21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss07.10.2008

"Kannibale von Rotenburg" scheitert mit Verfas­sungs­be­schwerde gegen Verurteilung wegen MordesStraftat war nicht nur "Tötung auf Verlangen"

Der Beschwer­de­führer lernte über einschlägige Internetforen das spätere Tatopfer kennen. Die beiden vereinbarten zur jeweiligen Befriedigung ihrer sexuellen Neigungen eine Penisamputation beim Tatopfer und die anschließende Tötung des Mannes durch den Beschwer­de­führer. Nachdem der Beschwer­de­führer die Amputation durchgeführt hatte, tötete er das Tatopfer mit zwei Messerstichen. Die Tötung und Zerlegung der Leiche nahm der Beschwer­de­führer mit einer Videokamera auf, um sich den Film zur Selbst­be­frie­digung anzuschauen. Tage später verzehrte er Teile der Leiche und sah sich das Video an. Dabei befriedigte er sich selbst.

Das Landgericht Kassel verurteilte den Beschwer­de­führer zunächst wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten. Dieses Urteil hob der Bundes­ge­richtshof auf Revision der Staats­an­walt­schaft auf, da das Landgericht eine Verurteilung wegen Mordes nicht ausreichend geprüft habe. Nach erneuter Haupt­ver­handlung verhängte das Landgericht Frankfurt am Main gegen den Beschwer­de­führer eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Das Gericht stellte fest, dass der Beschwer­de­führer die Mordmerkmale der Tötung zur Befriedigung des Geschlecht­s­triebs und der Tötung, um eine andere Straftat zu ermöglichen - nämlich eine Störung der Totenruhe - verwirklicht habe. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Beschwer­de­führers verwarf der Bundes­ge­richtshof als offensichtlich unbegründet.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte der Beschwer­de­führer unter anderem geltend, dass er nur wegen Tötung auf Verlangen bestraft werden dürfte, da das Opfer mit der Tötung einverstanden gewesen sei. Die Verurteilung wegen Mordes könne schon deshalb nicht aufrecht­er­halten bleiben, weil der Straftatbestand des § 211 StGB verfas­sungs­widrig sei. Außerdem sei der Straftatbestand fehlerhaft ausgelegt und angewendet worden.

Die Verfas­sungs­be­schwerde wurde von der 2. Kammer des Zweiten Senats nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie weder grundsätzliche Bedeutung hat noch ihre Annahme zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwer­de­führers angezeigt ist. Der verfas­sungs­rechtliche Rahmen für die Auslegung und Anwendung des Mordtatbestands ist in der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts im Wesentlichen geklärt. Gleiches gilt für die verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben, die sich aus dem Übermaßverbot und insbesondere dem Gebot schuld­an­ge­messenen Strafens für das Strafrecht ergeben. Danach sind weder die unterbliebene Anwendung des Straf­tat­be­stands der Tötung auf Verlangen noch die Strafvorschrift des § 211 StGB als solche oder deren Auslegung und Anwendung im Einzelfall verfas­sungs­rechtlich zu beanstanden.

Die wortlaut­konforme Auslegung des § 216 StGB durch das Landgericht Frankfurt am Main, wonach eine Tötung auf Verlangen nur vorliegt, wenn das Tötungs­ver­langen des Opfers für den Täter handlungs­leitend gewesen ist, schränkt diesen Privi­le­gie­rung­s­tat­bestand nicht unver­hält­nismäßig ein.

Die Strafvorschrift des § 211 StGB ist mit Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit und dem verfas­sungs­recht­lichen Schuldprinzip auch insofern vereinbar, als danach mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft wird, wer zur Befriedigung des Geschlecht­s­triebs oder um eine andere Straftat zu ermöglichen einen Menschen tötet. Insbesondere ist auch das Mordmerkmal der Tötung "zur Befriedigung des Geschlecht­s­triebs" zur Abgrenzung besonders verwerflicher Tötungshandlung geeignet, wobei sich die besondere Verwerflichkeit aus der Relation von Zweck und Mittel und regelmäßig auch aus der besonderen Gefährlichkeit des Täters ergibt. Im Hinblick auf dieses Mordmerkmal wie auch auf das Mordmerkmal der Tötung zur Ermöglichung einer Straftat stehen den Strafgerichten ausreichende Mittel zur Verfügung, um eine Verurteilung nach § 211 StGB auf die Fälle zu beschränken, in denen die besondere Verwerflichkeit der Tat dies rechtfertigt.

Ob die genannten Mordmerkmale im Falle des Beschwer­de­führers erfüllt sind, ist eine Frage der Rechtsauslegung und Rechts­fort­bildung auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts, deren Beantwortung ebenso wie die Bestimmung einer schuld­an­ge­messenen Strafe in erster Linie Sache der dafür zuständigen Strafgerichte ist. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht prüft nur nach, ob dem verfas­sungs­recht­lichen Schuldgrundsatz durch die Fachgerichte überhaupt Rechnung getragen oder seine Tragweite bei der Auslegung und Anwendung des Strafrechts grundlegend verkannt worden ist. Es prüft dagegen nicht, ob die entschei­dungs­er­heb­lichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend und den einfach­recht­lichen Vorgaben entsprechend gewichtet worden sind oder eine andere Entscheidung näher liegt. Nach diesem Prüfungsmaßstab liegt ein Grund­rechts­verstoß weder in der Bejahung der besagten Mordmerkmale auf der Tatbe­standsseite noch darin, dass auf der Rechts­fol­genseite eine Strafmilderung unterblieben ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 89/08 des BVerfG vom 24.10.2008

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