlichkeitsrecht des Klägers jedoch zurückstehen.
Öffentlichkeit hat Informationsinteresse an der Tat
Auch bestehe an der Tat ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der Spielfilm enthalte keine Verfremdungen oder Entstellungen und stelle den Achtungsanspruch des Klägers als Mensch nicht in Frage. Zwar berührten die Darstellungen den besonders schutzwürdigen Kern der Privatsphäre des Klägers. Weil diese Informationen sich unmittelbar auf die Tat und die Person des Täters bezögen, dürften aber auch solche Details geschildert werden. Überdies seien sämtliche Einzelheiten der Öffentlichkeit auch durch Mitwirkung des Klägers bereits bekannt gewesen. Dass die Darstellung neue oder zusätzliche nachteilige Folgen für den Kläger - insbesondere im Hinblick auf seine Resozialisierung - hätte, habe er nicht dargetan.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.05.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des BGH vom 26.05.2009